5) „Seelenstein“ (Ars Acustica-Projekt), 2002 (original) (raw)

Auf Wunsch meines Komponisten-Kollegen und Facebook-Freundes Peter Michael Hamel: eine künstlerische Umsetzung zum „Seelenstein” von La Pasada auf Gran Canaria.

Ebenso ein Link zu meinem YouTube-Channel sowie Erläuterungen auf meiner Homepage zum Ars Acustica-Werk: „né-tchr – A Music Story” für tiefe Männerstimme, (Bernhard Lüers, Aachen), Frauenstimme (Ruth Geiersberger, München), hohe Kinderstimme (Miriam Löhr, Aachen/München), Percussion (Dirk Rothbrust, Köln), Bumerang-Maschine (Dr. Bernhard Lüers), opus 20, 2001, Dauer: 39:57.

Kompositions-Auftrag von Deutschlandradio Kultur (DLR), Berlin, „WerkStatt“; das radiophone Musikstück wurde in den Studios des Südwestrundfunk (SWR), Baden-Baden produziert. Premiere: 06.12.2002 „WerkStatt“ DLR Berlin.

Dialog:

Peter Michael Hamel: „Labyrinth der Wiedergeburt und wie das dann klingt?”

Norbert Walter Peters: „In dem Sinne ist es eine grafische Partitur aus der _Guanchen_-Kultur auf Gran Canaria: das Geräusch des fliegenden Bumerangs im Wind. Diese Petroglyphen-‚Partituren‘ gab es auch in skandinavischen Kulturen.”

Peter Michael Hamel: „Dann erklingen als Umsetzung der grafischen Partitur Modulationen der Geräusche fliegender Boomerangs im Wind?”

Norbert Walter Peters: „Ja, als symbolisches Ritual der Wiedergeburt. Wir haben bei der Produktion von „né-tchr“ den Flug des Boomerangs mit einer Bumerang-Maschine simuliert. – Der Rund-Flug des Bumerang, ausgeführt vom Schamanen, Zauberer der Gruppe etc. symbolisiert sozusagen die Idee der ewigen Wiederkehr (des menschlichen Geschöpfs sowie aller Geschöpfe) und wird als ‚Geisterstimme im Wind‘ hörbar.”

Erläuterung zur Komposition „né-tchr – A Music Story”:

Claudio Monteverdis Oper „ORFEO“ war mein ursprünglicher Fixpunkt, von dem aus ich eine ‚Kammeroper‘ für das Medium Radio entwickelt habe. Mit dieser Zentral-, Unter- und Oberwelt fand ich quasi eine dreigliedrige Formel und damit einen ersten strukturellen Baustein. „né-tchr“ – das Wesen, der Charakter, der Zustand – ist die phonetische Umschreibung des altägyptischen Gottesbegriffs: „n-t-r“ („náther“), als Hieroglyphe: ein „verbundenes Wurfholz“. Hier ist der Bumerang, die ‚unheimliche Geisterstimme im Wind’, Symbol für die Rückkehr: der Schamane oder Priester, der wie ein Orakel sein Wurfholz sendet, um allen Umstehenden die ‚ausstehende Wiedergeburt im Wind’ vor Augen und Ohren vorzuführen.

Das ‚SCHIFF DER ERNEUERUNG‘ ist in der Archäologie ein Begriff für die Darstellung von Kultschiffen, die in Ägypten, in den Megalithgräbern oder an skandinavischen Felsbildern gefunden wurden. Ein weiterer Mosaikstein in der Gesamtdarstellung dieser Kulturvielfalt ist der sogenannte SEELENSTEIN aus „La Pasada“ auf Gran Canaria (siehe Abbildung). Dieses labyrinthartige Gebilde – ein Petroglyph in der Nähe eines Ahnenfriedhofs der ‚Guanchen‘-Kultur – symbolisiert in meinen Augen die verschlüsselte Botschaft der Rückkehr.

né-tchr Imaginäre Partitur #14 (150 x 105 mm, Papier, Gold-Acryl, roter Ocker-Pigment/Fett, grüner Alga-Staub/Wasser, Tinte, Graphit, blauer Kugelschreiber)

Diese Nachkommen des ‚Cro Magnon-Menschen‘ empfanden das HERZ nicht nur als zentrales Organ der Lebenskraft, sondern vor allem auch als Sitz des Denkens und Verstehens. „Gott mit dem Herzen hören“ wird zum zentralen Moment einer religiösen Idee. In diesem Sinne habe ich fünf Textfragmente als phonetisches Material verwendet, die von den Sänger*innen geflüstert, gehaucht oder als Ton angestimmt werden; Textfragmente aus Kulturen, die die verschiedenen Aspekte des HERZ-BegriffEs aufgreifen.

Hierbei habe ich Monteverdi’s Gebrauch der ANIMA quasi auf den Begriff des Herzens übertragen. So entsteht nach einer Ouvertüre mit einem Geräuschszenario des Schlagzeugers eine Art ERSTER AKT in der „Mittleren Welt“; Titel: „Das hörende HERZ, das Gespräch mit meiner ANIMA.“ – „netháthel: thitis.ema.jebá.neHát.anewí: men.netúj.snete“, ein Spruch, welcher aus dem Altägyptischen folgendermaßen übersetzt werden kann: „Ich habe dich in mein Herz gegeben, weil du stark bist, (du) Verteidiger; siehe: Ich habe keine Angst mehr.“

Es gibt einen ZWEITEN AKT; Titel: „Das HERZ klagt an, Trauer um meine ANIMA.“ – „Plañü niz bihotzetik/gaitzazerdü dan han eztakik/trizter nesija habateka türik.“, der Beginn eines baskischen Liedes, in dem die Klage des Herzens beschrieben wird.

