Peter Matussek - Academia.edu (original) (raw)

Papers by Peter Matussek

Research paper thumbnail of Reformulierung

J.B. Metzler eBooks, 1992

Research paper thumbnail of Martin Heidegger

Springer eBooks, 1997

Vorbemerkung: Die Psychodynamik der Persönlichkeit in ihrer Beziehung zum Werk Wenn wir im folgen... more Vorbemerkung: Die Psychodynamik der Persönlichkeit in ihrer Beziehung zum Werk Wenn wir im folgenden die problematische Persönlichkeitsstruktur Heideggers und deren Äußerung im Werk psychographisch untersuchen, so soll genauso wenig wie bei C. G. Jung und im späteren Beitrag über Axel Springer das Werk pathologisiert werden. Wohl aber soll, wie schon bei Jung, gefragt werden, welche Anteile die Persönlichkeitsstruktur am Werk hat. Das Geniale der Schöpfungen beider ist nicht ohne Hinzuziehung biographischer Faktoren zu erklären. Was wir uns vorgenommen haben, ist nicht eine Lösung der philosophischen, wohl aber ein Beitrag zur Lösung der psychologischen Rätsel, die Heidegger seinen Biographen immer noch aufgibt. Er selbst hat es zeitlebens vermieden, näheren Einblick in sein Privatleben zu gewähren, ja er bemühte sich immer wieder, es zu kaschieren oder zumindest dessen Spuren zu verwischen-so etwa das Verhältnis mit Hannah Arendt oder seine Begeisterung für die nationalsozialistische Bewegung. Heideggers Umgang mit seiner Biographie ist ähnlich lapidar, wie er es in seiner Aristoteles-Vorlesung formulierte: "Er wurde geboren, arbeitete und starb" (Safranski, S.15). Er wollte keinen Berichterstatter, keinen Historiker, vor allem keinen Psychiater, der den Werdegang seines Lebens unter psychologischen Gesichtspunkten betrachtet. Er haßte geradezu alle Psychologie, wie es in den wiederholten Ausfällen gegen die Persönlichkeitstypologie zum Ausdruck kommt. Selbst die damals aufgetauchte Unterscheidung von wahrem und falschem Selbst lehnte er vehement ab, obwohl sie ganz nahe an der von ihm gewählten Unterscheidung von Eigentlichem und Uneigentlichem liegt. Er vermutete in jenen Begriffen "theologische Schmuggelware". Das Fehlen privaten Materials, das heißt hinreichend zuverlässiger Selbstauskünfte über Stimmungen und Gefühle, Einstellungen zu Partnerinnen und Freunden, Kollegen und Schülern, wäre ein Grund, ihn nicht als Modell zu wählen, wenn es nicht seinerseits einen signifikanten Hinweis auf seine Persönlichkeitsstruktur böte: Heideggers Unwillen, über sein privates Selbst Auskunft zu geben, ist begründet in einer eklatanten Unfähigkeit. Paradoxerweise ist der Philosoph der Eigentlichkeit in auffälligem Maße ein Mensch, der in seinem öffentlichen Selbst geradezu aufging. Dieser Persönlichkeitszug wiederum ist hervorragend dokumentiert, denn er hat zahlreiche Biographen veranlaßt, dem "Rätsel Heidegger" auf die Spur zu kommen. Vergeblich. "In der Tat", schreibt etwa Paul Hühnerfeld, "gibt es kaum einen bedeutsamen Mann der Gegenwart, über den selbst Kenner so wenig wissen wie über Martin Heidegger. Ausgenommen davon sind ein paar Freunde und Schüler. Sie behandeln jedoch, was sie an Lebensdaten erfahren haben, wie ein Geheimnis, so als ob sie in früheren Jahren einmal durch eine Art von gemeinsamem Rütlischwur dazu verpflichtet worden wären, um jeden Preis zu schweigen" (Hühnerfeld, S. 11). Uns geht es nun nicht darum, den zahlreichen biographischen Versucheninsbesondere von Ott und Safranski, sowie von Farías, Hühnerfeld, Petzet, Steiner und anderen (s. Literaturverezichnis)-einen weiteren an die Seite zu stellen. Wir konzentrieren uns darauf, das vorhandene Material, ergänzt durch eigene Recherchen, anhand einer möglichst genauen Verhältnisbestimmung der beiden Selbstaspekte zu konstellieren, so daß es einer psychiatrischen Deutung zugeführt werden kann. Denn hier, im Psychiatrischen, löst sich manches Rätsel, wie es insbesondere von Ott immer wieder angemahnt wurde (Ott, S. 201, 208 u. 350). Daß wir es mit einer psychologisch auffälligen Persönlichkeitsstruktur zu tun haben, scheint evident. In der Untersuchung von Felix Post (1994) über Kreativität und Psychopathologie wird neben C.G. Jung und Freud Heidegger als signifikant gestört gekennzeichnet. Doch eine dezidierte psychiatrische Stellungnahme exisiert nicht-sieht man einmal ab von dem Gutachten, das Erich Jaensch, Heideggers Kollege aus der Marburger Zeit und Ordinarius für Psychologie, über ihn angefertigt hat. Darin heißt es unter anderem, Heidegger sei ein "gefährlicher Schizophrener", und seine Schriften "psychopathologische Dokumente" (nach Safranski 1994, S. 313). Jaensch schreibt ihm ein "ebenso eigenbrötlerisches wie unklares, schizoformes, teilweise schon schizophrenes Denken" zu (S. 327). Bei dieser Diagnose ist freilich zu bedenken, daß Jaensch kein neutraler Beurteiler war. Er benutzte sein Fachwissen, um die Nazis, zu deren geistigem Führer Heidegger sich seinerzeit aufzuschwingen versuchte, vor dessen übertriebenem Ehrgeiz zu warnen. Die Psychiater und Seelsorger hingegen, die Heidegger persönlich erlebt haben, wie etwa der spätere Erzbischof Gröber, der Philosoph Jaspers und der Psychiatrie-Ordinarius Beringer, sind in ihren Urteilen auffällig zurückhaltend. Offenbar hatten

Research paper thumbnail of Das expressive Naturbild

J.B. Metzler eBooks, 1992

Der Sturm und Drang wird von Charles Taylor durch eine Perspektive charakterisiert, die „die mens... more Der Sturm und Drang wird von Charles Taylor durch eine Perspektive charakterisiert, die „die menschlichen Handlungen und das menschliche Leben als Ausdrucksformen betrachtet‟1. In Anlehnung an Taylor habe ich das Naturbild dieser Arbeitsperiode Goethes „expressiv‟ genannt.2 Ich werde es — entsprechend meiner hermeneutischen Ebenenunterscheidung — zunachst philologisch kommentieren (A), dann rezeptionsgeschichtlich problematisieren (B) und zuletzt asthetisch kritisieren (C).

