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Papers by Florian Eitel
Anarchistische Uhrmacher in der Schweiz, Dec 31, 2018
Flugblatt mit Aufruf der Anarchisten aus dem Tal von Saint-Imier zur Wahl in die Legislative des ... more Flugblatt mit Aufruf der Anarchisten aus dem Tal von Saint-Imier zur Wahl in die Legislative des Kantons Bern von 1880 « commune » anstelle der Namen von Kandidaten auf den Wahlzettel zu schreiben. (IISG, MNP, 3351). 1 Am Generalkongress von Genf im Jahre 1873 wurde beispielsweise der Delegierte Terzaghi zurückgewiesen, obwohl dieser drei Mandate italienischer Sektionen vorwies. Diese wurden aber als nicht zur italienischen Föderation gehörend erklärt und Terzaghi wurde des Kongresses verwiesen. Die Mandate waren tatsächlich fiktiv und Terzaghi stellte sich später als Polizeispitzel heraus. Die drei "Mandate", die Terzaghi bei sich hatte, trugen kein Siegel des italienischen Föderalbüros. Vgl. Freymond (Hg.), La première Internationale, Bd. IV, S. 8-10, 150-153. Die Originale der "Mandate" befinden sich in: AEN, AJG, 4/II. Klassenkampf, Revolution und Anarchie: Deutungsmuster und Gemeinschaftsbildung der anarchistischen Bewegung im Tal von Saint-Imier in der Globalisierung Electeurs du Cercle du Haut-Vallon! Nos intérêts populaires sont solidairement liés aux intérêts des peuples travailleurs de tous les pays. Rallions-nous à l'idée qui est devenue la manifestation des aspirations nouvelles des peuples. (...) Déposons dans l'urne, non plus des NOMS PERSONNELS, mais une IDÉE-LA COMMUNE! * Die Sektionen und Föderationen der Anarchisten pflegten in ihrer intensiven Korrespondenz, die Briefe mit einem Siegel zu versehen. Dieses wurde dabei entweder vom Absender selbst oder vom Föderalbüro, das den Brief bearbeitete und weiterleitete, angebracht. Die Funktion des Siegels war dreifach. Erstens hatte ein Brief mit Siegel einen offiziellen Charakter, der sich von einer privaten Korrespondenz abgrenzte. Zweitens garantierte das Siegel die Authentizität und Originalität des Briefes, denn nur die jeweilige Sektion oder Föderation war im Besitz eines Siegels. Diese Funktion war insbesondere für die Legitimität der Kongressmandate wichtig. Sektionen großer Föderationen wie der italienischen oder der spanischen sandten ihre an einen Delegierten ausgestellten Mandate zuerst an das Föderalbüro, das mit seinem Siegel die Zugehörigkeit der Sektion zur Föderation und damit deren Zulassung zum Kongress bestätigte. 1 In dieser Hinsicht dienten die Siegel als eine Art Gütezeichen, das man durchaus mit den in der Industrie üblichen Markenzeichen in Verbindung bringen kann. Ebenso wie der Hersteller Longines auf seinen Uhren den Firmennamen und die geflügelte Sanduhr anbringen ließ, um die Originalität des Produktes zu garantieren, drückten die Anarchisten ihren "Produkten" den Namen ihrer Sektion oder Föderation sowie deren "Logo" auf. Die globalisierte Welt mit ihren immer weitläufigeren Produktflüssen machte solche "Gütesiegel" erforderlich. Die dritte Funktion der Siegel lässt sich an deren Bildsprache ablesen. Die Siegel der jeweiligen Sektionen und Föderati-Mandat des Comitato di Propaganda Socialista di Taranto für den 6. Kongress der IAA in Genf, 20.08.1873. (AEN, AJG, 97) Oben: Siegel der Verwal tung der Pariser Kommune von 1871 in: Noël, Dictionnaire, S. 45; unten: Siegel auf Dekret zur Abschaffung der Sklaverei im Zuge der Französischen Revolution, 04.02.1794. (Wikimedia) 3 O.A., Rapport sur le Meeting du 17 octobre, tenu à Sonceboz par la section du district de Courtelary, in: Progrès vom 30.10.1869, S. 3. 4 [Schwitzguébel,] Manifeste adressé aux ouvriers du Vallon de Saint-Imier, S. 1. 5 Vgl.
