Jodok Trösch | University of Basel (original) (raw)
Books by Jodok Trösch
Berlin/Boston: de Gruyter , 2023
Die Theorie des wilden Übersetzens, die dieses Buch entwickelt, beschreibt Verfahren des Übersetz... more Die Theorie des wilden Übersetzens, die dieses Buch entwickelt, beschreibt Verfahren des Übersetzens, die als generativer Mechanismus zur Produktion eigenständiger literarischer Texte eingesetzt werden. In diesem Umgang mit Übersetzung liegt ein gezielter Verstoß gegen die konventionellen Übersetzungsnormen, insofern sich das literarische Verfahren, das dabei zum Einsatz kommt, von der Bedeutung der fremdsprachigen Wörter löst. Das wilde Übersetzen orientiert sich stattdessen an den Zeichenträgern des fremden Sprachmaterials.
Die theoretischen Überlegungen werden ergänzt durch zwei Lektüren, welche die Emergenz dieser Konstellation in zwei unterschiedlichen literaturgeschichtlichen Kontexten in Johann Fischarts Geschichtklitterung (1575) und in Arno Schmidts Zettel’s Traum (1970) nachzeichnen. Über den Nachweis der Verfahren selbst und die Rekonstruktion ihrer jeweiligen Funktionsweise hinaus rekonstruiert diese Studie die poetologischen Reflexionen, die in beiden Texten zur Explikation des Verfahrens angestellt werden. Die Lektüren zeigen, dass das wilde Übersetzen nicht nur die formale Gestalt der Texte bestimmt, sondern auch Konsequenzen für deren inhaltliche Interpretation mit sich bringt.
Bildbruch, 2023
Als Glitch wird eine vorübergehende und oft nur schwer zu fassende Störung in einem System bezeic... more Als Glitch wird eine vorübergehende und oft nur schwer zu fassende Störung in einem System bezeichnet, die dieses zwar nicht in seinem Ablauf gefährdet, aber unvorhersehbare und nicht auf Anhieb erklärbare Effekte mit sich bringt. Ursprünglich ein rein technischer Begriff, hat sich das Konzept ‚Glitch‘ seit einigen Jahren in der kunst- und medientheoretischen Terminologie etabliert, wo es gegenwärtig verschiedene kulturelle und ästhetische Konnotationen mit sich bringt. Der Begriff des Glitches wurde immer wieder in produktiver Weise auf neue Felder übertragen, von elektronischen Schaltungen und frühen Computern auf bestimmte Software-Fehler, aber auch auf gesellschaftliche Systeme und genrebezeichnend auf die visuelle Kunst (Glitch-Art) und die elektronische Musik. Während jüngst auch literarische Texte entstanden sind, die dem Glitch verpflichtet sind, handelt es sich bei der vorliegenden Ausgabe von Bildbruch um die erste literaturwissenschaftliche Publikation in deutscher Sprache zum Thema. Sie wirft die Frage auf, welche Rolle der Glitch auf dem Feld der Literatur spielt und inwiefern sich das Konzept in Fragestellungen der Literaturwissenschaft einsetzen lässt.
Papers by Jodok Trösch
Bildbruch, 2023
In diesem Aufsatz werde ich den literarischen Gebrauch von maschinellen Übersetzungsprogrammen wi... more In diesem Aufsatz werde ich den literarischen Gebrauch von maschinellen Übersetzungsprogrammen wie Google Translate oder DeepL und ihrem Fehlerpotenzial, das sich verschiedene Autor:innen zunutze machten, unter dem Aspekt des literarischen Glitches betrachten. Diese Glitches, die sich in der informationstechnischen Verarbeitung von natürlichen Sprachen durch Computer ergeben, spielen sich also nicht nur im digitalen Code ab, sondern zugleich auch im Medium, aus dem literarische Texte gemacht sind.