Research paper thumbnail of Franz Grillparzer, Camille Claudel, Glenn Gould - drei Modellanalysen

Springer eBooks, 1993

Das Beispiel der Camille Claudel zeigte eine schizophrene Entwicklung, die in einem Verfolgungswa... more Das Beispiel der Camille Claudel zeigte eine schizophrene Entwicklung, die in einem Verfolgungswahn endete. Die entscheidende Ursache war eine übermäßige Fixierung auf das öffentliche Selbst, das in der Konfrontation mit der realen Öffentlichkeit zerbrach. Freilich muß eine narzißtische Bezogenheit auf das öffentliche Selbst nicht zwangsläufig zur klinisch manifesten Psychose führen. Alles hängt hier von der individuellen Lebensgeschichte ab. Während Camille Claudel in die ausweglose Situation geriet, daß sie just mit ihrer Art des Bemühens um Anerkennung diese verfehlte, kann die schizophrene Mimikry in anderen Fällen durchaus gelingen. Ein Beispiel hierfür ist der Pianist Glenn Gould. Die Biographien-wir stützen uns insbesondere auf Friedrich (1991) sowie auf Kazdin (1991)-geben zwar deutliche Hinweise auf eine paranoide Psychose. So werden z. B. immer wieder Zustände von

Research paper thumbnail of Naturbild und Diskursgeschichte : "Faust"- Studie zur Rekonstruktion ästhetischer Theorie

J.B. Metzler eBooks, 1992

Research paper thumbnail of 3. Inventing Interfaces: Camillo’s Memory Theater and the Renaissance of Human-Computer Interaction

University of California Press eBooks, Nov 5, 2019

He called upon future generations of "wise men" (11) 1 to fulfill what he had left unfinished. Th... more He called upon future generations of "wise men" (11) 1 to fulfill what he had left unfinished. Throughout the last two decades of his life, Giulio Camillo (1480?-1544) worked on his legendary Theatro, a room-size wooden construction in the style of the Vitruvian theater that supposedly contained "the Ideas of everything Celestial and Inferior" in symbolic form, thus enabling its visitor to memorize the entire cosmos. Although, or rather because, his "fabrica" had been seen by only a few people-the king of France and the Dutch statesman Viglius among themit attracted the curiosity of his contemporaries. During an illness three months before his death, Camillo felt that it was time to consider his project's afterlife and to convince skeptics that he had not made empty promises. From his bed, he dictated to his close friend Girolamo Muzio a treatise in which he described the architecture and the intended contents of his masterpiece. Six years later, this treatise was published under the title L'idea del theatro. Formulated in the future tense, it expresses the confidence that someday a genius like him will be able to finish the labor, guided by his tutorial. Certainly, Camillo had not expected that it would take centuries before his theater's construction plan would be revisited. After Camillo's time, the project fell almost completely into oblivion. It was not until exactly 400 years after the publication of L'idea del theatro that Ernst Gombrich-then senior research lecturer at the Warburg Institute-took the little booklet from the library shelves, handed it over to his colleague Frances Yates, and asked her to read it. 2 Yates soon realized that an enormous amount of further reading would be necessary to grasp what Camillo's short treatise was about. It took sixteen years of intensive study before she could publish her findings in her book The Art of Memory (1966), which placed Camillo's work within the context of the

Research paper thumbnail of Das konstruktivistische Naturbild

Fausts Schlusmonolog weist mit seiner technokratischen Naturkonzeption auf den „Konstruktivismus‟... more Fausts Schlusmonolog weist mit seiner technokratischen Naturkonzeption auf den „Konstruktivismus‟ der neueren Erkenntnistheorie voraus. Was fur die gleichnamige Richtung in der modernen Malerei gilt: das sie das Gewaltmoment des Konstruktionsprinzips immanent, durch dessen Darstellung, uberwindet, last sich bereits an Goethes Spatwerk feststellen. In diesem Sinne bezeichne ich das Naturbild dieser Phase als konstruktivistisch.

Research paper thumbnail of Der selbsbezügliche Blick. Ein Merkmal des erinnernden Sehens und seine medialen Metamorphosen

Zeitschrift Fur Germanistik, 1999

Research paper thumbnail of Inventing Interfaces: Camillo’s Memory Theater and the Renaissance of Human-Computer Interaction

University of California Press eBooks, Oct 15, 2019

He called upon future generations of "wise men" (11) 1 to fulfill what he had left unfinished. Th... more He called upon future generations of "wise men" (11) 1 to fulfill what he had left unfinished. Throughout the last two decades of his life, Giulio Camillo (1480?-1544) worked on his legendary Theatro, a room-size wooden construction in the style of the Vitruvian theater that supposedly contained "the Ideas of everything Celestial and Inferior" in symbolic form, thus enabling its visitor to memorize the entire cosmos. Although, or rather because, his "fabrica" had been seen by only a few people-the king of France and the Dutch statesman Viglius among themit attracted the curiosity of his contemporaries. During an illness three months before his death, Camillo felt that it was time to consider his project's afterlife and to convince skeptics that he had not made empty promises. From his bed, he dictated to his close friend Girolamo Muzio a treatise in which he described the architecture and the intended contents of his masterpiece. Six years later, this treatise was published under the title L'idea del theatro. Formulated in the future tense, it expresses the confidence that someday a genius like him will be able to finish the labor, guided by his tutorial. Certainly, Camillo had not expected that it would take centuries before his theater's construction plan would be revisited. After Camillo's time, the project fell almost completely into oblivion. It was not until exactly 400 years after the publication of L'idea del theatro that Ernst Gombrich-then senior research lecturer at the Warburg Institute-took the little booklet from the library shelves, handed it over to his colleague Frances Yates, and asked her to read it. 2 Yates soon realized that an enormous amount of further reading would be necessary to grasp what Camillo's short treatise was about. It took sixteen years of intensive study before she could publish her findings in her book The Art of Memory (1966), which placed Camillo's work within the context of the

