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Papers by Marion Merkelbach
D oktor Andreas Reichlin von Meldegg sorgte im spätmittelalterlichen Überlingen mit dem Bau seine... more D oktor Andreas Reichlin von Meldegg sorgte im spätmittelalterlichen Überlingen mit dem Bau seines Privatpalastes mit Sicherheit für Stadtgespräch. Die beherrschende, exponierte Lage auf dem Lucienberg, die kostenintensiv gestaltete Rustikafassade, der aufwändig terrassierte Garten und der einzigartige Ausblick auf die Stadt, den Bodensee und die umliegenden Hügel: Die Aufsehen erregenden Baumerkmale des Privatpalastes spiegeln ein neues, internationales und modernes Weltbild wider. Dies erstaunt, da Überlingen im 15. Jahrhundert nicht durch den Fernhandel, sondern allein durch den Regionalhandel am Bodensee in Blüte stand. Die revolutionären Ideen der italienischen Renaissance, die in der Gestaltung des Reichlin von Meldegg-Hauses so fulminant in Erscheinung treten, hielten selbst in den bedeutenden, internationalen Handelsmetropolen Augsburg und Nürnberg erst mehrere Jahrzehnte später (um 1510) Einzug. Zur Zeit der Erbauung kostete es Mut, Selbstvertrauen und wohl einen beachtlichen Schuss an Selbstherrlichkeit, einen solchen Palast zu entwerfen und zu errichten. Reichlin investierte damit mehr in sein Leben als in sein Seelenheil und setzte sich selbst ein Denkmal. Inzwischen wissen wir, dass der Bauherr einer der wenigen promovierten Ärzte des späten Mittelalters in Deutschland war. Er studierte in Heidelberg und, was für sein revolutionäres Denken ausschlaggebend war, in Italien an der Eliteuniversität Padua. Er verkehrte dort mit den Humanisten um Nikolaus von Kues (später Kardinal) und dessen Freund Enea Silvio Piccolomini (später Papst Pius II.). In diesen Kreisen lernte Reichlin offensichtlich die völlig neuen, an der Antike orientieren Ideen zur Baukunst des genialen Universalgenies Leon Battista Alberti kennen und brachte sie mit nach Überlingen. Auch im heute noch traditionsverbundenen Überlingen bildet der Palast einen zentralen Blickfang im historischen Stadtbild.
D oktor Andreas Reichlin von Meldegg sorgte im spätmittelalterlichen Überlingen mit dem Bau seine... more D oktor Andreas Reichlin von Meldegg sorgte im spätmittelalterlichen Überlingen mit dem Bau seines Privatpalastes mit Sicherheit für Stadtgespräch. Die beherrschende, exponierte Lage auf dem Lucienberg, die kostenintensiv gestaltete Rustikafassade, der aufwändig terrassierte Garten und der einzigartige Ausblick auf die Stadt, den Bodensee und die umliegenden Hügel: Die Aufsehen erregenden Baumerkmale des Privatpalastes spiegeln ein neues, internationales und modernes Weltbild wider. Dies erstaunt, da Überlingen im 15. Jahrhundert nicht durch den Fernhandel, sondern allein durch den Regionalhandel am Bodensee in Blüte stand. Die revolutionären Ideen der italienischen Renaissance, die in der Gestaltung des Reichlin von Meldegg-Hauses so fulminant in Erscheinung treten, hielten selbst in den bedeutenden, internationalen Handelsmetropolen Augsburg und Nürnberg erst mehrere Jahrzehnte später (um 1510) Einzug. Zur Zeit der Erbauung kostete es Mut, Selbstvertrauen und wohl einen beachtlichen Schuss an Selbstherrlichkeit, einen solchen Palast zu entwerfen und zu errichten. Reichlin investierte damit mehr in sein Leben als in sein Seelenheil und setzte sich selbst ein Denkmal. Inzwischen wissen wir, dass der Bauherr einer der wenigen promovierten Ärzte des späten Mittelalters in Deutschland war. Er studierte in Heidelberg und, was für sein revolutionäres Denken ausschlaggebend war, in Italien an der Eliteuniversität Padua. Er verkehrte dort mit den Humanisten um Nikolaus von Kues (später Kardinal) und dessen Freund Enea Silvio Piccolomini (später Papst Pius II.). In diesen Kreisen lernte Reichlin offensichtlich die völlig neuen, an der Antike orientieren Ideen zur Baukunst des genialen Universalgenies Leon Battista Alberti kennen und brachte sie mit nach Überlingen. Auch im heute noch traditionsverbundenen Überlingen bildet der Palast einen zentralen Blickfang im historischen Stadtbild.