Schriftlichkeit Aktivität, Agentialität und Aktanten der Schrift, hg. v. Martin Bartelmus und Alexander Neblig, 2022
Wollen literarische Texte die Schriftlichkeit als materiale Bedingung ihres Bestehens thematisier... more Wollen literarische Texte die Schriftlichkeit als materiale Bedingung ihres Bestehens thematisieren, müssen sie sich daher gezielt bestimmter Verfahren bedienen, um diese Ebene in den Vordergrund zu holen. Die Analyse eines solchen Kunstgriffs steht im Zentrum dieser Untersuchung: Schriftlichkeit wird in literarischen Texten dann thematisch, wenn ein fiktives Schriftstück in einer Herausgeberfiktion als gefundenes Objekt präsentiert wird. Im Zentrum steht die drucktechnische Wiedergabe von erfundenen Manuskripten in literarischen Texten, insofern diese die Materialität des Überlieferungsträgers und die Spuren der hermeneutischen Auseinandersetzung mit der Schrift simuliert. Gerade der fiktive ›Abdruck‹ von schadhaften und unleserlichen Dokumenten wirft die Frage nach der angemessenen medialen Wiedergabe dieser Charakteristiken des Dokuments im Druck auf. Als Gegenstand für die anschließende Analyse dieser Konstellation dienen drei paradigmatische Fälle: François Rabelais’ und Johann Fischarts Versionen des Gargantua (1534/1575), die Kritzeleien des Katers Murr in E.T.A. Hoffmans Lebens-Ansichten (1820) sowie der experimentelle Roman S. von J.J. Abrams und Doug Dorst (2013)
Jahrbuch der Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser, 2019
Cento-Texts in the Making. Aesthetics and Poetics of Cento-Techniques from Homer to Zong!, 2022
Johann Fischart’s Affentheurlich Naupengeheurliche Geschichtklitterung, published in three editio... more Johann Fischart’s Affentheurlich Naupengeheurliche Geschichtklitterung, published in three editions between 1575 and 1590, is a translation of François Rabelais’ novel Gargantua. Fischart’s text has incorporated a plethora of other texts so that citations often follow each other in very quick succession. Several studies have described the intertextual processes in Fischart’s Geschichtklitterung, primarily focusing on what kinds of knowledge were included in the intertextual fabric of Fischart’s Geschichtklitterung and how this process transformed both the knowledge and the text. This perspective (‘Wissenspoetologie’) is primarily concerned with the information the quotations carry, i. e., their content. In contrast, my paper will look at the same intertextual techniques from a more formalistic perspective: I will argue that Fischart’s method of combining various quotations is not only a matter of collecting information. Rather, it is a genuinely literary technique: The precise wording of the individual quotations and the way they are all put together to form a new text. The intertextual techniques used in Fischart’s Geschichtklitterung to assemble heterogeneous material can not only be described in terms of the knowledge contained but also in terms of their formal structure.
Bildbruch, 2021
Seine Formbarkeit ist dem Plastik bereits im Namen eingeschrieben, meint die griechische Wortwurz... more Seine Formbarkeit ist dem Plastik bereits im Namen eingeschrieben, meint die griechische Wortwurzel plastikós doch das, was zum Bilden und Formen geeignet ist. 2 Doch ‚Plastik'-das sind eigentlich zwei Wörter. Diese unterscheiden sich zwar nur in ihrem grammatischen Geschlecht respektive im vorangestellten Artikel, in ihren Konnotationen liegen sie aber umso weiter auseinander. Das Plastik als amorphes Material trägt die Möglichkeit seiner Formung nur potenziell in sich, geht aber mit dem Versprechen einher, jede nur erdenkliche Form anzunehmen zu können. Die Plastik hingegen hat ihre Formung bereits hinter sich gebracht und wurde in dieser Aktualisierung perfektioniert. Im Plastik-Text der Mythen des Alltags wird la plastique von Roland Barthes zur Gänze verschwiegen; 3 und so soll in der Folge nur von le plastic die Rede sein. Kaum ein anderes Material fand in der Warenwelt der Nachkriegszeit größere Verbreitung, kaum ein anderes Material zog aber auch solch vielfältige Deutungen und Wertungen auf sich, sodass mehrere alltagsmythologische Konstellationen darauf aufbauen. Das Plastik ist eine kulturelle Chiffre der Moderne in all ihren Facetten. Barthes' Plastik. Das Phantasma des unendlich formbaren Materials Ausgangspunkt von Roland Barthes' Überlegungen zum Plastik ist eine Messeausstellung, die als performative Bühne jene technisch-industriellen Produktionsprozesse präsentiert, die in den Fabrikhallen normalerweise vor den 1 Aqua 1997. Einzelne Gedanken dieses Aufsatzes finden sich bereits in der Folge 21-"Plastik!"-des Literaturpodcasts "Nachlese" (2020) von Sina Dell'Anno und Jodok Trösch, https://podcasts.apple.com/ podcast/plastik/id1503925797?i=1000477008014 [17. Juni 2021]. Für Ideen und Anregungen danke ich Janneke Meissner. 2 Der Begriff führt sich etymologisch auf das griechische Adjektiv plastikós zurück: "zum Bilden, zum Formen geeignet" (vgl. Art. ‚Plastik', in: Wolfgang Pfeifer et al., Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, www.dwds.de/wb/etymwb/Plastik [12.05.2021]); verwandt damit ist auch der technische Begriff der Plastizität. Vgl. auch Meikle 1995, 4: "In Greek the verb πλασσειν (plassein) meant to mold or shape a soft substance like clay or wax; the adjective πλαστικος (plastikos) referred to something capable of being molded or shaped." 3 Mahr 2000 vermutet darin eine gezielte Provokation der bildungs-und kulturbeflissenen französischen Bourgeoisie.
