Gerd Koenen - Academia.edu (original) (raw)
Papers by Gerd Koenen
Neue Beiträge der Forschung, 2006
Zur antisemitischen Wendung des Kommunismus, 2000
Luzifer-Amor : Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse, 2014
1930. This hitherto unknown account by A. Paquet, a writer from Frankfurt and at that time secret... more 1930. This hitherto unknown account by A. Paquet, a writer from Frankfurt and at that time secretary of the Goethe-Prize, revolves around Freud's self-description as a "conscious Jew" who nevertheless eschewed categorization, as well as around psychoanalysis as an invidious, though necessary form of creative destruction.
Baader-Meinhof Returns, 2008
Slavic Review, 2000
... Auseinandersetzungen des jungen Georg Lukács und des jungen Ernst Bloch mit dem revolutionäre... more ... Auseinandersetzungen des jungen Georg Lukács und des jungen Ernst Bloch mit dem revolutionären Ruß- land -- Konstantin Asadowski: "Blick ins Chaos". Hermann Hesse über Dostojewskij und Rußland -- Aaron J. Cohen: Revolution und Emanzipation. ...
Pasajes Revista De Pensamiento Contemporaneo, 2000
Terroristische Diktaturen im 20. Jahrhundert, 1996
Neben Rudi Dutschke und -nach dem Attentat -an dessen Stelle verkörperte der Frankfurter SDS-Trib... more Neben Rudi Dutschke und -nach dem Attentat -an dessen Stelle verkörperte der Frankfurter SDS-Tribun und Adorno-Schüler Hans-Jürgen Krahl das eigentümliche Charisma der sich "anti-autoritär" deklarierenden radikalen Jugendbewegung von 1968 mit ihrer Mischung aus permanenter Aktion und esoterischer Theoriesprache. Was sagt uns aber die illustre Figur Krahls über diese Bewegung und ihre Motivlagen? Dem wäre, auch im Lichte aktueller Diskussionen, noch einmal nachzugehen. Als "der Krahl" (wie alle ihn damals nannten) im Februar 1970, gerade siebenundzwanzig Jahre alt, bei einem Autounfall ums Leben kam, sahen viele darin eine erschreckende, nahezu schicksalhafte Konsequenz am Werk. Manche seiner Weggefährten stilisierten seinen frühen Tod zum Fanal einer Verzweiflung, die vor allem den autoritären Tendenzen im Innern der Bewegung gegolten habe, und damit zum Sinnbild des erneuten Absterbens einer emanzipativen Bewegung in Deutschland. Eine andere, weniger heroische Deutung betonte eher das Element äußerster persönlicher und politischer Überspannung, die auf irgendein katastrophisches Ende zulief, unklar nur, auf welches. "Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte." Diesen Satz aus Büchners "Lenz" soll Hans-Jürgen Krahl oft und gerne zitiert haben, offenkundig in 2 eigener Sache. Tatsächlich hat er immer wieder versucht, auf dem Kopf zu gehen, um in seinen genialisch-monologischen, schriftlich oder mündlich hingeworfenen Gedankenskizzen die "verkehrte Welt" des entwickelten Kapitalismus auf die Füße einer imaginierten sozialistischsolidarischen Gesellschaftsordnung zu stellen. Ob da ein zeitgenössischer Gesellschaftsanalytiker sprach, ein spätgeborener Mystiker, ein moderner Existenzialist oder ein Stürzender, Fallender auf der Suche nach Halt und Gemeinschaft, bleibt ununterscheidbar. Zum spezifischen Charisma Krahls gehörte es, dass er den Gestus des Outsiders auch innerhalb der Bewegung