Martina Wagner-Egelhaaf | University of Münster (original) (raw)

Research paper thumbnail of Johann Gottfried Schnabel Die Melancholie des Erzählens

J.B. Metzler eBooks, 1997

Der Eintrag, den der Teilnehmer am Spanischen Erbfolgekrieg unter Prinz Eugen, Hofbarbier, grafli... more Der Eintrag, den der Teilnehmer am Spanischen Erbfolgekrieg unter Prinz Eugen, Hofbarbier, grafliche Kammerdiener, Zeitungsherausgeber und -schreiber, Bucherkommissionar, Lotteriekollekteur und Romanautor Johann Gottfried Schnabel (1692–1752)1 in der Literaturgeschichte gefunden hat, grundet sich auf den zwiespaltigen Ruhm seines vierbandigen Robinsonadenromans Wunderliche Fata einiger See-Fahrer […] (1731–1743), der, wiederholt nachgedruckt, zu einem vielgescholtenen »Lieblingsbuch des achtzehnten Jahrhunderts«2 wurde. Im ersten Band der Insel Felsenburg, wie Schnabels Roman spatestens seit der von Ludwig Tieck mit einer Einleitung versehenen Neuausgabe aus dem Jahr 1828 allgemein genannt wird, sieht die Forschung den Idealtypus der literarischen Utopie in Deutschland3, ein Dokument des sich artikulierenden burgerlichen Selbstbewustseins4 sowie ein neues Paradigma fruhaufklarerischer Rationalitat und Affektstruktur5. Mit den Fortsetzungsbanden der Insel Felsenburg und den anderen Romanen Schnabels hat sich die Forschung kaum auseinandergesetzt.6 Bruggemanns Verdikt hat sich eingeburgert: »Keines [der anderen Bucher Schnabels] aber hat einen solchen Erfolg gehabt wie ›Die Insel Felsenburg‹ aus dem Jahre 1731. Dieser Erfolg veranlaste Schnabel, 1732, 1736 und 1743 den Roman in weiteren Banden fortzusetzen, wiewohl der erste Band ein in sich geschlossenes Ganzes dargestellt hatte. […] Der zweite Band bringt noch manches von bedeutendem kulturgeschichtlichen Interesse. Der dritte Band ist schon sehr schwach, und der vierte Band ist wirklich nur noch, wie der Verfasser im Vorwort ehrlich zugibt, um des ›Honorarium‹ willen geschrieben.«7

Research paper thumbnail of Das verlorene Objekt. Psychoanalytische Lektüren der Melancholie

J.B. Metzler eBooks, 1997

Wenn im folgenden, ausgehend von Sigmund Freuds Artikel »Trauer und Melancholie« (1917), psychoan... more Wenn im folgenden, ausgehend von Sigmund Freuds Artikel »Trauer und Melancholie« (1917), psychoanalytische Modellbildungen der Melancholie diskutiert werden, so geschieht dies nicht, um, insbesondere im Hinblick auf die literarischen Analysen des zweiten Teils, eine Art Generalschlussel zur genetischen Erklarung des melancholischen Syndroms bereitzustellen. So wenig die vorliegende Untersuchung das Thema ›Melancholie‹ als psychologische Problemstellung begreift, so wenig argumentiert sie in Begriffen der Psychoanalyse. Statt dessen geht es um die spezifische Gegenstandskonstitution der Psychoanalyse, die der Melancholie kritische Aufmerksamkeit geschenkt hat; d.h. zur Debatte steht die Art und Weise, wie die Psychoanalyse ›ihre‹ Melancholie rekonstruiert bzw. konstruiert. Dies ist im gegebenen Untersuchungszusammenhang deswegen von Interesse, weil die Psychoanalyse als Methode eine starke Affinitat zur literarischen Sinnkonstitution aufweist. Dabei gerat vor allem die Rolle des Analytikers als Interpreten in das Zentrum der kritischen Aufmerksamkeit. Aus den Symptomen seiner Patienten, die er erst als solche zu identifizieren hat, entwickelt er Erzahlungen, die sich als komplexe Beziehungsgeflechte darstellen.1 Das Deutungsverfahren der Psychoanalyse, das die Einfuhlungshermeneutik hinter sich last, ist antisymptomatologisch und operiert vordringlich im und uber den Bereich der sprachlichen Symbolisierungen. Im Zentrum der kritischen Aufmerksamkeit stehen also weniger die Phantasmen von Patienten als vielmehr die Symbolbildung der Theorie selbst, die von den Kritikern der Psychoanalyse nicht selten ›phantasmatisch‹ genannt wird. Dabei ist zu fragen, inwieweit der psychoanalytische Melancholiediskurs an den traditionellen Topiken der Melancholie partizipiert und in welchem Mas er von deren Vorgaben geleitet wird.