Ralf Simon (Hg): Lesarten zu Arno Schmidts »Abend mit Goldrand«, 2016
This paper is part of a project to write a comprehensive commentary of Arno Schmidts "Abend mit G... more This paper is part of a project to write a comprehensive commentary of Arno Schmidts "Abend mit Goldrand". It presents a critical reading of the chapters 48 and 49 of this book. Against the background of the famous "Haywain Triptych" by Hieronymus Bosch, I show how the aspects of a rural idyll are destructed in drastic and violent images, thereby further reinforcing the negativistic attitude against creation which is displayed throughout the text.
Ralf Simon (Hg): Lesarten zu Arno Schmidts »Abend mit Goldrand«, 2016
This paper comments on the opening chapters (1-4) of Arno Schmidt's "Abend mit Goldrand". By iden... more This paper comments on the opening chapters (1-4) of Arno Schmidt's "Abend mit Goldrand". By identifying different hidden stages of an alchemical process, it reconstructs the creation of the physical world of this text, setting the stage for the following action. This paper argues that the various signs of a failed creation can be understand with regard to Schmidt's reception of gnosticism.
Minor Publications by Jodok Trösch
Bildbruch, 2023
Collecting Loss-1 5 Glitches-Verfahren der Ambiguitätsproduktion in der Gegenwartsliteratur Phili... more Collecting Loss-1 5 Glitches-Verfahren der Ambiguitätsproduktion in der Gegenwartsliteratur Philipp Ohnesorge und Eckhard Schumacher 8 Geht da noch was? Zum Potenzial von Glitch als Schreibverfahren
Sina Dell’Anno, Achim Imboden, Ralf Simon, Jodok Trösch (Hgg.): Prosa: Theorie, Exegese, Geschichte. Berlin: de Gruyter, 2021
Sp. 325). Bevor man nun vorschnell die Forschungslücke identifiziert und sie zu schließen versuch... more Sp. 325). Bevor man nun vorschnell die Forschungslücke identifiziert und sie zu schließen versucht, ist freilich eine gewisse Zurückhaltung angeraten. Versteckt sich hinter dem Titel ›Theorie der Prosa‹ tatsächlich ein Problem? Oder gibt es gute Gründe dafür, dass es eine solche Theorie der Prosa bislang nicht gegeben hat und folglich auch nicht geben sollte? Im Sinne der alten hermeneutischen Maxime, der Frage selbst nachzuspüren, statt sie eilfertig beantworten zu wollen, ist also zunächst die Rechtfertigung der Fragestellung gefordert. Was meinte Friedrich Schlegel, als er inmitten der Ausarbeitung seiner frühromantischen Theorie des Romans entdeckte, dass die Theorie der Prosa mit der Theorie des Romans nicht deckungsgleich sei und dass folglich ein definitorisches Desideratum vorliege? Die relativ wenigen Bemerkungen, die Schlegel in seinen Notizbüchern dem Projekt einer Prosatheorie widmete (Schlegel StA, V, 211 f.), führen kaum weiter.-Wir möchten uns der Frage nach der Möglichkeit und dem Ort einer Theorie der Prosa nähern, indem wir eine kleine Kartographierung vorschlagen. 1 Zunächst sei vorausgeschickt: Es gibt allerlei Komposita mit dem Begriff Prosa, allen voran das Wort Erzählprosa, oft auch Romanprosa, dann das Gebiet der kleinen Prosaformen, schließlich das umfangreiche Feld expositorischer Sachprosa. Der Name ›Theorie der Prosa‹ zielt nicht auf diese Kompositaformen oder allenfalls nur am Rande. Denn tatsächlich lässt sich beobachten, dass mit einer gewissen Regelmäßigkeit etwa bei dem Begriff Erzählprosa die Form der Erzählung zum Theoriegegenstand wird, jedoch der Prosabegriff unterbestimmt bleibt. Am deutlichsten ist dies an Todorovs Buch Poetik der Prosa (Todorov 1972) zu sehen, welches de facto eine Theorie der Erzählung ist und über die Prosa keinerlei Auskunft gibt. Offenkundig verschwindet bei Prosa-Komposita die Prosa selbst
Talks by Jodok Trösch
GSA 2019 annual conference. Portland, OR. Panel: Short Forms, Then and Now, 2019
When we speak of an experimental prose text as a ‘mixtum compositum’ of many different small form... more When we speak of an experimental prose text as a ‘mixtum compositum’ of many different small forms, Friedrich Schlegel’s Lucinde constitutes a major paradigm in German literature. The small forms that have been incorporated into this text produce a heterogeneous and open totality, while they are at the same time still easily recognizable as distinct units. The textual distinctions are openly marked.