Research paper thumbnail of Das sympathetische Naturbild

J.B. Metzler eBooks, 1992

Fausts Monolog in der Szene Wald und Höhle beruht auf der Idee einer Kommunikation zwischen Mensc... more Fausts Monolog in der Szene Wald und Höhle beruht auf der Idee einer Kommunikation zwischen Mensch und Natur, die nach Max Scheler einzureihen wäre in die Tradition der "Versuche ... , in Liebe und Sympathie bestimmter Artung Funktionen nachzuweisen, die uns dem Grunde aller Dinge selbst näher führen"l. Deshalb spreche ich hier vom "sympathetischen" Naturbild. A Poiesis. Die Sachgehalte des Wald und Höhle-Monologs Wann der Monolog der Szene Wald und Höhle geschrieben wurde, ist nicht genau geklärt. 2 Er erscheint erstmals im Fragment von 1790. Die Sachgehalte des Monologs verkörpern auf theoretischer Ebene einen Wandel vom nominalistischen Anspruch auf unmittelbare Naturerfahrung zum naiv-realistischen Anspruch auf hermeneutisches Naturverstehen (1). Auf der Ebene des praktischen Diskurses lassen sich weiterhin gesinnungsethische Motive ausmachen, deren einst rebellischer Rigorismus aber nun durch den moderateren Anspruch auf naturgemäße Reformen abgelöst wird (2). Aus diesen Grundlagen ergibt sich eine naturgeschichtliche Konstellation, bei der die Bezeichnungen der Naturphänomene nicht mehr nur indirektes Indiz, sondern selbst Ausdruck geschichtlicher Dynamik sind: Geschichte steht im Zeichen der Natur (3).

Research paper thumbnail of Das harmonikale Naturbild

Fausts erster Monolog der Szene Vor dem Tor, fur den die humanistischen Schulbucher den Titel „Os... more Fausts erster Monolog der Szene Vor dem Tor, fur den die humanistischen Schulbucher den Titel „Osterspaziergang‟ eingeburgert haben1, ist reprasentativ fur Goethes Hochklassik. Sie folgt den Grundsatzen der antiken Asthetik, die Jorg Zimmermann als „harmonika‟ attribuiert hat, da sie eine „Asthetik des Mases, der Symmetrie und der Proportion‟2 ist. Das Naturbild in Goethes Hochklassik ist dieser Tradition verpflichtet. Ich ubernehme zu seiner Kennzeichnung deshalb Zimmermanns Attribut.

Research paper thumbnail of 静かなまなざし--ゲーテ「前批判期」の自然抒情詩について

Research paper thumbnail of (Auslassungen) : Leerstellen als Movens der Kulturwissenschaft

Königshausen & Neumann eBooks, 2004

Umschlagabbildung: Ruth Tesmar: Der Schatten eines Traumes (2004). Farbige Collage, 42 x 60 cm. S... more Umschlagabbildung: Ruth Tesmar: Der Schatten eines Traumes (2004). Farbige Collage, 42 x 60 cm. Satz und Layout: Michaela Kura Redaktionshilfe: Anke Bahl Korrekturhilfe: Peggy Lengelsen Hilfe in jeder Hinsicht: Yvonne Kult Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek ...

Research paper thumbnail of Intertextueller Totentanz Die Reanimation des Gedächtnisraums in Hofmarmsthals Drama »Der Tor und der Tod«

Rombach Wissenschaft – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft eBooks, 1999

Merkwürdig muten Hofmannsthals Worte den heutigen Leser an, der in Anbetracht der jüngsten Jahrhu... more Merkwürdig muten Hofmannsthals Worte den heutigen Leser an, der in Anbetracht der jüngsten Jahrhundertwende über die vorhergegangene liest: Welch ein Erlebnis aber auch, dieses neunzehnte Jahrhundert, so wie der deutsche Geist es durchzumachen hatte, […] bis endlich in diesem ganzen scheingeistigen Bereich die Luft unatembar wurde, bis endlich aus diesem Pandämonium von Ideen, die nach Lebenslenkung gierten-als ob es lebenslenkende Ideen geben könnte-, er sich losrang, unser suchender deutscher Geist, bewährt mit dieser einen Erleuchtung: daß ohne geglaubte Ganzheit zu leben unmöglich ist-daß im halben Glauben kein Leben ist, daß dem Leben entfliehen, wie die Romantik wähnte, unmöglich ist: daß das Leben lebbar nur wird durch gültige Bindungen. 1 Dem 19. Jahrhundert entkommen zu sein ist in Hofmannsthals berühmt-berüchtigter Rede »Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation« gleichbedeutend mit einem Ausbruch aus erstickender Enge zu neuem Leben. Das endlich überwundene Säkulum war für ihn charakterisiert durch komplementäre Fehlentwicklungen. Der »scheingeistige Bereich« eines philiströs auftrumpfenden Bildungskanons auf der einen Seite und auf der anderen das »Pandämonium« eines abgehobenen Wissenschaftsidealismus hatten die Ansprüche der Lebenswirklichkeit zunehmend verdrängt-zum einen durch topische »Verengung des Raumes«, zum anderen durch romantische »Vergeudung des Raumes«. Mit Blick auf den vernachlässigten Bereich zwischen den beiden Polen der Lebensverleugnung entwirft der Dichter die Vorstellung eines »Geistraumes«, der nicht topographisch-durch die Errichtung einer »geistigen Besitzordnung« oder das »Wohnen auf dem Heimatboden«bestimmt ist und dennoch Verbindlichkeit durch das Anknüpfen an literale Traditionen beansprucht: »Alles Höhere, des Merkens Würdige aber, seit vielen Jahrhunderten, wird durch die Schrift überliefert«. 2