Anarchistische Uhrmacher in der Schweiz, Dec 31, 2018
Der Kongress von Saint-Imier 1872: Verdichtungsmoment und Knotenpunkt der entstehenden anarchisti... more Der Kongress von Saint-Imier 1872: Verdichtungsmoment und Knotenpunkt der entstehenden anarchistischen Bewegung Considérant que la grande unité de l'Internationale est fondée non sur l'organisation artificielle et toujours malfaisante d'un pouvoir centralisateur quelconque, mais sur l'identité réelle des intérêts et des aspirations du prolétariat de tous les pays, d'un côté, et de l'autre sur la fédération spontanée et absolument libre des fédérations et des sections libres de tous les pays; […] Les délégués des Fédérations et Sections espagnoles, italiennes, jurassiennes, françaises et américaines réunis à ce Congrès ont conclu, au nom de ces Fédérations et Sections, et sauf leur acceptation et confirmation définitives, le pacte d'amitié, de solidarité et de défense mutuelle […]. * Zwischen dem 15. und 16. September 1872 spielte sich in Saint-Imier ein Stück Globalgeschichte ab, auch wenn das wohl nur den allerwenigsten im Dorf bewusst war. Die Föderationen der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) hatten Delegierte geschickt, die sich im Zentrum Saint-Imiers trafen, genauer gesagt im Hotel de la Maison de Ville an der Place du Marché, wo sie zusammen mit "einheimischen" Mitgliedern der IAA einen Kongress abhielten. Die dabei verabschiedeten Resolutionen füllten gerade einmal zweieinhalb DIN-A4-Seiten. Deren Inhalt entfaltet jedoch seine globale Wirkung noch heute. Der Kongress von Saint-Imier reihte sich in die Tradition der im Jahresrhythmus abgehaltenen Generalkongresse der IAA ein. Auf diesen versammelten sich seit dem Jahre 1866 Delegierte der einzelnen Landesföderationen, die Mitglieder der IAA waren. Kongresse bildeten die zentralen Entscheidungsorgane der Internationalen und waren Diskussionsplattformen zum Austausch zwischen den anarchistischen Föderationen. Es wurde dort heftig um Resolutionen gerungen, gestritten und teils getrickst, wie am Fünften General-Beschlüsse und begleitschreides Kongresses der Antiautoritären Internationalen in Saint-Imier vom 15. und 16. September 1872. (SGB-B, Beilage in BFJ Exemplar A. Schwitzguébel, September 1872).