In the proposed paper, however, I will examine a text that follows opposing principles with regard to the incorporation of various small forms. Johann Fischart’s Geschichtklitterung (1575, 1590), a loose translation of Rabelais’ Gargantua, states its conglomerate character already in its title, for ‘klittern’ means ‘to piece together (a text)’ or ‘to copy hastily’. Thus, it is not surprising that this text works with material from more than a hundred different texts and authors, ranging all the way from classical exempla and proverbs to popular song lyrics in the German vernacular.
Although the incorporated material is diverse both in form and content, integration is smooth. The way these small forms are incorporated in the text produce an intricate prose texture whose individual components can be reconstructed only in diligent study. This is perhaps most striking in the case of the virtually seamless integration of these aforementioned song lyrics into the text’s prose passages. The versified passages are inserted into the layout of the text without emphasis, no feature – typographical or otherwise – gives them away at first glance. While meter and rhyme would naturally stand out when read, Fischart subtly adds passages in rhythmic prose resulting in smooth and almost imperceptible transitions from plain prose to poetry and back again. Thus, the textual divisions are deliberately concealed.
In my paper, I will trace how such processes of textual transformation and assimilation render the underlying small forms unrecognizable and thereby transgresses them. I will argue that the form of the overall text is based only to a very limited extent on the literary genre of these small forms, but that it rather resists the smooth integration into a system of literary genres.
Talk @ GSA 2020. Panel: Writing the Nonhuman, 2020
This paper proposes a theoretical account of one specific form of poetic texts written by nonhuma... more This paper proposes a theoretical account of one specific form of poetic texts written by nonhumans. It examines the imaginative use of machine translation as a technique in the production of poetic texts.
Even though platforms for machine translation from one language to another have improved significantly in recent years, they still produce many errors. But what is considered an error in a commonsense evaluation of a translation (which is focused on the propagation of information across language barriers) can also be seen as a source of a creative alteration. This process of machine translation can be carried out several times in succession, going from language to language. If this process finally leads back into the source language, the differences produced by it are most evident. This configuration can be used as an automated literary technique to produce defamiliarization, the defining aspect of poeticity according to the Russian formalists.
A preliminary of this constellation has been featured prominently almost twenty years ago in Umberto Eco’s semiotic study on translation, Dire quasi la stessa cosa (2003). Intended to be an example to analyze the shortcomings of AltaVista’s Babel Fish, Eco seems to notice the poetic potentials arising from the errors, because they point out ambiguity and polysemy in different languages. With the ever-spreading use of these tools, this poetic misuse of machine translation has found its way not only into American pop culture with Jimmy Fallon featuring a segment called “Google Translate Songs”, but also into avant-gardist literary circles. Specifically, I will look at a group of poets located in Zurich, Switzerland, who do not only use this procedure to create nonhuman poetry but also reflect their practices in theoretical texts as a form of “CyberD@da”.
Abstract and a selected bibliography of my presentation at the Summer School "Memory and the maki... more Abstract and a selected bibliography of my presentation at the Summer School "Memory and the making of knowledge" in Göttingen (18–22 September 2017).
If you are interested in the manuscript of the talk, you can send me a message.
CfPs by Jodok Trösch
Bildbruch, 2022
Als Glitch (Panne, Störimpuls) wird eine vorübergehende und oft nur schwer zu fassende Störung in... more Als Glitch (Panne, Störimpuls) wird eine vorübergehende und oft nur schwer zu fassende Störung in einem System bezeichnet, die dieses zwar nicht in seinem Ablauf gefährdet, aber unvorhersehbare und nicht auf Anhieb erklärbare Effekte mit sich bringt. Ursprünglich ein rein technischer Begriff, hat sich das Konzept ‚Glitch' seit einigen Jahren in der kunst-und medientheoretischen Terminologie etabliert, wo es gegenwärtig verschiedene kulturelle und ästhetische Konnotationen mit sich bringt. In der kreativen Auseinandersetzung mit elektronischen Systemen haben sich etwa seit den 1980er Jahren zunehmend kulturelle Praktiken entwickelt, die Glitche mit künstlerischer Absicht sammeln oder gar gezielt provozieren. Glitche haben dabei in der elektronischen Musik, in den visuellen Künsten und auch in Computerspielen an Relevanz und Aufmerksamkeit gewonnen.