Research paper thumbnail of Hypomnemata und Hypermedia. Erinnerung im Medienwechsel: die platonische Dialogtechnik und ihre digitalen Amplifikationen

Deutsche Vierteljahrsschrift Fur Literaturwissenschaft Und Geistesgeschichte, Oct 1, 1998

Hypomnemata und Hypermedia. Erinnerung im Medienwechsel: die platonische Dialogtechnik und ihre d... more Hypomnemata und Hypermedia. Erinnerung im Medienwechsel: die platonische Dialogtechnik und ihre digitalen Amplifikationen "Der Text selbst ist unerbittliches Gedächtnis." 1 Mit diesem apodiktischen Memorandum beschließt Renate Lachmann ihren Text über Borges' memorioso, die fiktive Fallstudie einer Gedächtnishypertrophie. Freilich gilt für die Interpretin wie für ihren Gegenstand, daß gerade die herausgestellte Unerbittlichkeit des (über)determinierten Gedächtnisses zur "Verheißung eines anderen" 2 wird-eines Gedächtnisses, das sich der Imagination öffnet, weil es durch Zwischenräumlichkeit charakterisiert ist. Lachmanns Standardwerk hat es auf die zum eingangs zitierten Merksatz konträre und nicht minder apodiktische Formel gebracht: "Das Gedächtnis des Textes ist seine Intertextualität." 3 Topik und Utopik von Gedächtnismedien, die räumliche Fixierung der Memorabilia und das Versprechen ihrer Freisetzung, sind im strengen Sinne komplementär: Sie schließen einander aus und bedingen sich doch wechselseitig. So wenig eine lebendige Erinnerungskultur aus der bloßen Wiedereinschaltung von Gespeichertem 4 , das heißt zuvor Mortifiziertem, hervorgehen kann, so wenig kann sie unabhängig von solchen Mortifikationen zu sich finden. Erst die Konfrontation mit der Totenstarre der Sammlungen weckt das Bedürfnis nach

Research paper thumbnail of Naturbild und Diskursgeschichte

J.B. Metzler eBooks, 1992

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung auß... more Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Research paper thumbnail of Memory Theatre in the Digital Age

Performance Research, Jun 1, 2012

Forgotten for centuries, they now appear more up-to-date than ever: the Memory Theatres of the 16... more Forgotten for centuries, they now appear more up-to-date than ever: the Memory Theatres of the 16th and 17th century. Created to revitalize the scholastically stifled memory culture of the Middle Ages and to counteract the sensory deprivation of the dawning age of print, Memory Theatres have been rediscovered by information designers and artists who develop strategies of staging data as an alternative to storing them like dead objects. The lecture will discuss the Memory Theatre of Giulio Camillo (1480–1544) and the causes for its manyfold comebacks in the digital era. The most remarkable of these causes is the inventive momentum of performative media installations. The visual strategies by which the historic Memory Theatres stimulated the imagination of their visitors find their echoes in computer art that could point the way for future models of visualising and staging information. They give examples of how to oppose the static model of 'storage and retrieval' with performative ways of knowledge presentation.

Research paper thumbnail of Matthias Luserke: Der junge Goethe. „Ich weis nicht warum ich Narr soviel schreibe“. Göt¬tingen 1999, 181 S

J.B. Metzler eBooks, 2000

Der „junge Goethe“, also die Schaffensphase bis zur Ubersiedlung nach Weimar, gilt unter Philolog... more Der „junge Goethe“, also die Schaffensphase bis zur Ubersiedlung nach Weimar, gilt unter Philologen nicht gerade als Geheimtip. Goethedarstellungen aller Zeiten, angefangen mit der von Goethe selbst verfasten, raumen dieser Lebensepoche den grosten Raum ein — und wenn die Proportionen einmal umgekehrt verteilt werden, wie derzeit in Nicholas Boyles anti-monumentalistischem Monumental¬werk, zieht das bisweilen den Vorwurf der Langatmigkeit nach sich. Der junge Goethe ist es, der das philologisch interessierte Publikum, das junge zumal, am besten unterhalt. Hier, wo sich das Genie ent¬puppt, greift man hinein ins volle Menschenleben, nimmt Anteil an Goethes ersten poetischen Versu¬chen und erotischen Aufregungen, an seinen alchemistischen Experimenten und ihrer Transformation in Sprachmagie, an seinem steilen Aufstieg zum nationalen und internationalen Erfolgsschriftsteller.

Research paper thumbnail of »Stolpern fördert.« Störfälle als Inspirationsquelle

Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Dec 1, 2011

Research paper thumbnail of Einleitung. Für eine physiognomische Naturästhetik

Auf den Schillertagen 1986 in Mannheim stellte Theaterregisseur Hansgunther Heyme die Gretchenfra... more Auf den Schillertagen 1986 in Mannheim stellte Theaterregisseur Hansgunther Heyme die Gretchenfrage der Saison: Kann man nach Tschernobyl noch den Faust inszenieren? Naturlich fiel die Antwort positiv aus. Nicht nur fur Heyme. Und — dank perennierender Umweltkatastrophen — nicht nur in der Tschernobyl-Saison. Die Spielplane der letzten Jahre sind offenbar von der Uberzeugung getragen, das Faust im Zeitalter der High-Tech-Katastrophen durchaus inszeniert werden konne, ja geradezu inszeniert werden musse.