Anarchistische Uhrmacher in der Schweiz, Dec 31, 2018
Protestschreiben der Arbeiter des Uhrenateliers von Jules Edmond Chopard in Sonvilier gegen das V... more Protestschreiben der Arbeiter des Uhrenateliers von Jules Edmond Chopard in Sonvilier gegen das Verbot an Weihnachten 1871 arbeiten zu dürfen. (StAB, Bez Courtelary B 170) 60 SAINT-IMIER und SONVILIER in der GOBALISIERUNG 4 Die Junge Schweiz und ihre gleichnamige Zeitung (1835-1836) waren Teil des von Giuseppe Mazzini 1834 initiierten republikanischen Bundes Junges Europa. Siehe Weibel, Junges Europa, in: e-HLS. 5 Von 1847 bis 1849. Das Blatt wurde bereits im ersten Monat von den Behörden wegen der Aufrufe zum Sturz aller europäischen Monarchien verboten und von den Herausgebern in der Folge unter dem Titel Die Evolution veröffentlicht. Vgl.: Blaser, Bibliographie, S. 832-833; Félalime, Saint-Imier, S. 213. 6 Johann Philipp Becker (1809-1886). Der radikale Republikaner und spätere Sozialist emigrierte 1838 aus dem Königreich Bayern in die Schweiz, von wo aus er eine rege politische Tätigkeit entfaltete. Dies brachte ihm 1849, damals in Biel lebend, die Ausweisung aus dem Kanton Bern ein. Im Mai 1849 kommandierte Becker während des dritten Aufstandes in Baden (Deutschland) eine Division. Becker war eines der ersten Mitglieder der IAA in der Schweiz. In Genf gründete er bereits im Jahre 1865 Sektionen und brachte von 1866 bis 1871 den Vorboten heraus. Becker stand im engen Austausch mit Ferdinand Lassalle und Karl Marx, war aber gleichzeitig 1868 mit Bakunin Mitglied der Alliance de la démocratie socialiste in Genf. Beim Bruch der Internationalen 1872 stellte er sich auf die Seite der Zentralisten. Siehe dazu o.A., Becker, Johann Philipp, in: e-HLS. RAUM 61 7 Vgl. Bourquin, Biel, S. 374; zum Wirken Schülers in Biel und im Kanton Bern vgl. Kaestli, 1815 bis heute, S. 692-713. 8 Schüler, Der bernische Jura, S. 150. 9 Das Ortsbild und die Siedlungsstruktur von Sonvilier veränderten sich im 19. Jahrhundert ähnlich radikal und nach dem gleichen Muster wie in Saint-Imier. Die Quellenlage erlaubt jedoch für Sonvilier keine solch detaillierte Analyse des Wandels in kleinen Zeitabschnitten. Es fehlen insbesondere Darstellungen und Ortspläne für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, deshalb wird in der Folge die Entwicklung von Saint-Imier exemplarisch behandelt. Raum: Sichtbarer Wandel St. Imier, ein Hauptstapelplatz, der in den letzten Jahrzehnten viermal durch heftige Feuersbrünste heimgesucht, wie sie im Thal durch West-oder Nordwind angefacht werden, verjüngt und schöner als vorher aus der Asche entstanden ist. Die öffentlichen Gebäude wie Privathäuser in modernem Geschmacke, häufig zur Zierde des Hauptorts, geben einen Begriff von der Schaffungskraft der Landesindustrie, die Strassen gerade und breit, besonders die Hauptstrasse, mahnen an grossstädtisches Wesen. Gasbeleuchtung, längst schon hier eingeführt, verleiht abendlich ihren Glanz. 8 Die Veränderung des Dorfbildes Die Bewohner und Besucher von Saint-Imier und Sonvilier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spürten, sahen und hörten beim Gang durch die Gassen den Wandel. An allen Ecken wurde gesägt, gehämmert, geschliffen, gehauen und gemeißelt. Es roch nach Kalkstein und Mörtel. Maurer, Zimmerleute und Handlager gaben dem Tal von Saint-Imier ein neues Gesicht, denn Saint-Imier und Sonvilier waren zwischen 1850 und 1880 eine einzige Baustelle. Die beiden Ortschaften wiesen insbesondere ab den 1850er-Jahren eine erhöhte Bautätigkeit auf, die das Ortsbild und damit den für alle Bewohner wahrnehmbaren Raum radikal veränderte. Aus den beschaulichen, ländlich-kleindörflichen und organisch gewachsenen Strukturen zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelten sich Saint-Imier und Sonvilier zu geplant-geordneten Ortschaften mit städtischem Aussehen. Eine baugeschichtliche Analyse Saint-Imiers soll dies veranschaulichen. 