Berlin/Boston: de Gruyter , 2023
Die Theorie des wilden Übersetzens, die dieses Buch entwickelt, beschreibt Verfahren des Übersetz... more Die Theorie des wilden Übersetzens, die dieses Buch entwickelt, beschreibt Verfahren des Übersetzens, die als generativer Mechanismus zur Produktion eigenständiger literarischer Texte eingesetzt werden. In diesem Umgang mit Übersetzung liegt ein gezielter Verstoß gegen die konventionellen Übersetzungsnormen, insofern sich das literarische Verfahren, das dabei zum Einsatz kommt, von der Bedeutung der fremdsprachigen Wörter löst. Das wilde Übersetzen orientiert sich stattdessen an den Zeichenträgern des fremden Sprachmaterials.
Die theoretischen Überlegungen werden ergänzt durch zwei Lektüren, welche die Emergenz dieser Konstellation in zwei unterschiedlichen literaturgeschichtlichen Kontexten in Johann Fischarts Geschichtklitterung (1575) und in Arno Schmidts Zettel’s Traum (1970) nachzeichnen. Über den Nachweis der Verfahren selbst und die Rekonstruktion ihrer jeweiligen Funktionsweise hinaus rekonstruiert diese Studie die poetologischen Reflexionen, die in beiden Texten zur Explikation des Verfahrens angestellt werden. Die Lektüren zeigen, dass das wilde Übersetzen nicht nur die formale Gestalt der Texte bestimmt, sondern auch Konsequenzen für deren inhaltliche Interpretation mit sich bringt.
Bildbruch, 2023
Als Glitch wird eine vorübergehende und oft nur schwer zu fassende Störung in einem System bezeic... more Als Glitch wird eine vorübergehende und oft nur schwer zu fassende Störung in einem System bezeichnet, die dieses zwar nicht in seinem Ablauf gefährdet, aber unvorhersehbare und nicht auf Anhieb erklärbare Effekte mit sich bringt. Ursprünglich ein rein technischer Begriff, hat sich das Konzept ‚Glitch‘ seit einigen Jahren in der kunst- und medientheoretischen Terminologie etabliert, wo es gegenwärtig verschiedene kulturelle und ästhetische Konnotationen mit sich bringt. Der Begriff des Glitches wurde immer wieder in produktiver Weise auf neue Felder übertragen, von elektronischen Schaltungen und frühen Computern auf bestimmte Software-Fehler, aber auch auf gesellschaftliche Systeme und genrebezeichnend auf die visuelle Kunst (Glitch-Art) und die elektronische Musik. Während jüngst auch literarische Texte entstanden sind, die dem Glitch verpflichtet sind, handelt es sich bei der vorliegenden Ausgabe von Bildbruch um die erste literaturwissenschaftliche Publikation in deutscher Sprache zum Thema. Sie wirft die Frage auf, welche Rolle der Glitch auf dem Feld der Literatur spielt und inwiefern sich das Konzept in Fragestellungen der Literaturwissenschaft einsetzen lässt.
Bildbruch, 2023
In diesem Aufsatz werde ich den literarischen Gebrauch von maschinellen Übersetzungsprogrammen wi... more In diesem Aufsatz werde ich den literarischen Gebrauch von maschinellen Übersetzungsprogrammen wie Google Translate oder DeepL und ihrem Fehlerpotenzial, das sich verschiedene Autor:innen zunutze machten, unter dem Aspekt des literarischen Glitches betrachten. Diese Glitches, die sich in der informationstechnischen Verarbeitung von natürlichen Sprachen durch Computer ergeben, spielen sich also nicht nur im digitalen Code ab, sondern zugleich auch im Medium, aus dem literarische Texte gemacht sind.
