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Papers by Gian Andrea Caduff

Research paper thumbnail of Antonio de Guevara in Sagogn

Die im Gemeindearchiv von Sagogn aufbewahrten, auf 1598 zurückgehenden «Satzungen» und das heute ... more Die im Gemeindearchiv von Sagogn aufbewahrten, auf 1598 zurückgehenden «Satzungen» und das heute nur mehr in einer Transkription erhaltene, auf die Jahre um 1570 datierte Statut des Volksbrauchs vom «Litgun» sowie eine lokale, nicht vollständig überlieferte «Topographie» gehören unbestrittenermassen zum humanistischen Schrifttum Bündens, auch wenn über ihre(n) Verfasser nur gemutmasst werden kann. Eine detaillierte Analyse der Texte im Hinblick auf die ihnen zugrunde liegenden Quellen zeigt auf, über welche Bildungsvoraussetzungen und Kenntnisse ein humanistischer Autor um 1570 in Bünden verfügte. Griechische Autoren las man selbstverständlich auf Latein; Eigenheiten im Wortgebrauch führen im Einzelfall auf die jeweils benutzte Übersetzung. Neben der Kenntnis antiker Autoren lässt sich insbesondere die überraschende Vertrautheit mit Antonio de Guevara nachweisen, jenem spanischen Autor, dem Grimmelshausens «Simplicissimus» das Schlusskapitel verdankt. Rezipiert wurde sein «Menosprecio de corte y alabanza de aldea» in Sagogn vermittelst Egidius Albertinus‘ Übertragung ins Deutsche von 1598, der die «Satzungen» ihre sich als Zitat aus Plutarch ausgebende Einleitung verdanken; im 16. Jh. konnte ein in München erschienenes Buch also noch in seinem Erscheinungsjahr den Weg nach Sagogn finden. Das Hauptmotiv dieses fiktiven Plutarchzitats – sieben Gesandte führen eine Debatte über die beste Staatsordnung – hat seine engste Parallele in Plutarchs Schrift «Septem sapientium convivium», in der unter anderem auch die Frage nach der besten Demokratie diskutiert wird, jener Staatsform, die die «Satzungen» als für den Staat der Drei Bünde charakteristisch bezeichnen. Diese Inbezugsetzung von zeitgenössischer und antiker Staatsform widerspiegelt die Renaissance des Begriffs Demokratie im 16. Jh., die Calepinos Lexikon dadurch dokumentiert, dass die dem Stichwort Demokratie und seinen Ableitungen gewidmete Zeilenzahl allein zwischen 1512 und 1549 von 0 auf 13 anstieg. Die beiden andern Schriften zitieren de Guevara nicht im Sinne eines konkreten Zitats, sondern durch die Übernahme seiner auch schon als novellistisch bezeichneten Technik, zur Unterhaltung des Lesers Historie und Fiktion miteinander zu kombinieren. Im «Litgun» steht diese – vermutlich im knabenschaftlichen Umfeld rezipierte – Kompositionstechnik einerseits im Dienste der Sagenbildung, indem eine Ätiologie des Brauchs unter Verwendung von Motiven, die dem römischen Salierbrauchtum entnommenen sind, präsentiert wird, und der Persiflierung von Kanzleistil bei der Beschreibung der dem Statut zugrunde liegenden Dokumente andererseits. Die «Topographie» ihrerseits unterteilt das Gemeindegebiet in fiktive politische Einheiten unter Verwendung geographischer Begriffe, die ein Gebiet von Ägypten bis in den Fernen Osten und nach Südamerika umschliessen. Sein Zentrum beim Kirchhügel von Sagogn wird dabei in gut humanistischer Tradition zum paradiesischen Phäakenland der Odyssee.

Research paper thumbnail of Zur Zitierweise antiker Texte

Research paper thumbnail of III. Das Opfer auf dem Berge

Vandenhoeck & Ruprecht eBooks, Feb 12, 1986

Research paper thumbnail of IV. Der Flutheros in der Rolle des Prometheus

Research paper thumbnail of VII. Sintflut als Topos

Research paper thumbnail of Durich Chiampells "Topographie" als Apologie und Inszenierung Rätiens

Research paper thumbnail of V. Flutsagen als Aitien von Ritualen

Vandenhoeck & Ruprecht eBooks, Feb 12, 1986

Research paper thumbnail of II. Flutsagen und Theodizee

Vandenhoeck & Ruprecht eBooks, Feb 12, 1986

Research paper thumbnail of Antike Sintflutsagen

Vandenhoeck & Ruprecht eBooks, Feb 12, 1986

Research paper thumbnail of IV. Fluttraditionen um Aiakos, Merops, Inachos und Elis