9 Die bebaute Fläche in der Gemeinde Saint-Imier stieg im 19. Jahrhundert markant an. Dies wird aus dem Vergleich mit älteren Darstellungen und Ortsplänen augenscheinlich. In einer der ältesten Darstellungen von Saint-Imier aus dem Jahre 1839, von einem unbekannten Künstler erstellt, wies die Ortschaft noch klare dörfliche Strukturen auf. Saint-Imier, auf der Südflanke eines Jurabergzuges errichtet, ordnete Ansicht Saint-Imier 1839, Aquarell eines unbekannten Künstlers. (MdI, Sainer268) RAUM 63 Gut 25 Jahre später hatte sich das Ortsbild bereits stark verändert, wie uns das Aquarell von Louis Wallingre, Zeichnungslehrer an der Sekundarschule von Saint-Imier, aus dem Jahre 1865 vor Augen führt. Die Siedlung wuchs insbesondere nach Westen und Osten, wobei die neu errichteten Häuser alle drei bis vier Stockwerke aufwiesen. Der Turm der Dorfkirche war in der Zwischenzeit ebenfalls erhöht worden. Wallingre malte das Dorf in einer bukolischen Landschaft, in der er im Vordergrund Kühe mit ihren Kälbern weiden lässt. Der dadurch angedeutete landwirtschaftliche Charakter Saint-Imiers entsprang jedoch eher der romantisierenden Vorstellung des Künstlers, als dass er die gegenwärtige architektonische und wirtschaftliche Realität in Saint-Imier widerspiegelte. Ansicht Saint-Imier 1865, Aquarell des Zeichnungslehrers Wallingre aus Saint-Imier. (Commission d'histoire du 1100ème anniversaire de Saint-Imier (Hg.), Saint-Imier, S. 43.) Ansicht Saint-Imier 1866, Gravur eines unbekannten Künstlers. (Gerber, Robert, Histoire, S. 44) 64 SAINT-IMIER und SONVILIER in der GOBALISIERUNG 10 Vgl. Born, Première dérive, S. 14. 11 Es handelt sich um die zwischen 1862 und 1866 errichtete römischkatholische Kirche. Der Bau der Kirche kann, als das Bild erstellt wurde, noch nicht abgeschlossen gewesen sein, denn der Künstler malte die Kirche den ursprünglichen Bauplänen folgend und nicht gemäß der endgültigen Ausführung. Den neugotischen Kirchturmabschluss, der das heutige Aussehen der Kirche prägt, erhielt die Kirche erst 1913.
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Flugblatt mit Aufruf der Anarchisten aus dem Tal von Saint-Imier zur Wahl in die Legislative des ... more Flugblatt mit Aufruf der Anarchisten aus dem Tal von Saint-Imier zur Wahl in die Legislative des Kantons Bern von 1880 « commune » anstelle der Namen von Kandidaten auf den Wahlzettel zu schreiben. (IISG, MNP, 3351). 1 Am Generalkongress von Genf im Jahre 1873 wurde beispielsweise der Delegierte Terzaghi zurückgewiesen, obwohl dieser drei Mandate italienischer Sektionen vorwies. Diese wurden aber als nicht zur italienischen Föderation gehörend erklärt und Terzaghi wurde des Kongresses verwiesen. Die Mandate waren tatsächlich fiktiv und Terzaghi stellte sich später als Polizeispitzel heraus. Die drei "Mandate", die Terzaghi bei sich hatte, trugen kein Siegel des italienischen Föderalbüros. Vgl. Freymond (Hg.), La première Internationale, Bd. IV, S. 8-10, 150-153. Die Originale der "Mandate" befinden sich in: AEN, AJG, 4/II. Klassenkampf, Revolution und Anarchie: Deutungsmuster und Gemeinschaftsbildung der anarchistischen Bewegung im Tal von Saint-Imier in der Globalisierung Electeurs du Cercle du Haut-Vallon! Nos intérêts populaires sont solidairement liés aux intérêts des peuples travailleurs de tous les pays. Rallions-nous à l'idée qui est devenue la manifestation des aspirations nouvelles des peuples. (...) Déposons dans l'urne, non plus des NOMS PERSONNELS, mais une IDÉE-LA COMMUNE! * Die Sektionen und Föderationen der Anarchisten pflegten in ihrer intensiven Korrespondenz, die Briefe mit einem Siegel zu versehen. Dieses wurde dabei entweder vom Absender selbst oder vom Föderalbüro, das den Brief bearbeitete und weiterleitete, angebracht. Die Funktion des Siegels war dreifach. Erstens hatte ein Brief mit Siegel einen offiziellen Charakter, der sich von einer privaten Korrespondenz abgrenzte. Zweitens garantierte das Siegel die Authentizität und Originalität des Briefes, denn nur die jeweilige Sektion oder Föderation war im Besitz eines Siegels. Diese Funktion war insbesondere für die Legitimität der Kongressmandate wichtig. Sektionen großer Föderationen wie der italienischen oder der spanischen sandten ihre an einen Delegierten ausgestellten Mandate zuerst an das Föderalbüro, das mit seinem Siegel die Zugehörigkeit der Sektion zur Föderation und damit deren Zulassung zum Kongress bestätigte. 