Schriftlichkeit Aktivität, Agentialität und Aktanten der Schrift, hg. v. Martin Bartelmus und Alexander Neblig, 2022
Wollen literarische Texte die Schriftlichkeit als materiale Bedingung ihres Bestehens thematisier... more Wollen literarische Texte die Schriftlichkeit als materiale Bedingung ihres Bestehens thematisieren, müssen sie sich daher gezielt bestimmter Verfahren bedienen, um diese Ebene in den Vordergrund zu holen. Die Analyse eines solchen Kunstgriffs steht im Zentrum dieser Untersuchung: Schriftlichkeit wird in literarischen Texten dann thematisch, wenn ein fiktives Schriftstück in einer Herausgeberfiktion als gefundenes Objekt präsentiert wird. Im Zentrum steht die drucktechnische Wiedergabe von erfundenen Manuskripten in literarischen Texten, insofern diese die Materialität des Überlieferungsträgers und die Spuren der hermeneutischen Auseinandersetzung mit der Schrift simuliert. Gerade der fiktive ›Abdruck‹ von schadhaften und unleserlichen Dokumenten wirft die Frage nach der angemessenen medialen Wiedergabe dieser Charakteristiken des Dokuments im Druck auf. Als Gegenstand für die anschließende Analyse dieser Konstellation dienen drei paradigmatische Fälle: François Rabelais’ und Johann Fischarts Versionen des Gargantua (1534/1575), die Kritzeleien des Katers Murr in E.T.A. Hoffmans Lebens-Ansichten (1820) sowie der experimentelle Roman S. von J.J. Abrams und Doug Dorst (2013)
Jahrbuch der Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser, 2019
Cento-Texts in the Making. Aesthetics and Poetics of Cento-Techniques from Homer to Zong!, 2022
Johann Fischart’s Affentheurlich Naupengeheurliche Geschichtklitterung, published in three editio... more Johann Fischart’s Affentheurlich Naupengeheurliche Geschichtklitterung, published in three editions between 1575 and 1590, is a translation of François Rabelais’ novel Gargantua. Fischart’s text has incorporated a plethora of other texts so that citations often follow each other in very quick succession. Several studies have described the intertextual processes in Fischart’s Geschichtklitterung, primarily focusing on what kinds of knowledge were included in the intertextual fabric of Fischart’s Geschichtklitterung and how this process transformed both the knowledge and the text. This perspective (‘Wissenspoetologie’) is primarily concerned with the information the quotations carry, i. e., their content. In contrast, my paper will look at the same intertextual techniques from a more formalistic perspective: I will argue that Fischart’s method of combining various quotations is not only a matter of collecting information. Rather, it is a genuinely literary technique: The precise wording of the individual quotations and the way they are all put together to form a new text. The intertextual techniques used in Fischart’s Geschichtklitterung to assemble heterogeneous material can not only be described in terms of the knowledge contained but also in terms of their formal structure.
Bildbruch, 2021
Seine Formbarkeit ist dem Plastik bereits im Namen eingeschrieben, meint die griechische Wortwurz... more Seine Formbarkeit ist dem Plastik bereits im Namen eingeschrieben, meint die griechische Wortwurzel plastikós doch das, was zum Bilden und Formen geeignet ist. 2 Doch ‚Plastik'-das sind eigentlich zwei Wörter. Diese unterscheiden sich zwar nur in ihrem grammatischen Geschlecht respektive im vorangestellten Artikel, in ihren Konnotationen liegen sie aber umso weiter auseinander. Das Plastik als amorphes Material trägt die Möglichkeit seiner Formung nur potenziell in sich, geht aber mit dem Versprechen einher, jede nur erdenkliche Form anzunehmen zu können. Die Plastik hingegen hat ihre Formung bereits hinter sich gebracht und wurde in dieser Aktualisierung perfektioniert. Im Plastik-Text der Mythen des Alltags wird la plastique von Roland Barthes zur Gänze verschwiegen; 3 und so soll in der Folge nur von le plastic die Rede sein. Kaum ein anderes Material fand in der Warenwelt der Nachkriegszeit größere Verbreitung, kaum ein anderes Material zog aber auch solch vielfältige Deutungen und Wertungen auf sich, sodass mehrere alltagsmythologische Konstellationen darauf aufbauen. Das Plastik ist eine kulturelle Chiffre der Moderne in all ihren Facetten. Barthes' Plastik. Das Phantasma des unendlich formbaren Materials Ausgangspunkt von Roland Barthes' Überlegungen zum Plastik ist eine Messeausstellung, die als performative Bühne jene technisch-industriellen Produktionsprozesse präsentiert, die in den Fabrikhallen normalerweise vor den 1 Aqua 1997. Einzelne Gedanken dieses Aufsatzes finden sich bereits in der Folge 21-"Plastik!"-des Literaturpodcasts "Nachlese" (2020) von Sina Dell'Anno und Jodok Trösch, https://podcasts.apple.com/ podcast/plastik/id1503925797?i=1000477008014 [17. Juni 2021]. Für Ideen und Anregungen danke ich Janneke Meissner. 2 Der Begriff führt sich etymologisch auf das griechische Adjektiv plastikós zurück: "zum Bilden, zum Formen geeignet" (vgl. Art. ‚Plastik', in: Wolfgang Pfeifer et al., Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, www.dwds.de/wb/etymwb/Plastik [12.05.2021]); verwandt damit ist auch der technische Begriff der Plastizität. Vgl. auch Meikle 1995, 4: "In Greek the verb πλασσειν (plassein) meant to mold or shape a soft substance like clay or wax; the adjective πλαστικος (plastikos) referred to something capable of being molded or shaped." 3 Mahr 2000 vermutet darin eine gezielte Provokation der bildungs-und kulturbeflissenen französischen Bourgeoisie.