Vandenhoeck & Ruprecht eBooks, Feb 12, 1986

Research paper thumbnail of I. Die Fluterzählung von Deukalion

Vandenhoeck & Ruprecht eBooks, Feb 12, 1986

Research paper thumbnail of III. Systematisierte Fluterzählungen

Vandenhoeck & Ruprecht eBooks, Feb 12, 1986

Research paper thumbnail of Namen- und Sachregister

Vandenhoeck & Ruprecht eBooks, Feb 12, 1986

Research paper thumbnail of VII. Die Sintflutmythen als Verbildlichung menschlichen Selbstverständnisses

Research paper thumbnail of VI. Die Jenseitsreise des Flutheros

Vandenhoeck & Ruprecht eBooks, Feb 12, 1986

Research paper thumbnail of Zur Bildsprache des sogenannten "Samson-Stoffes" im Churer Domschatz

Im Domschatz von Chur (Schweiz) befindet sich ein um 800 in Syrien hergestellter Seidenstoff, der... more Im Domschatz von Chur (Schweiz) befindet sich ein um 800 in Syrien hergestellter Seidenstoff, der in zwei Reihen spiegelsymmetrisch um einen aufgerichteten Löwen gruppierte Kämpferpaare zeigt. Traditionelle Deutungen erkennen darin eine Allegorie für den Sieg des Guten über das Böse oder eine Illustration der Löwenkämpfe Davids oder Samsons. Das Motiv ist jedoch auf eine Lesung als unmittelbar verständliches Zeichen angelegt. Für eine von jüdisch-christlichen Vorstellungen unabhängige Deutung spricht die Tatsache, dass derartige Stoffe erst sekundär im kirchlichen Umfeld verwendet wurden. Die Überwindung des Löwen ist eine von Byzanz aus altorientalischer Tradition übernommene Chiffre für die Fähigkeit des Königs bzw. Kaisers, seine Untertanen vor Gefahren zu schützen, in einer Hirtenkultur in erster Linie vor Raubtieren: der Herrscher wird damit zum guten Hirten. So führen die verschiedenen Interpretationsansätze überraschenderweise letztendlich zum selben Ergebnis, insofern sowohl David als auch Samson den tüchtigen Hirten verkörpern, der seine Herde vor dem Bösen in Form der Bedrohung durch Raubtiere bewahrt.

Research paper thumbnail of Der Steinbock in der Darstellung Durich Chiampells : viel Buchwissen und eine instrumentalisierte Etymologie

Research paper thumbnail of Die Wetterglocke von Trun : Aufklärung im Banne des Mythos

Research paper thumbnail of Der Mythos von der Entdeckung der Pfäferser Therme : Aegidius Tschudi und Simon Lemnius

Research paper thumbnail of Dialen bei Simon Lemnius : zur Frage einer mündlichen Sagenüberlieferung