kultivierte, von deren konformistischem Protest-Habitus er sich durch sein Äußeres absetzte: schnarrende Stimme, randlose Brille, kurze strähnige Haare mit Scheitel, verblichene Anzüge. Während alle sich stylten, ob als Politkommissar oder als Hippie, pflegte er die delikate Hässlichkeit des späten Konfirmanden oder Zöglings einer Klosterschule. Welche erotischen Neigungen er in dieser promisken Jugendszene verfolgte, und ob überhaupt, muss dahingestellt bleiben. Als Chianti oder Joints angesagt waren, trank er unverwegt weiter seine lüttjen Lagen aus Bier und Doppelkorn, während er Heintjes "Maaama" (den großen Hit von 1968!) in der Jukebox auflegte oder mit fester Stimme das Niedersachenlied anstimmte: "Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen, aus Herzog Widukinds Stamm". Und dann, so will es die Krahl-Legende, nahm er sein Glasauge heraus, als ließe er ein Monokel fallen, und fabulierte von seiner fernen adeligen Herkunft aus dem preußischen Geschlecht derer von Hardenberg, das auch einen Novalis hervorgebracht hatte. Das betont Unzeitgemäße seines Habitus hatte er freilich selbst durch eine große biographische Erzählung überwölbt, die zu seinem wirkungsvollsten literarischen Vermächtnis geworden ist. Diese
Dem „Historiker-Streit“ der späten 1980er Jahre lag, bevor er sich auf eine „Kontroverse um die E... more Dem „Historiker-Streit“ der späten 1980er Jahre lag, bevor er sich auf eine „Kontroverse um die Einzigartigkeit des nationalsozialistischen Judenmordes“ („Historikerstreit“ 1987) verengte, die viel weitergehende These Ernst Noltes vom „kausalen Nexus“ zwischen Bolschewismus und Nationalsozialismus zugrunde (Nolte 1987). Der kurzschlüssige und apologetische Charakter dieser Formel hat mit dazu beigetragen, dass die sachliche Frage selbst unbeantwortet blieb: Ob nicht tatsächlich die terroristisch durchgesetzte Machteroberung der Bolschewiki in der Phase von Weltkrieg, Revolution und Nachkrieg (um in den Kategorien Noltes zu sprechen) die „Grundemotionen“ Hitlers und seiner Gefolgsleute entscheidend bestimmt, den „ursprünglichen“ oder „zentralen Impuls“ der NS-Bewegung gebildet und ihr zugleich als „Vorbild und Schreckbild“ gedient habe.
Neue Beiträge der Forschung, 2006
Zur antisemitischen Wendung des Kommunismus, 2000
Luzifer-Amor : Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse, 2014
1930. This hitherto unknown account by A. Paquet, a writer from Frankfurt and at that time secret... more 1930. This hitherto unknown account by A. Paquet, a writer from Frankfurt and at that time secretary of the Goethe-Prize, revolves around Freud's self-description as a "conscious Jew" who nevertheless eschewed categorization, as well as around psychoanalysis as an invidious, though necessary form of creative destruction.
Baader-Meinhof Returns, 2008
Slavic Review, 2000
... Auseinandersetzungen des jungen Georg Lukács und des jungen Ernst Bloch mit dem revolutionäre... more ... Auseinandersetzungen des jungen Georg Lukács und des jungen Ernst Bloch mit dem revolutionären Ruß- land -- Konstantin Asadowski: "Blick ins Chaos". Hermann Hesse über Dostojewskij und Rußland -- Aaron J. Cohen: Revolution und Emanzipation. ...