Research paper thumbnail of Sektion (60). Autofiktion. Neue Verfahren literarischer Selbstdarstellung. Betreut und bearbeitet von Martina Wagner-Egelhaaf, Anna Czajka-Cunico und Richard Gray

Peter Lang eBooks, Jul 11, 2016

Research paper thumbnail of Goethes Einquartierungen Zur autobiographischen Dimensionalität besetzter Räume

transcript Verlag eBooks, Dec 31, 2014

Research paper thumbnail of Medien des Propheten

Research paper thumbnail of Rahmen-Geschichten Ansichten eines kulturellen Dispositivs

Deutsche Vierteljahrsschrift Fur Literaturwissenschaft Und Geistesgeschichte, Mar 1, 2008

Research paper thumbnail of Autorschaft

Akademie Verlag eBooks, 2011

Research paper thumbnail of Hermanns Schlachten : zur Literaturgeschichte eines nationalen Mythos

Research paper thumbnail of Andreas Hartknopf : eine Allegorie ; Andreas Hartknopfs Predigerjahre

Research paper thumbnail of Rhetoriken der Geltung – Literatur und Recht im Vergleich

De Gruyter eBooks, Jul 24, 2023

Research paper thumbnail of Schluß

J.B. Metzler eBooks, 1997

Research paper thumbnail of Preface: The Concept of this Handbook

De Gruyter eBooks, Jan 28, 2019

Research paper thumbnail of Otobiyografi ve Cinsiyet

Zenodo (CERN European Organization for Nuclear Research), May 4, 2023

Research paper thumbnail of Clara Ratzka: Blaue Adria : Eine Symphonie der Jugend (1916)

Sie: groß, schön, »das herrliche blond�ar wie ein Strahlenkranz«, aus vor­ nehmem norddeutschen H... more Sie: groß, schön, »das herrliche blond�ar wie ein Strahlenkranz«, aus vor­ nehmem norddeutschen Hause, und damit die norddeutsche Vornehmheit noch deutlicher wird, trägt sie einen niederländischen Namen: Lisa van de Sandt. Er: dunkelhäutiger Zigeunerprimas, stahlblaue Augen, schmaler bronzener Kopf, gerade Nase, scharf geschnittener Mund, »um den ein schmerzlicher Zug lag« (S. 2), schlanke, braune Hände kurz: ein f Bild von einem Mann: Andras Im D r�. · L" d" "hr T G d f 1. I 1· . b 1 . 1e Junge 1sa, 1e 1 e ante ertru au emer ta 1enre1se eg eltet, vernimmt in Ragusa an der »blaue[n], blaue[n] Adria« (S. 16) das Geigenspiel des Zigeunerprimas und ist hin und weg:

Research paper thumbnail of Archi-Textur : Poetologische Metaphern bei Peter Handke

Presses Sorbonne Nouvelle eBooks, 1993

Research paper thumbnail of “Die Lust an Seinem Worte”: Erwin Guido Kolbenheyer, “Das Gottgelobte Herz: Roman aus der Zeit der Deutschen Mystik” (1938)