Research paper thumbnail of Reformulierung

J.B. Metzler eBooks, 1992

Research paper thumbnail of Martin Heidegger

Springer eBooks, 1997

Vorbemerkung: Die Psychodynamik der Persönlichkeit in ihrer Beziehung zum Werk Wenn wir im folgen... more Vorbemerkung: Die Psychodynamik der Persönlichkeit in ihrer Beziehung zum Werk Wenn wir im folgenden die problematische Persönlichkeitsstruktur Heideggers und deren Äußerung im Werk psychographisch untersuchen, so soll genauso wenig wie bei C. G. Jung und im späteren Beitrag über Axel Springer das Werk pathologisiert werden. Wohl aber soll, wie schon bei Jung, gefragt werden, welche Anteile die Persönlichkeitsstruktur am Werk hat. Das Geniale der Schöpfungen beider ist nicht ohne Hinzuziehung biographischer Faktoren zu erklären. Was wir uns vorgenommen haben, ist nicht eine Lösung der philosophischen, wohl aber ein Beitrag zur Lösung der psychologischen Rätsel, die Heidegger seinen Biographen immer noch aufgibt. Er selbst hat es zeitlebens vermieden, näheren Einblick in sein Privatleben zu gewähren, ja er bemühte sich immer wieder, es zu kaschieren oder zumindest dessen Spuren zu verwischen-so etwa das Verhältnis mit Hannah Arendt oder seine Begeisterung für die nationalsozialistische Bewegung. Heideggers Umgang mit seiner Biographie ist ähnlich lapidar, wie er es in seiner Aristoteles-Vorlesung formulierte: "Er wurde geboren, arbeitete und starb" (Safranski, S.15). Er wollte keinen Berichterstatter, keinen Historiker, vor allem keinen Psychiater, der den Werdegang seines Lebens unter psychologischen Gesichtspunkten betrachtet. Er haßte geradezu alle Psychologie, wie es in den wiederholten Ausfällen gegen die Persönlichkeitstypologie zum Ausdruck kommt. Selbst die damals aufgetauchte Unterscheidung von wahrem und falschem Selbst lehnte er vehement ab, obwohl sie ganz nahe an der von ihm gewählten Unterscheidung von Eigentlichem und Uneigentlichem liegt. Er vermutete in jenen Begriffen "theologische Schmuggelware". Das Fehlen privaten Materials, das heißt hinreichend zuverlässiger Selbstauskünfte über Stimmungen und Gefühle, Einstellungen zu Partnerinnen und Freunden, Kollegen und Schülern, wäre ein Grund, ihn nicht als Modell zu wählen, wenn es nicht seinerseits einen signifikanten Hinweis auf seine Persönlichkeitsstruktur böte: Heideggers Unwillen, über sein privates Selbst Auskunft zu geben, ist begründet in einer eklatanten Unfähigkeit. Paradoxerweise ist der Philosoph der Eigentlichkeit in auffälligem Maße ein Mensch, der in seinem öffentlichen Selbst geradezu aufging. Dieser Persönlichkeitszug wiederum ist hervorragend dokumentiert, denn er hat zahlreiche Biographen veranlaßt, dem "Rätsel Heidegger" auf die Spur zu kommen. Vergeblich. "In der Tat", schreibt etwa Paul Hühnerfeld, "gibt es kaum einen bedeutsamen Mann der Gegenwart, über den selbst Kenner so wenig wissen wie über Martin Heidegger. Ausgenommen davon sind ein paar Freunde und Schüler. Sie behandeln jedoch, was sie an Lebensdaten erfahren haben, wie ein Geheimnis, so als ob sie in früheren Jahren einmal durch eine Art von gemeinsamem Rütlischwur dazu verpflichtet worden wären, um jeden Preis zu schweigen" (Hühnerfeld, S. 11). Uns geht es nun nicht darum, den zahlreichen biographischen Versucheninsbesondere von Ott und Safranski, sowie von Farías, Hühnerfeld, Petzet, Steiner und anderen (s. Literaturverezichnis)-einen weiteren an die Seite zu stellen. Wir konzentrieren uns darauf, das vorhandene Material, ergänzt durch eigene Recherchen, anhand einer möglichst genauen Verhältnisbestimmung der beiden Selbstaspekte zu konstellieren, so daß es einer psychiatrischen Deutung zugeführt werden kann. Denn hier, im Psychiatrischen, löst sich manches Rätsel, wie es insbesondere von Ott immer wieder angemahnt wurde (Ott, S. 201, 208 u. 350). Daß wir es mit einer psychologisch auffälligen Persönlichkeitsstruktur zu tun haben, scheint evident. In der Untersuchung von Felix Post (1994) über Kreativität und Psychopathologie wird neben C.G. Jung und Freud Heidegger als signifikant gestört gekennzeichnet. Doch eine dezidierte psychiatrische Stellungnahme exisiert nicht-sieht man einmal ab von dem Gutachten, das Erich Jaensch, Heideggers Kollege aus der Marburger Zeit und Ordinarius für Psychologie, über ihn angefertigt hat. Darin heißt es unter anderem, Heidegger sei ein "gefährlicher Schizophrener", und seine Schriften "psychopathologische Dokumente" (nach Safranski 1994, S. 313). Jaensch schreibt ihm ein "ebenso eigenbrötlerisches wie unklares, schizoformes, teilweise schon schizophrenes Denken" zu (S. 327). Bei dieser Diagnose ist freilich zu bedenken, daß Jaensch kein neutraler Beurteiler war. Er benutzte sein Fachwissen, um die Nazis, zu deren geistigem Führer Heidegger sich seinerzeit aufzuschwingen versuchte, vor dessen übertriebenem Ehrgeiz zu warnen. Die Psychiater und Seelsorger hingegen, die Heidegger persönlich erlebt haben, wie etwa der spätere Erzbischof Gröber, der Philosoph Jaspers und der Psychiatrie-Ordinarius Beringer, sind in ihren Urteilen auffällig zurückhaltend. Offenbar hatten

Research paper thumbnail of Das expressive Naturbild

J.B. Metzler eBooks, 1992

Der Sturm und Drang wird von Charles Taylor durch eine Perspektive charakterisiert, die „die mens... more Der Sturm und Drang wird von Charles Taylor durch eine Perspektive charakterisiert, die „die menschlichen Handlungen und das menschliche Leben als Ausdrucksformen betrachtet‟1. In Anlehnung an Taylor habe ich das Naturbild dieser Arbeitsperiode Goethes „expressiv‟ genannt.2 Ich werde es — entsprechend meiner hermeneutischen Ebenenunterscheidung — zunachst philologisch kommentieren (A), dann rezeptionsgeschichtlich problematisieren (B) und zuletzt asthetisch kritisieren (C).