Research paper thumbnail of Antonio de Guevara in Sagogn

Die im Gemeindearchiv von Sagogn aufbewahrten, auf 1598 zurückgehenden «Satzungen» und das heute ... more Die im Gemeindearchiv von Sagogn aufbewahrten, auf 1598 zurückgehenden «Satzungen» und das heute nur mehr in einer Transkription erhaltene, auf die Jahre um 1570 datierte Statut des Volksbrauchs vom «Litgun» sowie eine lokale, nicht vollständig überlieferte «Topographie» gehören unbestrittenermassen zum humanistischen Schrifttum Bündens, auch wenn über ihre(n) Verfasser nur gemutmasst werden kann. Eine detaillierte Analyse der Texte im Hinblick auf die ihnen zugrunde liegenden Quellen zeigt auf, über welche Bildungsvoraussetzungen und Kenntnisse ein humanistischer Autor um 1570 in Bünden verfügte. Griechische Autoren las man selbstverständlich auf Latein; Eigenheiten im Wortgebrauch führen im Einzelfall auf die jeweils benutzte Übersetzung. Neben der Kenntnis antiker Autoren lässt sich insbesondere die überraschende Vertrautheit mit Antonio de Guevara nachweisen, jenem spanischen Autor, dem Grimmelshausens «Simplicissimus» das Schlusskapitel verdankt. Rezipiert wurde sein «Menosprecio de corte y alabanza de aldea» in Sagogn vermittelst Egidius Albertinus‘ Übertragung ins Deutsche von 1598, der die «Satzungen» ihre sich als Zitat aus Plutarch ausgebende Einleitung verdanken; im 16. Jh. konnte ein in München erschienenes Buch also noch in seinem Erscheinungsjahr den Weg nach Sagogn finden. Das Hauptmotiv dieses fiktiven Plutarchzitats – sieben Gesandte führen eine Debatte über die beste Staatsordnung – hat seine engste Parallele in Plutarchs Schrift «Septem sapientium convivium», in der unter anderem auch die Frage nach der besten Demokratie diskutiert wird, jener Staatsform, die die «Satzungen» als für den Staat der Drei Bünde charakteristisch bezeichnen. Diese Inbezugsetzung von zeitgenössischer und antiker Staatsform widerspiegelt die Renaissance des Begriffs Demokratie im 16. Jh., die Calepinos Lexikon dadurch dokumentiert, dass die dem Stichwort Demokratie und seinen Ableitungen gewidmete Zeilenzahl allein zwischen 1512 und 1549 von 0 auf 13 anstieg. Die beiden andern Schriften zitieren de Guevara nicht im Sinne eines konkreten Zitats, sondern durch die Übernahme seiner auch schon als novellistisch bezeichneten Technik, zur Unterhaltung des Lesers Historie und Fiktion miteinander zu kombinieren. Im «Litgun» steht diese – vermutlich im knabenschaftlichen Umfeld rezipierte – Kompositionstechnik einerseits im Dienste der Sagenbildung, indem eine Ätiologie des Brauchs unter Verwendung von Motiven, die dem römischen Salierbrauchtum entnommenen sind, präsentiert wird, und der Persiflierung von Kanzleistil bei der Beschreibung der dem Statut zugrunde liegenden Dokumente andererseits. Die «Topographie» ihrerseits unterteilt das Gemeindegebiet in fiktive politische Einheiten unter Verwendung geographischer Begriffe, die ein Gebiet von Ägypten bis in den Fernen Osten und nach Südamerika umschliessen. Sein Zentrum beim Kirchhügel von Sagogn wird dabei in gut humanistischer Tradition zum paradiesischen Phäakenland der Odyssee.

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Vandenhoeck & Ruprecht eBooks, Feb 12, 1986

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Research paper thumbnail of Zur Bildsprache des sogenannten "Samson-Stoffes" im Churer Domschatz

Im Domschatz von Chur (Schweiz) befindet sich ein um 800 in Syrien hergestellter Seidenstoff, der... more Im Domschatz von Chur (Schweiz) befindet sich ein um 800 in Syrien hergestellter Seidenstoff, der in zwei Reihen spiegelsymmetrisch um einen aufgerichteten Löwen gruppierte Kämpferpaare zeigt. Traditionelle Deutungen erkennen darin eine Allegorie für den Sieg des Guten über das Böse oder eine Illustration der Löwenkämpfe Davids oder Samsons. Das Motiv ist jedoch auf eine Lesung als unmittelbar verständliches Zeichen angelegt. Für eine von jüdisch-christlichen Vorstellungen unabhängige Deutung spricht die Tatsache, dass derartige Stoffe erst sekundär im kirchlichen Umfeld verwendet wurden. Die Überwindung des Löwen ist eine von Byzanz aus altorientalischer Tradition übernommene Chiffre für die Fähigkeit des Königs bzw. Kaisers, seine Untertanen vor Gefahren zu schützen, in einer Hirtenkultur in erster Linie vor Raubtieren: der Herrscher wird damit zum guten Hirten. So führen die verschiedenen Interpretationsansätze überraschenderweise letztendlich zum selben Ergebnis, insofern sowohl David als auch Samson den tüchtigen Hirten verkörpern, der seine Herde vor dem Bösen in Form der Bedrohung durch Raubtiere bewahrt.

Research paper thumbnail of Der Steinbock in der Darstellung Durich Chiampells : viel Buchwissen und eine instrumentalisierte Etymologie

Research paper thumbnail of Die Wetterglocke von Trun : Aufklärung im Banne des Mythos

Research paper thumbnail of Der Mythos von der Entdeckung der Pfäferser Therme : Aegidius Tschudi und Simon Lemnius

Research paper thumbnail of Dialen bei Simon Lemnius : zur Frage einer mündlichen Sagenüberlieferung

Research paper thumbnail of Narrative aus der Retorte bei Durich Chiampell Exemplarische Tyrannen als theologisches Argument