Pasajes Revista De Pensamiento Contemporaneo, 2000
Terroristische Diktaturen im 20. Jahrhundert, 1996
Neben Rudi Dutschke und -nach dem Attentat -an dessen Stelle verkörperte der Frankfurter SDS-Trib... more Neben Rudi Dutschke und -nach dem Attentat -an dessen Stelle verkörperte der Frankfurter SDS-Tribun und Adorno-Schüler Hans-Jürgen Krahl das eigentümliche Charisma der sich "anti-autoritär" deklarierenden radikalen Jugendbewegung von 1968 mit ihrer Mischung aus permanenter Aktion und esoterischer Theoriesprache. Was sagt uns aber die illustre Figur Krahls über diese Bewegung und ihre Motivlagen? Dem wäre, auch im Lichte aktueller Diskussionen, noch einmal nachzugehen. Als "der Krahl" (wie alle ihn damals nannten) im Februar 1970, gerade siebenundzwanzig Jahre alt, bei einem Autounfall ums Leben kam, sahen viele darin eine erschreckende, nahezu schicksalhafte Konsequenz am Werk. Manche seiner Weggefährten stilisierten seinen frühen Tod zum Fanal einer Verzweiflung, die vor allem den autoritären Tendenzen im Innern der Bewegung gegolten habe, und damit zum Sinnbild des erneuten Absterbens einer emanzipativen Bewegung in Deutschland. Eine andere, weniger heroische Deutung betonte eher das Element äußerster persönlicher und politischer Überspannung, die auf irgendein katastrophisches Ende zulief, unklar nur, auf welches. "Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte." Diesen Satz aus Büchners "Lenz" soll Hans-Jürgen Krahl oft und gerne zitiert haben, offenkundig in 2 eigener Sache. Tatsächlich hat er immer wieder versucht, auf dem Kopf zu gehen, um in seinen genialisch-monologischen, schriftlich oder mündlich hingeworfenen Gedankenskizzen die "verkehrte Welt" des entwickelten Kapitalismus auf die Füße einer imaginierten sozialistischsolidarischen Gesellschaftsordnung zu stellen. Ob da ein zeitgenössischer Gesellschaftsanalytiker sprach, ein spätgeborener Mystiker, ein moderner Existenzialist oder ein Stürzender, Fallender auf der Suche nach Halt und Gemeinschaft, bleibt ununterscheidbar. Zum spezifischen Charisma Krahls gehörte es, dass er den Gestus des Outsiders auch innerhalb der Bewegung kultivierte, von deren konformistischem Protest-Habitus er sich durch sein Äußeres absetzte: schnarrende Stimme, randlose Brille, kurze strähnige Haare mit Scheitel, verblichene Anzüge. Während alle sich stylten, ob als Politkommissar oder als Hippie, pflegte er die delikate Hässlichkeit des späten Konfirmanden oder Zöglings einer Klosterschule. Welche erotischen Neigungen er in dieser promisken Jugendszene verfolgte, und ob überhaupt, muss dahingestellt bleiben. Als Chianti oder Joints angesagt waren, trank er unverwegt weiter seine lüttjen Lagen aus Bier und Doppelkorn, während er Heintjes "Maaama" (den großen Hit von 1968!) in der Jukebox auflegte oder mit fester Stimme das Niedersachenlied anstimmte: "Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen, aus Herzog Widukinds Stamm". Und dann, so will es die Krahl-Legende, nahm er sein Glasauge heraus, als ließe er ein Monokel fallen, und fabulierte von seiner fernen adeligen Herkunft aus dem preußischen Geschlecht derer von Hardenberg, das auch einen Novalis hervorgebracht hatte. Das betont Unzeitgemäße seines Habitus hatte er freilich selbst durch eine große biographische Erzählung überwölbt, die zu seinem wirkungsvollsten literarischen Vermächtnis geworden ist. Diese
Dem „Historiker-Streit“ der späten 1980er Jahre lag, bevor er sich auf eine „Kontroverse um die E... more Dem „Historiker-Streit“ der späten 1980er Jahre lag, bevor er sich auf eine „Kontroverse um die Einzigartigkeit des nationalsozialistischen Judenmordes“ („Historikerstreit“ 1987) verengte, die viel weitergehende These Ernst Noltes vom „kausalen Nexus“ zwischen Bolschewismus und Nationalsozialismus zugrunde (Nolte 1987). Der kurzschlüssige und apologetische Charakter dieser Formel hat mit dazu beigetragen, dass die sachliche Frage selbst unbeantwortet blieb: Ob nicht tatsächlich die terroristisch durchgesetzte Machteroberung der Bolschewiki in der Phase von Weltkrieg, Revolution und Nachkrieg (um in den Kategorien Noltes zu sprechen) die „Grundemotionen“ Hitlers und seiner Gefolgsleute entscheidend bestimmt, den „ursprünglichen“ oder „zentralen Impuls“ der NS-Bewegung gebildet und ihr zugleich als „Vorbild und Schreckbild“ gedient habe.