Gute Wissenschaft braucht Leadership (original) (raw)
Letzte Aktualisierung: 26. Januar 2023
Wer die Führungsmisere der deutschen Wissenschaft beschreiben will, kann Sebastian Thrun zuhören. Der Ex-Stanford-Professor und Multi-Gründer beschrieb mir die deutschen Wissensschafts-Granden als Halbgötter, die über Doktoranden und Postdocs sowie über Drittmittel und Großbauten herrschten, während Professoren und Entrepreneure in seiner kalifornischen Community bei ihren Zusammenkünften die Welt leidenschaftlich verbessern wollten. Die rigorose Frage: Können wir nicht auch in Kaiserslautern kalifornischer werden?
Bei Führungsthemen wird seit Jahrzehnten unterschieden zwischen Management und Leadership: Ersteres ein effizienzgetriebenes, eher technokratisches Führungsverständnis, zwar notwendig, aber erst hinreichend, wenn verzahnt mit Leadership: Vision kreieren, Menschen inspirieren, Kommittent schaffen – selbst Vorbild sein.
Forschungsorganisationen haben schlechten Output
Für Techno- sowie Bürokraten ist weder Leadership noch Management ein Thema. Sie schert es nicht, ob sie ihre Organisation visionär nach vorne führen und die Mitarbeitenden engagiert sind oder nicht. Sie kümmert auch nicht, ob der Output oder Impact ihrer Organisation schlecht und der Throughput ineffizient ist. Hauptsache, sie werden gefüttert, der Input stimmt.
Deutsche Forschungsorganisationen haben trotz wachsender Budgets schlechten Output: Seit 2010 hält der Abstieg bei Weltklasse-Patenten an, wie eine Bertelsmann Studie aufzeigt. Es gibt Tiefstände bei DeepTech-und Hightech-Ausgründungen, wie die EFI-Kommission Jahr für Jahr belegt und schleichende Innovationsarmut im deutschen Mittelstand, wie das ZEW seit 2002 berichtet.
Gleichzeitig häufen sich die Belege für Führungs-Unkultur: Fraunhofers verfilzte Führungsspitze ist seit Jahren skandalgeschüttelt, Machtmissbrauch, Diskriminierung und Compliance-Verstöße bei Max-Planck, Acatechs nicht aufgearbeiteter Betrugsskandal seines früheren Präsidenten Hüttl. Im gleichermaßen veränderungsresistenten Universitätssektor sprechen wir ebenfalls kaum über Transformationserfolge.
Wenige, die den Kampf gegen die Polit-Bürokratie aufnahmen
Der legendäre emeritierte Präsident der TU München, Wolfgang Herrmann, schwieg auf meine Frage, ob er sich mit seinem Gründungskonzept für die TU Nürnberg das versprach, was ihm mit der TU München trotz aller Reformen letztlich verwehrt blieb. Die frühere Humboldt-Präsidentin und Rebellin Sabine Kunst scheiterte an der Politik, der kreative Sascha Spoun macht an der Leuphana Universität Sisyfos-Arbeit.
Die Aufzählung kann lange so weiter gehen: Der frühere FU-Präsident und Reformer Lenzen – ungemütlich für die Status Quo-Bewahrer – wurde damals ins Hamburger Exil vertrieben. Wenige, die den Kampf gegen die selbstzufriedene Gremienhochschule oder die an Ergebnissen desinteressierte Polit-Bürokratie aufnahmen.
Wissenschaft und Forschung: wunderbare Innovationsbiotope
Ansonsten meist blutarme Wissenschaftstechnokraten an der Spitze, die liebend gern die Gegenwart effizient managen, statt auch zukunftsorientiert zu führen. Wissenschaft und Forschung – eigentlich wunderbare Innovationsbiotope, würden sie nicht wie Abarbeitungsbürokratien geführt und von Bund und Ländern noch dazu mikropolitisch gegängelt. Gerade in solchen erstarrten Strukturen kommt es auf den einzelnen in seiner Verantwortung an.
Innovating Innovation: alles fängt mit Science Leadership an! Bringen Sie die nächste Gremiensitzung zum Schwingen mit der Frage, welchen Beitrag die Institution zu einer besseren Welt leisten will. Fordern Sie als Hochschulrat, dass mit gleichen Mitteln, aber mehr Kreativität das anspruchsvollere Ziel erreicht wird. Sorgen Sie als Präsident für die Messung des Impacts Ihrer Hochschule. Denn gute Wissenschaft braucht Leadership.
Thomas Sattelberger schreibt in Sattelbergers Rigorosum ab sofort und unregelmäßig Gastbeiträge für den Research.Table.