In der „Unterwelt“ folgt der DRITTE AKT; Titel: „Mein HERZ – meine ANIMA – ist tot.“ –„soncho-kuna-nku wistschui-ni-ka-nku tschiki-pi/soncho-kuna-nku wanjui-ni-ka-nku tschiki-aitscha-manta-nku-pi“, übersetzt aus dem _Quichua_-Dialekt der Inkas, ergibt sich folgende Formulierung: „Deine Herzen sind verloren in der Sünde/ihre Herzen sind tot in ihren fleischlichen Sünden.“

Es folgt der VIERTE AKT; Titel: „Befreie mein HERZ – meine ANIMA.“, „tsaw-raw’oot lay-hawh’ w’i-rew-khee-h’oo/mim-tsoo-kaw’-taj yaw’-tseew’-eele“, als ein althebräisches Zitat aus den Psalmen Davids: „Befreie mein Herz von der Angst/führe mich aus der Not.“

In der „Oberwelt“ gibt es schließlich noch einen FÜNFTEN AKT; Titel: „Breche den Knoten in meinem HERZEN – ich erkenne die ANIMA als das Selbst.“ – „bhydyate hrdaya-grantis/chidyante sarva-samsayaach/kschiiyante tschaasya karmaani/drschta evaatmaaniisvare“, das ist Sanskrit und heißt übersetzt: „So wird der Knoten im Herzen explodieren/und alle Zweifel zerfallen/die Kette der ergebnisreichen Handlungen hat ein Ende/wenn man das Selbst als Meister erkennt.“

Hinsichtlich des strukturellen Aspekts der Komposition war es ein wesentlicher Gedanke, den Geräusch des BUMERANG im Studio zu simulieren; ihn jeweils auf die fünf Töne E – G – A – H – D abzustimmen, um den Zeitverlauf des fliegenden Bumerangs auf einer horizontalen Ton-Achse zu veranschaulichen. Im großen Studio des Südwestrundfunks (SWR), Baden-Baden, war auch ausreichend Platz, um die Bumerang-Maschine vorzuführen, welche der Wissenschaftler Dr. Bernhard Lüers sozusagen als Instrument für dieses Projekt entwickelt hat: diese Holzmaschine – mit einem Rotor auf einem vier Meter langen Holzstab – imitiert durch Fliehkraft die flüsternde Flugbahn des Wurfholzes.

Erläuterung zur Petroglyphen-Abbildung auf dem Seelenstein von Gran Canaria.

Partiturauszug

Reaktionen/Meinungen zu né-tchr (Auswahl):

„Ich habe ein sensibles, monotones Ritual wahrgenommen, mit deutlichen Einflüssen nichteuropäischen Strukturdenkens, eine spannende Atmosphäre erlebt.“
Folkmar Hein, TU Berlin Elektronisches Studio
“Ich darf Ihnen zu einer überwiegend gelungenen und eindrucksvollen Arbeit gratulieren! … Und der letzte Teil ist einfach furios. Ich war begeistert … ich freue mich sehr, dieses Stück senden zu können.”
Dr. Götz Naleppa, DeutschlandRadio Berlin Erstsendung: 06.12.2002
„‚ne-tchr’ hat mir sehr gut gefallen. Der Moment, wo die Stimme einsetzt ist außerordentlich.”
Prof. Dr. Helga de la Motte, TU Berlin
„I found it fascinating.” Dave Carley, CBC Toronto
„Ce pièce est très bien!” Thierry Genicot, RTBF Bruxelles
„Deine Stücke sind total toll! – né-tchr hat sich wunderschön angehört!” Armeno Alberts, nps Hilversum
„The work is full of wonderful sounds … I will put this piece aside and suggest it as a possible piece for that series on our stereo FM network next year.”
Matthew Leonard, Radio New Zealand
„We do like your work very much and will keep it in mind for our 2003 programming.”
Robyn Ravlich, ABC Sydney
„Als Musikstück, also etwas semantisch Leeres, höre ich ihre Komposition mit Genuß.”
Susanne Hoffmann, NDR Hamburg
„Interesting work and fascinating world as well.” Magnus Lindman, SR Stockholm

Bibliographie zu né-tchr:

  1. 06.12.2002 DeutschlandRadio Kultur Berlin ‚Werkstatt’ Premiere

  2. 30.12.2002 DeutschlandRadio Kultur Berlin ‚Werkstatt’

  3. 2003 ABC Sydney ‚The Listening Room’

  4. 2003 Radio New Zealand ‚Revolutions per minute’

  5. 16.01.2004 DeutschlandRadio Kultur Berlin ‚Werkstatt’

  6. 03.03.2004 VPRO Hilversum/Radio 4 ‚Cafe Sonore’ Ars Acustica Meeting 2004 Portrait (Ausschnitt)

  7. 2004 Radio France/France Musique ‚Tapage Nocturne’

  8. ab 2008 Radiokunst-Archiv, Studienzentrum für Künstlerpublikationen/ASPC Neues Museum Weserburg Bremen

Weblinks zu né-tchr (Hörspieldatenbanken):

http://www.hördat.de/index.php#7 Autoren-Name eingeben: Peters, Norbert Walter Hörspiel Nr. 7