Research paper thumbnail of Franz Grillparzer, Camille Claudel, Glenn Gould - drei Modellanalysen

Springer eBooks, 1993

Das Beispiel der Camille Claudel zeigte eine schizophrene Entwicklung, die in einem Verfolgungswa... more Das Beispiel der Camille Claudel zeigte eine schizophrene Entwicklung, die in einem Verfolgungswahn endete. Die entscheidende Ursache war eine übermäßige Fixierung auf das öffentliche Selbst, das in der Konfrontation mit der realen Öffentlichkeit zerbrach. Freilich muß eine narzißtische Bezogenheit auf das öffentliche Selbst nicht zwangsläufig zur klinisch manifesten Psychose führen. Alles hängt hier von der individuellen Lebensgeschichte ab. Während Camille Claudel in die ausweglose Situation geriet, daß sie just mit ihrer Art des Bemühens um Anerkennung diese verfehlte, kann die schizophrene Mimikry in anderen Fällen durchaus gelingen. Ein Beispiel hierfür ist der Pianist Glenn Gould. Die Biographien-wir stützen uns insbesondere auf Friedrich (1991) sowie auf Kazdin (1991)-geben zwar deutliche Hinweise auf eine paranoide Psychose. So werden z. B. immer wieder Zustände von

Research paper thumbnail of Naturbild und Diskursgeschichte : "Faust"- Studie zur Rekonstruktion ästhetischer Theorie

J.B. Metzler eBooks, 1992

Research paper thumbnail of 3. Inventing Interfaces: Camillo’s Memory Theater and the Renaissance of Human-Computer Interaction

University of California Press eBooks, Nov 5, 2019

He called upon future generations of "wise men" (11) 1 to fulfill what he had left unfinished. Th... more He called upon future generations of "wise men" (11) 1 to fulfill what he had left unfinished. Throughout the last two decades of his life, Giulio Camillo (1480?-1544) worked on his legendary Theatro, a room-size wooden construction in the style of the Vitruvian theater that supposedly contained "the Ideas of everything Celestial and Inferior" in symbolic form, thus enabling its visitor to memorize the entire cosmos. Although, or rather because, his "fabrica" had been seen by only a few people-the king of France and the Dutch statesman Viglius among themit attracted the curiosity of his contemporaries. During an illness three months before his death, Camillo felt that it was time to consider his project's afterlife and to convince skeptics that he had not made empty promises. From his bed, he dictated to his close friend Girolamo Muzio a treatise in which he described the architecture and the intended contents of his masterpiece. Six years later, this treatise was published under the title L'idea del theatro. Formulated in the future tense, it expresses the confidence that someday a genius like him will be able to finish the labor, guided by his tutorial. Certainly, Camillo had not expected that it would take centuries before his theater's construction plan would be revisited. After Camillo's time, the project fell almost completely into oblivion. It was not until exactly 400 years after the publication of L'idea del theatro that Ernst Gombrich-then senior research lecturer at the Warburg Institute-took the little booklet from the library shelves, handed it over to his colleague Frances Yates, and asked her to read it. 2 Yates soon realized that an enormous amount of further reading would be necessary to grasp what Camillo's short treatise was about. It took sixteen years of intensive study before she could publish her findings in her book The Art of Memory (1966), which placed Camillo's work within the context of the

Research paper thumbnail of Das konstruktivistische Naturbild

Fausts Schlusmonolog weist mit seiner technokratischen Naturkonzeption auf den „Konstruktivismus‟... more Fausts Schlusmonolog weist mit seiner technokratischen Naturkonzeption auf den „Konstruktivismus‟ der neueren Erkenntnistheorie voraus. Was fur die gleichnamige Richtung in der modernen Malerei gilt: das sie das Gewaltmoment des Konstruktionsprinzips immanent, durch dessen Darstellung, uberwindet, last sich bereits an Goethes Spatwerk feststellen. In diesem Sinne bezeichne ich das Naturbild dieser Phase als konstruktivistisch.

Research paper thumbnail of Der selbsbezügliche Blick. Ein Merkmal des erinnernden Sehens und seine medialen Metamorphosen

Zeitschrift Fur Germanistik, 1999

Research paper thumbnail of Inventing Interfaces: Camillo’s Memory Theater and the Renaissance of Human-Computer Interaction

University of California Press eBooks, Oct 15, 2019

He called upon future generations of "wise men" (11) 1 to fulfill what he had left unfinished. Th... more He called upon future generations of "wise men" (11) 1 to fulfill what he had left unfinished. Throughout the last two decades of his life, Giulio Camillo (1480?-1544) worked on his legendary Theatro, a room-size wooden construction in the style of the Vitruvian theater that supposedly contained "the Ideas of everything Celestial and Inferior" in symbolic form, thus enabling its visitor to memorize the entire cosmos. Although, or rather because, his "fabrica" had been seen by only a few people-the king of France and the Dutch statesman Viglius among themit attracted the curiosity of his contemporaries. During an illness three months before his death, Camillo felt that it was time to consider his project's afterlife and to convince skeptics that he had not made empty promises. From his bed, he dictated to his close friend Girolamo Muzio a treatise in which he described the architecture and the intended contents of his masterpiece. Six years later, this treatise was published under the title L'idea del theatro. Formulated in the future tense, it expresses the confidence that someday a genius like him will be able to finish the labor, guided by his tutorial. Certainly, Camillo had not expected that it would take centuries before his theater's construction plan would be revisited. After Camillo's time, the project fell almost completely into oblivion. It was not until exactly 400 years after the publication of L'idea del theatro that Ernst Gombrich-then senior research lecturer at the Warburg Institute-took the little booklet from the library shelves, handed it over to his colleague Frances Yates, and asked her to read it. 2 Yates soon realized that an enormous amount of further reading would be necessary to grasp what Camillo's short treatise was about. It took sixteen years of intensive study before she could publish her findings in her book The Art of Memory (1966), which placed Camillo's work within the context of the