1 In dieser Hinsicht dienten die Siegel als eine Art Gütezeichen, das man durchaus mit den in der Industrie üblichen Markenzeichen in Verbindung bringen kann. Ebenso wie der Hersteller Longines auf seinen Uhren den Firmennamen und die geflügelte Sanduhr anbringen ließ, um die Originalität des Produktes zu garantieren, drückten die Anarchisten ihren "Produkten" den Namen ihrer Sektion oder Föderation sowie deren "Logo" auf. Die globalisierte Welt mit ihren immer weitläufigeren Produktflüssen machte solche "Gütesiegel" erforderlich. Die dritte Funktion der Siegel lässt sich an deren Bildsprache ablesen. Die Siegel der jeweiligen Sektionen und Föderati-Mandat des Comitato di Propaganda Socialista di Taranto für den 6. Kongress der IAA in Genf, 20.08.1873. (AEN, AJG, 97) Oben: Siegel der Verwal tung der Pariser Kommune von 1871 in: Noël, Dictionnaire, S. 45; unten: Siegel auf Dekret zur Abschaffung der Sklaverei im Zuge der Französischen Revolution, 04.02.1794. (Wikimedia) 3 O.A., Rapport sur le Meeting du 17 octobre, tenu à Sonceboz par la section du district de Courtelary, in: Progrès vom 30.10.1869, S. 3. 4 [Schwitzguébel,] Manifeste adressé aux ouvriers du Vallon de Saint-Imier, S. 1. 5 Vgl.
Anarchistische Uhrmacher in der Schweiz, Dec 31, 2018
Der Kongress von Saint-Imier 1872: Verdichtungsmoment und Knotenpunkt der entstehenden anarchisti... more Der Kongress von Saint-Imier 1872: Verdichtungsmoment und Knotenpunkt der entstehenden anarchistischen Bewegung Considérant que la grande unité de l'Internationale est fondée non sur l'organisation artificielle et toujours malfaisante d'un pouvoir centralisateur quelconque, mais sur l'identité réelle des intérêts et des aspirations du prolétariat de tous les pays, d'un côté, et de l'autre sur la fédération spontanée et absolument libre des fédérations et des sections libres de tous les pays; […] Les délégués des Fédérations et Sections espagnoles, italiennes, jurassiennes, françaises et américaines réunis à ce Congrès ont conclu, au nom de ces Fédérations et Sections, et sauf leur acceptation et confirmation définitives, le pacte d'amitié, de solidarité et de défense mutuelle […]. * Zwischen dem 15. und 16. September 1872 spielte sich in Saint-Imier ein Stück Globalgeschichte ab, auch wenn das wohl nur den allerwenigsten im Dorf bewusst war. Die Föderationen der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) hatten Delegierte geschickt, die sich im Zentrum Saint-Imiers trafen, genauer gesagt im Hotel de la Maison de Ville an der Place du Marché, wo sie zusammen mit "einheimischen" Mitgliedern der IAA einen Kongress abhielten. Die dabei verabschiedeten Resolutionen füllten gerade einmal zweieinhalb DIN-A4-Seiten. Deren Inhalt entfaltet jedoch seine globale Wirkung noch heute. Der Kongress von Saint-Imier reihte sich in die Tradition der im Jahresrhythmus abgehaltenen Generalkongresse der IAA ein. Auf diesen versammelten sich seit dem Jahre 1866 Delegierte der einzelnen Landesföderationen, die Mitglieder der IAA waren. Kongresse bildeten die zentralen Entscheidungsorgane der Internationalen und waren Diskussionsplattformen zum Austausch zwischen den anarchistischen Föderationen. Es wurde dort heftig um Resolutionen gerungen, gestritten und teils getrickst, wie am Fünften General-Beschlüsse und begleitschreides Kongresses der Antiautoritären Internationalen in Saint-Imier vom 15. und 16. September 1872. (SGB-B, Beilage in BFJ Exemplar A. Schwitzguébel, September 1872).