J.B. Metzler eBooks, 1989

Erwin Guido Kolbenheyer, besonders vor 1945 vielgelesener Autor des deutschen Bildungsburgertums,... more Erwin Guido Kolbenheyer, besonders vor 1945 vielgelesener Autor des deutschen Bildungsburgertums, schrieb eine Reihe von Romanen um Gestalten aus dem historischen Kontext der Mystik. Neben “Das gottgelobte Herz” (1938), das die Lebensgeschichte der Mystikerin Margarethe Ebner erzahlt, sind zu nennen “Amor Dei” (1908/1937), ein Spinoza-Roman, “Meister Joachim Pausewang: Ein Roman aus der Zeit Jakob Bohmes” (1910) und die “Paracelsus”-Trilogie (1917/1922/1925). Die Berucksichtigung des historisierenden und nazistisch verdachtigen Kolbenheyer innerhalb eines Kanons, der Probleme der Moderne reflektiert, mag zunachst befremden, legitimiert sich aber aus dem Grundzug des Kolbenheyerschen Mystikver-standnisses, dem Versuch, einen neuen Sinnhorizont aus der materialen Ebene des Korperhaft-Naturlichen zu gewinnen, der auch — mehr oder weniger offenkundig — die Texte der anderen behandelten Autoren kennzeichnet. Zu denken ist vor allem an Rilke und Handke, die beide eine unmittelbare Sinnhaftigkeit des sinnlich Erfahrbaren intendieren. Nur wird bei ihnen das mystische Modell der unahnlichen Ahnlichkeit nicht einseitig zugunsten der Erfahrungsweise der Ahnlichkeit ausgelegt; gleichermasen wichtig ist die Erfahrung der Unahnlichkeit, die mit dem Modus des Ahnlichen vermittelt wird, um auf diese Weise den idealen Ort der Einheit zu entwerfen. Wahrend sich die mystische Erfahrung bei Musil auf der Ebene der Reflexion, und d.h. der Unahnlichkeit, darstellt — oder eben nicht darstellt —, reprasentiert Kolbenheyer die andere Extremposition: Die Ahnlichkeit von Natur und Korper wird zum Garanten unmittelbarer Sinnerfahrung, stost aber allenthalben auf die eigene Aporie. Die Beliebtheit Kolbenheyers im burgerlichen Milieu ist moglicherweise nicht zuletzt auf eben diese Pravalenz der mit ideellen Anspruchen versetzten Sinnlichkeit zuruckzufuhren. Die intendierte Engfuhrung von Korper und Geist weist auf ein wesentliches Moment im modernen Rezeptionshorizont der Mystik hin: Der Verlust eines festgefugten Weltbildes lenkt notwendig den Blick auf das Gegebene, die Natur, die Materie, die Dinge. Insofern fugt sich Kolbenheyer nahtlos in eine Reihe von Autoren, die im Kontext des modernen mystischen Paradigmas ebenfalls an die Wahrnehmung des Ahnlichen appellieren wie etwa Rosenberg oder auch Bloch. Es zeigt sich, das der konservative Kolbenheyer an den Fragen der Moderne partizipiert; kunstlerische Moderne und trivial-literarische Reaktion verlieren in dieser Perspektive ihren Oppositionscharakter. Ein kurzer Blick auf Kolbenheyers metaphysisches Weltbild verstarkt diesen Eindruck.

Research paper thumbnail of Literaturgeschichte als operative Fiktion

De Gruyter eBooks, Dec 31, 2014

Research paper thumbnail of Poststrukturalismus

De Gruyter eBooks, Jul 17, 2015

Research paper thumbnail of Gottfried Keller Die Melancholie des Bildes

J.B. Metzler eBooks, 1997

Die Literaturgeschichte fuhrt Gottfried Keller (1819–1890) als prominenten Vertreter des literari... more Die Literaturgeschichte fuhrt Gottfried Keller (1819–1890) als prominenten Vertreter des literarischen Humors. Wolfgang Preisendanz hat die humoristische Struktur seines Schreibens umfassend und en detail beschrieben.1 Hinweise auf die dustere Kehrseite des Humors finden sich indes bei Keller selbst. Am 29. Mai 1850 last er Hermann Hettner wissen, das »der Humor oft auf dem dunklen Grunde der grosten Trauer seine lieblichsten Bluten treib[e]«2. Und Wilhelm Petersen schreibt er am 21. 4. 1881 : »Mehr oder weniger traurig sind am Ende alle, die uber die Brotfrage hinaus noch etwas kennen und sind; aber wer wollte am Ende ohne diese stille Grundtrauer leben, ohne die es keine echte Freude gibt?«3 Preisendanz warnt im Blick auf den bei Keller erscheinenden »goldenen Uberflus der Welt« und die »herzerfreund[e]«4 Art seines Dichtens davor, diese Grundtrauer als thematisches oder stilistisches Kennzeichen des Kellerschen Werks zu verstehen. Andere Interpreten nehmen den von Keller selbst hergestellten Bedingungszusammenhang von Trauer und Freude, Melancholie und Humor ernster. Etwa Walter Benjamin, der feststellt, das »Kellers Humor nicht goldne Politur der Oberflache, sondern der unberechenbare Anlageplan seines melancholisch-cholerischen Wesens«5 sei. Und Gerhard Kaiser findet: »Die ›stille Grundtrauer‹ […] bestimmt die Tonart, in der auch die Figuren der Heiterkeit und Harmonie gesetzt sind; das Grollen im Untergrund ist der Cantus firmus aller Kellerschen ›Weltfrommigkeit‹.«6 Trotz verschiedentlicher Andeutungen ist Herbert Anton der einzige geblieben, der Kellers Nachtseite einen eigenen, eher motivorientierten Aufsatz gewidmet hat.7

Research paper thumbnail of Die Melancholie der Literatur : Diskursgeschichte und Textfiguration

J.B. Metzler eBooks, 1997