Research paper thumbnail of Das sympathetische Naturbild

J.B. Metzler eBooks, 1992

Fausts Monolog in der Szene Wald und Höhle beruht auf der Idee einer Kommunikation zwischen Mensc... more Fausts Monolog in der Szene Wald und Höhle beruht auf der Idee einer Kommunikation zwischen Mensch und Natur, die nach Max Scheler einzureihen wäre in die Tradition der "Versuche ... , in Liebe und Sympathie bestimmter Artung Funktionen nachzuweisen, die uns dem Grunde aller Dinge selbst näher führen"l. Deshalb spreche ich hier vom "sympathetischen" Naturbild. A Poiesis. Die Sachgehalte des Wald und Höhle-Monologs Wann der Monolog der Szene Wald und Höhle geschrieben wurde, ist nicht genau geklärt. 2 Er erscheint erstmals im Fragment von 1790. Die Sachgehalte des Monologs verkörpern auf theoretischer Ebene einen Wandel vom nominalistischen Anspruch auf unmittelbare Naturerfahrung zum naiv-realistischen Anspruch auf hermeneutisches Naturverstehen (1). Auf der Ebene des praktischen Diskurses lassen sich weiterhin gesinnungsethische Motive ausmachen, deren einst rebellischer Rigorismus aber nun durch den moderateren Anspruch auf naturgemäße Reformen abgelöst wird (2). Aus diesen Grundlagen ergibt sich eine naturgeschichtliche Konstellation, bei der die Bezeichnungen der Naturphänomene nicht mehr nur indirektes Indiz, sondern selbst Ausdruck geschichtlicher Dynamik sind: Geschichte steht im Zeichen der Natur (3).

Research paper thumbnail of Das harmonikale Naturbild

Fausts erster Monolog der Szene Vor dem Tor, fur den die humanistischen Schulbucher den Titel „Os... more Fausts erster Monolog der Szene Vor dem Tor, fur den die humanistischen Schulbucher den Titel „Osterspaziergang‟ eingeburgert haben1, ist reprasentativ fur Goethes Hochklassik. Sie folgt den Grundsatzen der antiken Asthetik, die Jorg Zimmermann als „harmonika‟ attribuiert hat, da sie eine „Asthetik des Mases, der Symmetrie und der Proportion‟2 ist. Das Naturbild in Goethes Hochklassik ist dieser Tradition verpflichtet. Ich ubernehme zu seiner Kennzeichnung deshalb Zimmermanns Attribut.

Research paper thumbnail of 静かなまなざし--ゲーテ「前批判期」の自然抒情詩について

Research paper thumbnail of (Auslassungen) : Leerstellen als Movens der Kulturwissenschaft

Königshausen & Neumann eBooks, 2004

Umschlagabbildung: Ruth Tesmar: Der Schatten eines Traumes (2004). Farbige Collage, 42 x 60 cm. S... more Umschlagabbildung: Ruth Tesmar: Der Schatten eines Traumes (2004). Farbige Collage, 42 x 60 cm. Satz und Layout: Michaela Kura Redaktionshilfe: Anke Bahl Korrekturhilfe: Peggy Lengelsen Hilfe in jeder Hinsicht: Yvonne Kult Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek ...

Research paper thumbnail of Intertextueller Totentanz Die Reanimation des Gedächtnisraums in Hofmarmsthals Drama »Der Tor und der Tod«

Rombach Wissenschaft – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft eBooks, 1999

Merkwürdig muten Hofmannsthals Worte den heutigen Leser an, der in Anbetracht der jüngsten Jahrhu... more Merkwürdig muten Hofmannsthals Worte den heutigen Leser an, der in Anbetracht der jüngsten Jahrhundertwende über die vorhergegangene liest: Welch ein Erlebnis aber auch, dieses neunzehnte Jahrhundert, so wie der deutsche Geist es durchzumachen hatte, […] bis endlich in diesem ganzen scheingeistigen Bereich die Luft unatembar wurde, bis endlich aus diesem Pandämonium von Ideen, die nach Lebenslenkung gierten-als ob es lebenslenkende Ideen geben könnte-, er sich losrang, unser suchender deutscher Geist, bewährt mit dieser einen Erleuchtung: daß ohne geglaubte Ganzheit zu leben unmöglich ist-daß im halben Glauben kein Leben ist, daß dem Leben entfliehen, wie die Romantik wähnte, unmöglich ist: daß das Leben lebbar nur wird durch gültige Bindungen. 1 Dem 19. Jahrhundert entkommen zu sein ist in Hofmannsthals berühmt-berüchtigter Rede »Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation« gleichbedeutend mit einem Ausbruch aus erstickender Enge zu neuem Leben. Das endlich überwundene Säkulum war für ihn charakterisiert durch komplementäre Fehlentwicklungen. Der »scheingeistige Bereich« eines philiströs auftrumpfenden Bildungskanons auf der einen Seite und auf der anderen das »Pandämonium« eines abgehobenen Wissenschaftsidealismus hatten die Ansprüche der Lebenswirklichkeit zunehmend verdrängt-zum einen durch topische »Verengung des Raumes«, zum anderen durch romantische »Vergeudung des Raumes«. Mit Blick auf den vernachlässigten Bereich zwischen den beiden Polen der Lebensverleugnung entwirft der Dichter die Vorstellung eines »Geistraumes«, der nicht topographisch-durch die Errichtung einer »geistigen Besitzordnung« oder das »Wohnen auf dem Heimatboden«bestimmt ist und dennoch Verbindlichkeit durch das Anknüpfen an literale Traditionen beansprucht: »Alles Höhere, des Merkens Würdige aber, seit vielen Jahrhunderten, wird durch die Schrift überliefert«. 2

Research paper thumbnail of Hypomnemata und Hypermedia. Erinnerung im Medienwechsel: die platonische Dialogtechnik und ihre digitalen Amplifikationen

Deutsche Vierteljahrsschrift Fur Literaturwissenschaft Und Geistesgeschichte, Oct 1, 1998