Anarchistische Uhrmacher in der Schweiz, Dec 31, 2018
Protestschreiben der Arbeiter des Uhrenateliers von Jules Edmond Chopard in Sonvilier gegen das V... more Protestschreiben der Arbeiter des Uhrenateliers von Jules Edmond Chopard in Sonvilier gegen das Verbot an Weihnachten 1871 arbeiten zu dürfen. (StAB, Bez Courtelary B 170) 60 SAINT-IMIER und SONVILIER in der GOBALISIERUNG 4 Die Junge Schweiz und ihre gleichnamige Zeitung (1835-1836) waren Teil des von Giuseppe Mazzini 1834 initiierten republikanischen Bundes Junges Europa. Siehe Weibel, Junges Europa, in: e-HLS. 5 Von 1847 bis 1849. Das Blatt wurde bereits im ersten Monat von den Behörden wegen der Aufrufe zum Sturz aller europäischen Monarchien verboten und von den Herausgebern in der Folge unter dem Titel Die Evolution veröffentlicht. Vgl.: Blaser, Bibliographie, S. 832-833; Félalime, Saint-Imier, S. 213. 6 Johann Philipp Becker (1809-1886). Der radikale Republikaner und spätere Sozialist emigrierte 1838 aus dem Königreich Bayern in die Schweiz, von wo aus er eine rege politische Tätigkeit entfaltete. Dies brachte ihm 1849, damals in Biel lebend, die Ausweisung aus dem Kanton Bern ein. Im Mai 1849 kommandierte Becker während des dritten Aufstandes in Baden (Deutschland) eine Division. Becker war eines der ersten Mitglieder der IAA in der Schweiz. In Genf gründete er bereits im Jahre 1865 Sektionen und brachte von 1866 bis 1871 den Vorboten heraus. Becker stand im engen Austausch mit Ferdinand Lassalle und Karl Marx, war aber gleichzeitig 1868 mit Bakunin Mitglied der Alliance de la démocratie socialiste in Genf. Beim Bruch der Internationalen 1872 stellte er sich auf die Seite der Zentralisten. Siehe dazu o.A., Becker, Johann Philipp, in: e-HLS. RAUM 61 7 Vgl. Bourquin, Biel, S. 374; zum Wirken Schülers in Biel und im Kanton Bern vgl. Kaestli, 1815 bis heute, S. 692-713. 8 Schüler, Der bernische Jura, S. 150. 9 Das Ortsbild und die Siedlungsstruktur von Sonvilier veränderten sich im 19. Jahrhundert ähnlich radikal und nach dem gleichen Muster wie in Saint-Imier. Die Quellenlage erlaubt jedoch für Sonvilier keine solch detaillierte Analyse des Wandels in kleinen Zeitabschnitten. Es fehlen insbesondere Darstellungen und Ortspläne für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, deshalb wird in der Folge die Entwicklung von Saint-Imier exemplarisch behandelt. Raum: Sichtbarer Wandel St. Imier, ein Hauptstapelplatz, der in den letzten Jahrzehnten viermal durch heftige Feuersbrünste heimgesucht, wie sie im Thal durch West-oder Nordwind angefacht werden, verjüngt und schöner als vorher aus der Asche entstanden ist. Die öffentlichen Gebäude wie Privathäuser in modernem Geschmacke, häufig zur Zierde des Hauptorts, geben einen Begriff von der Schaffungskraft der Landesindustrie, die Strassen gerade und breit, besonders die Hauptstrasse, mahnen an grossstädtisches Wesen. Gasbeleuchtung, längst schon hier eingeführt, verleiht abendlich ihren Glanz. 