Ralf Simon (Hg): Lesarten zu Arno Schmidts »Abend mit Goldrand«, 2016
This paper is part of a project to write a comprehensive commentary of Arno Schmidts "Abend mit G... more This paper is part of a project to write a comprehensive commentary of Arno Schmidts "Abend mit Goldrand". It presents a critical reading of the chapters 48 and 49 of this book. Against the background of the famous "Haywain Triptych" by Hieronymus Bosch, I show how the aspects of a rural idyll are destructed in drastic and violent images, thereby further reinforcing the negativistic attitude against creation which is displayed throughout the text.
Ralf Simon (Hg): Lesarten zu Arno Schmidts »Abend mit Goldrand«, 2016
This paper comments on the opening chapters (1-4) of Arno Schmidt's "Abend mit Goldrand". By iden... more This paper comments on the opening chapters (1-4) of Arno Schmidt's "Abend mit Goldrand". By identifying different hidden stages of an alchemical process, it reconstructs the creation of the physical world of this text, setting the stage for the following action. This paper argues that the various signs of a failed creation can be understand with regard to Schmidt's reception of gnosticism.
Bildbruch, 2023
Collecting Loss-1 5 Glitches-Verfahren der Ambiguitätsproduktion in der Gegenwartsliteratur Phili... more Collecting Loss-1 5 Glitches-Verfahren der Ambiguitätsproduktion in der Gegenwartsliteratur Philipp Ohnesorge und Eckhard Schumacher 8 Geht da noch was? Zum Potenzial von Glitch als Schreibverfahren
Sina Dell’Anno, Achim Imboden, Ralf Simon, Jodok Trösch (Hgg.): Prosa: Theorie, Exegese, Geschichte. Berlin: de Gruyter, 2021
Sp. 325). Bevor man nun vorschnell die Forschungslücke identifiziert und sie zu schließen versuch... more Sp. 325). Bevor man nun vorschnell die Forschungslücke identifiziert und sie zu schließen versucht, ist freilich eine gewisse Zurückhaltung angeraten. Versteckt sich hinter dem Titel ›Theorie der Prosa‹ tatsächlich ein Problem? Oder gibt es gute Gründe dafür, dass es eine solche Theorie der Prosa bislang nicht gegeben hat und folglich auch nicht geben sollte? Im Sinne der alten hermeneutischen Maxime, der Frage selbst nachzuspüren, statt sie eilfertig beantworten zu wollen, ist also zunächst die Rechtfertigung der Fragestellung gefordert. Was meinte Friedrich Schlegel, als er inmitten der Ausarbeitung seiner frühromantischen Theorie des Romans entdeckte, dass die Theorie der Prosa mit der Theorie des Romans nicht deckungsgleich sei und dass folglich ein definitorisches Desideratum vorliege? Die relativ wenigen Bemerkungen, die Schlegel in seinen Notizbüchern dem Projekt einer Prosatheorie widmete (Schlegel StA, V, 211 f.), führen kaum weiter.-Wir möchten uns der Frage nach der Möglichkeit und dem Ort einer Theorie der Prosa nähern, indem wir eine kleine Kartographierung vorschlagen. 1 Zunächst sei vorausgeschickt: Es gibt allerlei Komposita mit dem Begriff Prosa, allen voran das Wort Erzählprosa, oft auch Romanprosa, dann das Gebiet der kleinen Prosaformen, schließlich das umfangreiche Feld expositorischer Sachprosa. Der Name ›Theorie der Prosa‹ zielt nicht auf diese Kompositaformen oder allenfalls nur am Rande. Denn tatsächlich lässt sich beobachten, dass mit einer gewissen Regelmäßigkeit etwa bei dem Begriff Erzählprosa die Form der Erzählung zum Theoriegegenstand wird, jedoch der Prosabegriff unterbestimmt bleibt. Am deutlichsten ist dies an Todorovs Buch Poetik der Prosa (Todorov 1972) zu sehen, welches de facto eine Theorie der Erzählung ist und über die Prosa keinerlei Auskunft gibt. Offenkundig verschwindet bei Prosa-Komposita die Prosa selbst
GSA 2019 annual conference. Portland, OR. Panel: Short Forms, Then and Now, 2019
When we speak of an experimental prose text as a ‘mixtum compositum’ of many different small form... more When we speak of an experimental prose text as a ‘mixtum compositum’ of many different small forms, Friedrich Schlegel’s Lucinde constitutes a major paradigm in German literature. The small forms that have been incorporated into this text produce a heterogeneous and open totality, while they are at the same time still easily recognizable as distinct units. The textual distinctions are openly marked.