Hypomnemata und Hypermedia. Erinnerung im Medienwechsel: die platonische Dialogtechnik und ihre d... more Hypomnemata und Hypermedia. Erinnerung im Medienwechsel: die platonische Dialogtechnik und ihre digitalen Amplifikationen "Der Text selbst ist unerbittliches Gedächtnis." 1 Mit diesem apodiktischen Memorandum beschließt Renate Lachmann ihren Text über Borges' memorioso, die fiktive Fallstudie einer Gedächtnishypertrophie. Freilich gilt für die Interpretin wie für ihren Gegenstand, daß gerade die herausgestellte Unerbittlichkeit des (über)determinierten Gedächtnisses zur "Verheißung eines anderen" 2 wird-eines Gedächtnisses, das sich der Imagination öffnet, weil es durch Zwischenräumlichkeit charakterisiert ist. Lachmanns Standardwerk hat es auf die zum eingangs zitierten Merksatz konträre und nicht minder apodiktische Formel gebracht: "Das Gedächtnis des Textes ist seine Intertextualität." 3 Topik und Utopik von Gedächtnismedien, die räumliche Fixierung der Memorabilia und das Versprechen ihrer Freisetzung, sind im strengen Sinne komplementär: Sie schließen einander aus und bedingen sich doch wechselseitig. So wenig eine lebendige Erinnerungskultur aus der bloßen Wiedereinschaltung von Gespeichertem 4 , das heißt zuvor Mortifiziertem, hervorgehen kann, so wenig kann sie unabhängig von solchen Mortifikationen zu sich finden. Erst die Konfrontation mit der Totenstarre der Sammlungen weckt das Bedürfnis nach

Research paper thumbnail of Naturbild und Diskursgeschichte

J.B. Metzler eBooks, 1992

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung auß... more Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Research paper thumbnail of Memory Theatre in the Digital Age

Performance Research, Jun 1, 2012

Forgotten for centuries, they now appear more up-to-date than ever: the Memory Theatres of the 16... more Forgotten for centuries, they now appear more up-to-date than ever: the Memory Theatres of the 16th and 17th century. Created to revitalize the scholastically stifled memory culture of the Middle Ages and to counteract the sensory deprivation of the dawning age of print, Memory Theatres have been rediscovered by information designers and artists who develop strategies of staging data as an alternative to storing them like dead objects. The lecture will discuss the Memory Theatre of Giulio Camillo (1480–1544) and the causes for its manyfold comebacks in the digital era. The most remarkable of these causes is the inventive momentum of performative media installations. The visual strategies by which the historic Memory Theatres stimulated the imagination of their visitors find their echoes in computer art that could point the way for future models of visualising and staging information. They give examples of how to oppose the static model of 'storage and retrieval' with performative ways of knowledge presentation.

Research paper thumbnail of Matthias Luserke: Der junge Goethe. „Ich weis nicht warum ich Narr soviel schreibe“. Göt¬tingen 1999, 181 S

J.B. Metzler eBooks, 2000

Der „junge Goethe“, also die Schaffensphase bis zur Ubersiedlung nach Weimar, gilt unter Philolog... more Der „junge Goethe“, also die Schaffensphase bis zur Ubersiedlung nach Weimar, gilt unter Philologen nicht gerade als Geheimtip. Goethedarstellungen aller Zeiten, angefangen mit der von Goethe selbst verfasten, raumen dieser Lebensepoche den grosten Raum ein — und wenn die Proportionen einmal umgekehrt verteilt werden, wie derzeit in Nicholas Boyles anti-monumentalistischem Monumental¬werk, zieht das bisweilen den Vorwurf der Langatmigkeit nach sich. Der junge Goethe ist es, der das philologisch interessierte Publikum, das junge zumal, am besten unterhalt. Hier, wo sich das Genie ent¬puppt, greift man hinein ins volle Menschenleben, nimmt Anteil an Goethes ersten poetischen Versu¬chen und erotischen Aufregungen, an seinen alchemistischen Experimenten und ihrer Transformation in Sprachmagie, an seinem steilen Aufstieg zum nationalen und internationalen Erfolgsschriftsteller.

Research paper thumbnail of »Stolpern fördert.« Störfälle als Inspirationsquelle

Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Dec 1, 2011

Research paper thumbnail of Einleitung. Für eine physiognomische Naturästhetik

Auf den Schillertagen 1986 in Mannheim stellte Theaterregisseur Hansgunther Heyme die Gretchenfra... more Auf den Schillertagen 1986 in Mannheim stellte Theaterregisseur Hansgunther Heyme die Gretchenfrage der Saison: Kann man nach Tschernobyl noch den Faust inszenieren? Naturlich fiel die Antwort positiv aus. Nicht nur fur Heyme. Und — dank perennierender Umweltkatastrophen — nicht nur in der Tschernobyl-Saison. Die Spielplane der letzten Jahre sind offenbar von der Uberzeugung getragen, das Faust im Zeitalter der High-Tech-Katastrophen durchaus inszeniert werden konne, ja geradezu inszeniert werden musse.

Research paper thumbnail of Inventing Interfaces. Camillo's Memory Theater and the Renaissance of Human-Computer Interaction

Álvarez, Mari-Tere, and Charlene Villaseñor Black (ed.) Renaissance Futurities: Art, Science, Invention. Oakland (Ca.): University of California Press, 2020

Giulio Camillo's legendary Theatro, which supposedly enabled its visitor to internalize the entir... more Giulio Camillo's legendary Theatro, which supposedly enabled its visitor to internalize the entire cosmos, remained unfinished. All that survived is a cryptic treatise that was forgotten for centuries. The project was resurrected by Frances Yates, whose book The Art of Memory portrayed it as an amalgamation of that art with Hermetism and Lullism, and from there drew a line to future scientific thinkers like Bacon and Leibniz.
Yates reaped sharp criticism in academic circles for that account. Among artists however, her book was received enthusiastically and inspired numerous Memory Theater works, increasingly in digital form as computer technology progressed. Such digital renditions, in turn, proved to be forerunners of future paradigms of Human Computer Interaction.