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Papers by Martin Jungmann
Die deutsche Gesellschaft gilt als stark von Vereinen geprägt. Zu ersten Vereinsgründungen kam es... more Die deutsche Gesellschaft gilt als stark von Vereinen geprägt. Zu ersten Vereinsgründungen kam es im 18. Jahrhundert, bereits um 1840 sprachen Zeitgenossen von einer Zeit der Vereine, doch erst ab der Mitte des Jahrhunderts erreichte die Welle von Vereinsgründungen den ländlich-kleinstädtischen Raum. Im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert etablierten sich Vereine als Organisationen für Menschen aller Schichten. Es entstand ein regelrechtes Vereinssystem als soziale und politische Zwischensphäre zwischen dem Individuum und der Gesamtgesellschaft. Die Arbeit untersucht mit sozialhistorischen Methoden, ausgehend von einem sehr weit gefassten, auf einem Forschungsappell Max Webers beruhenden Vereinsbegriff, die Entstehung und Expansion der auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhenden sozialen und politischen Subsysteme einer Kleinstadtgesellschaft im Süden der preußischen Provinz Hannover. Ihrem gesellschaftlichen Charakter entsprechend werden die Vereine nicht isoliert betrachtet,...
das, was zwischen den politisch organisierten oder anerkannten Gewalten-Staat, Gemeinde und offiz... more das, was zwischen den politisch organisierten oder anerkannten Gewalten-Staat, Gemeinde und offizielle Kirche-auf der einen Seite und der naturgewachsenen Gemeinschaft 1 der Familie auf der anderen Seite in der Mitte liegt. Also eine Soziologie des Vereinswesens im weitesten Sinne des Wortes, vom Kegelclub-sagen wir es ganz drastisch!-angefangen bis zur politischen Partei und zur religiösen oder künstlerischen oder literarischen Sekte." 2 Zwar gab es bereits vor diesem Appell Webers vereinzelte Ansätze einer soziologisch-politischen Betrachtung von Vereinen, doch steht in ihnen das Vereinswesen nicht an zentraler Stelle, und es kann von empirischer Untersuchung nicht die Rede sein. 3 Wenn wir nun also davon ausgehen, dass Weber das Vereinswesen seiner Zeit als relevantes und daher untersuchenswertes Phänomen begriff, so muss sich freilich, nunmehr mehr als neunzig Jahre nach seinem Aufruf, dieser sich bedingt durch den zeitlichen Abstand weniger an die Soziologen denn an die Historiker wenden. Dezidiert an die Historikerzunft wandte sich Thomas Nipperdey Anfang der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Am Ende seines Aufsatzes "Verein als soziale Struktur im 18. und 19. Jahrhundert" beschließt er seine Ausführungen mit den Worten: "Bislang gibt es, von einzelnen 1 Wenn Erwin K. Scheuch den Weberschen Begriff "Naturgewachsene Gemeinschaft" mit "private Lebenswelt" übersetzt, so ist dies eher verwirrend denn erhellend. Vgl.: Scheuch,
Die deutsche Gesellschaft gilt als stark von Vereinen geprägt. Zu ersten Vereinsgründungen kam es... more Die deutsche Gesellschaft gilt als stark von Vereinen geprägt. Zu ersten Vereinsgründungen kam es im 18. Jahrhundert, bereits um 1840 sprachen Zeitgenossen von einer Zeit der Vereine, doch erst ab der Mitte des Jahrhunderts erreichte die Welle von Vereinsgründungen den ländlich-kleinstädtischen Raum. Im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert etablierten sich Vereine als Organisationen für Menschen aller Schichten. Es entstand ein regelrechtes Vereinssystem als soziale und politische Zwischensphäre zwischen dem Individuum und der Gesamtgesellschaft. Die Arbeit untersucht mit sozialhistorischen Methoden, ausgehend von einem sehr weit gefassten, auf einem Forschungsappell Max Webers beruhenden Vereinsbegriff, die Entstehung und Expansion der auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhenden sozialen und politischen Subsysteme einer Kleinstadtgesellschaft im Süden der preußischen Provinz Hannover. Ihrem gesellschaftlichen Charakter entsprechend werden die Vereine nicht isoliert betrachtet,...
das, was zwischen den politisch organisierten oder anerkannten Gewalten-Staat, Gemeinde und offiz... more das, was zwischen den politisch organisierten oder anerkannten Gewalten-Staat, Gemeinde und offizielle Kirche-auf der einen Seite und der naturgewachsenen Gemeinschaft 1 der Familie auf der anderen Seite in der Mitte liegt. Also eine Soziologie des Vereinswesens im weitesten Sinne des Wortes, vom Kegelclub-sagen wir es ganz drastisch!-angefangen bis zur politischen Partei und zur religiösen oder künstlerischen oder literarischen Sekte." 2 Zwar gab es bereits vor diesem Appell Webers vereinzelte Ansätze einer soziologisch-politischen Betrachtung von Vereinen, doch steht in ihnen das Vereinswesen nicht an zentraler Stelle, und es kann von empirischer Untersuchung nicht die Rede sein. 3 Wenn wir nun also davon ausgehen, dass Weber das Vereinswesen seiner Zeit als relevantes und daher untersuchenswertes Phänomen begriff, so muss sich freilich, nunmehr mehr als neunzig Jahre nach seinem Aufruf, dieser sich bedingt durch den zeitlichen Abstand weniger an die Soziologen denn an die Historiker wenden. Dezidiert an die Historikerzunft wandte sich Thomas Nipperdey Anfang der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Am Ende seines Aufsatzes "Verein als soziale Struktur im 18. und 19. Jahrhundert" beschließt er seine Ausführungen mit den Worten: "Bislang gibt es, von einzelnen 1 Wenn Erwin K. Scheuch den Weberschen Begriff "Naturgewachsene Gemeinschaft" mit "private Lebenswelt" übersetzt, so ist dies eher verwirrend denn erhellend. Vgl.: Scheuch,