In the proposed paper, however, I will examine a text that follows opposing principles with regard to the incorporation of various small forms. Johann Fischart’s Geschichtklitterung (1575, 1590), a loose translation of Rabelais’ Gargantua, states its conglomerate character already in its title, for ‘klittern’ means ‘to piece together (a text)’ or ‘to copy hastily’. Thus, it is not surprising that this text works with material from more than a hundred different texts and authors, ranging all the way from classical exempla and proverbs to popular song lyrics in the German vernacular.
Although the incorporated material is diverse both in form and content, integration is smooth. The way these small forms are incorporated in the text produce an intricate prose texture whose individual components can be reconstructed only in diligent study. This is perhaps most striking in the case of the virtually seamless integration of these aforementioned song lyrics into the text’s prose passages. The versified passages are inserted into the layout of the text without emphasis, no feature – typographical or otherwise – gives them away at first glance. While meter and rhyme would naturally stand out when read, Fischart subtly adds passages in rhythmic prose resulting in smooth and almost imperceptible transitions from plain prose to poetry and back again. Thus, the textual divisions are deliberately concealed.
In my paper, I will trace how such processes of textual transformation and assimilation render the underlying small forms unrecognizable and thereby transgresses them. I will argue that the form of the overall text is based only to a very limited extent on the literary genre of these small forms, but that it rather resists the smooth integration into a system of literary genres.
Talk @ GSA 2020. Panel: Writing the Nonhuman, 2020
This paper proposes a theoretical account of one specific form of poetic texts written by nonhuma... more This paper proposes a theoretical account of one specific form of poetic texts written by nonhumans. It examines the imaginative use of machine translation as a technique in the production of poetic texts.
Even though platforms for machine translation from one language to another have improved significantly in recent years, they still produce many errors. But what is considered an error in a commonsense evaluation of a translation (which is focused on the propagation of information across language barriers) can also be seen as a source of a creative alteration. This process of machine translation can be carried out several times in succession, going from language to language. If this process finally leads back into the source language, the differences produced by it are most evident. This configuration can be used as an automated literary technique to produce defamiliarization, the defining aspect of poeticity according to the Russian formalists.
A preliminary of this constellation has been featured prominently almost twenty years ago in Umberto Eco’s semiotic study on translation, Dire quasi la stessa cosa (2003). Intended to be an example to analyze the shortcomings of AltaVista’s Babel Fish, Eco seems to notice the poetic potentials arising from the errors, because they point out ambiguity and polysemy in different languages. With the ever-spreading use of these tools, this poetic misuse of machine translation has found its way not only into American pop culture with Jimmy Fallon featuring a segment called “Google Translate Songs”, but also into avant-gardist literary circles. Specifically, I will look at a group of poets located in Zurich, Switzerland, who do not only use this procedure to create nonhuman poetry but also reflect their practices in theoretical texts as a form of “CyberD@da”.
Abstract and a selected bibliography of my presentation at the Summer School "Memory and the maki... more Abstract and a selected bibliography of my presentation at the Summer School "Memory and the making of knowledge" in Göttingen (18–22 September 2017).
If you are interested in the manuscript of the talk, you can send me a message.
Bildbruch, 2022
Als Glitch (Panne, Störimpuls) wird eine vorübergehende und oft nur schwer zu fassende Störung in... more Als Glitch (Panne, Störimpuls) wird eine vorübergehende und oft nur schwer zu fassende Störung in einem System bezeichnet, die dieses zwar nicht in seinem Ablauf gefährdet, aber unvorhersehbare und nicht auf Anhieb erklärbare Effekte mit sich bringt. Ursprünglich ein rein technischer Begriff, hat sich das Konzept ‚Glitch' seit einigen Jahren in der kunst-und medientheoretischen Terminologie etabliert, wo es gegenwärtig verschiedene kulturelle und ästhetische Konnotationen mit sich bringt. In der kreativen Auseinandersetzung mit elektronischen Systemen haben sich etwa seit den 1980er Jahren zunehmend kulturelle Praktiken entwickelt, die Glitche mit künstlerischer Absicht sammeln oder gar gezielt provozieren. Glitche haben dabei in der elektronischen Musik, in den visuellen Künsten und auch in Computerspielen an Relevanz und Aufmerksamkeit gewonnen.