8 Die Veränderung des Dorfbildes Die Bewohner und Besucher von Saint-Imier und Sonvilier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spürten, sahen und hörten beim Gang durch die Gassen den Wandel. An allen Ecken wurde gesägt, gehämmert, geschliffen, gehauen und gemeißelt. Es roch nach Kalkstein und Mörtel. Maurer, Zimmerleute und Handlager gaben dem Tal von Saint-Imier ein neues Gesicht, denn Saint-Imier und Sonvilier waren zwischen 1850 und 1880 eine einzige Baustelle. Die beiden Ortschaften wiesen insbesondere ab den 1850er-Jahren eine erhöhte Bautätigkeit auf, die das Ortsbild und damit den für alle Bewohner wahrnehmbaren Raum radikal veränderte. Aus den beschaulichen, ländlich-kleindörflichen und organisch gewachsenen Strukturen zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelten sich Saint-Imier und Sonvilier zu geplant-geordneten Ortschaften mit städtischem Aussehen. Eine baugeschichtliche Analyse Saint-Imiers soll dies veranschaulichen. 9 Die bebaute Fläche in der Gemeinde Saint-Imier stieg im 19. Jahrhundert markant an. Dies wird aus dem Vergleich mit älteren Darstellungen und Ortsplänen augenscheinlich. In einer der ältesten Darstellungen von Saint-Imier aus dem Jahre 1839, von einem unbekannten Künstler erstellt, wies die Ortschaft noch klare dörfliche Strukturen auf. Saint-Imier, auf der Südflanke eines Jurabergzuges errichtet, ordnete Ansicht Saint-Imier 1839, Aquarell eines unbekannten Künstlers. (MdI, Sainer268) RAUM 63 Gut 25 Jahre später hatte sich das Ortsbild bereits stark verändert, wie uns das Aquarell von Louis Wallingre, Zeichnungslehrer an der Sekundarschule von Saint-Imier, aus dem Jahre 1865 vor Augen führt. Die Siedlung wuchs insbesondere nach Westen und Osten, wobei die neu errichteten Häuser alle drei bis vier Stockwerke aufwiesen. Der Turm der Dorfkirche war in der Zwischenzeit ebenfalls erhöht worden. Wallingre malte das Dorf in einer bukolischen Landschaft, in der er im Vordergrund Kühe mit ihren Kälbern weiden lässt. Der dadurch angedeutete landwirtschaftliche Charakter Saint-Imiers entsprang jedoch eher der romantisierenden Vorstellung des Künstlers, als dass er die gegenwärtige architektonische und wirtschaftliche Realität in Saint-Imier widerspiegelte. Ansicht Saint-Imier 1865, Aquarell des Zeichnungslehrers Wallingre aus Saint-Imier. (Commission d'histoire du 1100ème anniversaire de Saint-Imier (Hg.), Saint-Imier, S. 43.) Ansicht Saint-Imier 1866, Gravur eines unbekannten Künstlers. (Gerber, Robert, Histoire, S. 44) 64 SAINT-IMIER und SONVILIER in der GOBALISIERUNG 10 Vgl. Born, Première dérive, S. 14. 11 Es handelt sich um die zwischen 1862 und 1866 errichtete römischkatholische Kirche. Der Bau der Kirche kann, als das Bild erstellt wurde, noch nicht abgeschlossen gewesen sein, denn der Künstler malte die Kirche den ursprünglichen Bauplänen folgend und nicht gemäß der endgültigen Ausführung. Den neugotischen Kirchturmabschluss, der das heutige Aussehen der Kirche prägt, erhielt die Kirche erst 1913.