Anne Kersten | University of Fribourg (original) (raw)
Papers by Anne Kersten
Aus der Beobachterperspektive befindet sich die Soziale Arbeit zur Zeit in einer Sackgasse. Sie v... more Aus der Beobachterperspektive befindet sich die Soziale Arbeit zur Zeit in einer Sackgasse. Sie verfügte zwar über wichtige Expertise, doch beeinflusst sie die sozialpolitischen Auseinandersetzungen kaum. Der vorliegende Artikel analysiert die These, dass sich die Soziale Arbeit mit einer einseitigen Professionalisierungsstrategie im ausgehenden 20. Jahrhundert teilweise selbst in diese Situation manövriert hat. Theoretisch orientiert sich die Untersuchung am Ansatz der cultural political economy, welcher mit der Methodik der Diskursanalyse verbunden wird. Zudem fliessen professionssoziologische Überlegungen ein. Es wird zum einen herausgearbeitet, wie sich die in den 1990er Jahren nochmals grundlegend verändernden politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Soziale Arbeit auswirkten. Zum anderen wird dargestellt, wie vor diesem Hintergrund die Situation der Sozialen Arbeit in Berufsfeld und Wissenschaft wahrgenommen und diskutiert wurde und wie sich in der Sozialen Arbeit in der Schweiz unter dem Leitbegriff «Profession und Disziplin» ein Professionsdispositiv durchsetzen konnte. Abschliessend wird gezeigt, dass dieses Dispositiv die wissenschaftliche Sicht einengt und damit zusammenhängend die politischen Handlungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit untergräbt.
International Journal of Conflict and Violence, 2016
Violence causes physical and mental harm to others, and victims must find ways of coping with the... more Violence causes physical and mental harm to others, and victims must find ways of coping with their injuries. Since the middle of the 20th century, the effects of violence and crime on the victim have become an increasingly important topic in politics and society. Many countries in the industrialised world have enacted programmes and laws designed to uphold the needs and rights of victims. Such steps were taken, e.g., in New Zealand in 1963, in the UK in 1964 and in Germany in 1976. The Swiss Victims of Crime Act (VCA) has been in place since 1993. It guarantees free legal, medical, psychological and social counselling, as well as some financial compensation for victims of violent crime. Comparatively, it is presently one of the most encompassing laws applied with regards to victim support legislation. It stipulates that victims of violence are to be offered quick and efficient support in specialised, state-subsidised counselling centres. This paper applies a gender perspective to t...
Häusliche Gewalt ist zu einem aktuellen Thema in Politik und Wissenschaft avanciert. Forschungen ... more Häusliche Gewalt ist zu einem aktuellen Thema in Politik und Wissenschaft avanciert. Forschungen der letzten Jahrzehnte brachten ihr Ausmass, mögliche Ursachen und die Folgen zutage. Um die sozialpolitische Relevanz der Thematik einzuschätzen, wird vordergründig zumeist auf eine quantifizierende Perspektive abgestützt. Im vorliegenden Artikel wird argumentiert, dass eine derartige Perspektive die vielschichte Komplexität häuslicher Gewalt kaum zu fassen vermag. Wichtige Facetten häuslicher Gewalt als eines prozessualen Geschehens innerhalb je spezifischer familialer Beziehungsgefüge werden erarbeitet und diskutiert. Es wird argumentiert, dass gerade diese Beziehungsgefüge einen wichtigen Anhalts- und Ausgangspunkt bilden sollten für eine systematische und fundierte Auseinandersetzung mit dem komplexen Phänomen der häuslichen Gewalt.
In den letzten Monaten kam es zu erheblichen Veränderungen des beruflichen, gesellschaftlichen un... more In den letzten Monaten kam es zu erheblichen Veränderungen des beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Lebens. Viele Eltern standen vor der Herausforderung, die Doppelbelastung aus Homeoffice und Homeschooling zu bewältigen. Für Kinder kam es zum Verlust der Alltagsstrukturen in Krippe, Kindergarten oder Schule und zu Kontaktbeschränkungen zu Freunden. Das Familienleben fand für viele in konzentrierter und zum Teil beengender Form Zuhause statt. Im Zuge dieser Einschränkungen des alltäglichen Lebens äußerten einige ExpertInnen die Befürchtung, dass es zu einer Zunahme häuslicher Gewalt kommen könnte. Aufgrund der Aktualität dieses Themas befragen wir Frau Dr. phil. Anne Kersten, die als Lektorin und Senior Forscherin am Departement für Sozialarbeit, Sozialpolitik und globale Entwicklung, Universität Fribourg und Dozentin im Fachbereich Pflege an der Berner Fachhochschule arbeitet, zum Thema "Ursachen und Folgen häusliche Gewalt gegen Kinder".
In den vergangenen vier Jahrzehnten haben sowohl nationale als auch international vergleichende F... more In den vergangenen vier Jahrzehnten haben sowohl nationale als auch international vergleichende Forschungen fundierte Einblicke in das beträchtliche Ausmaß häuslicher Gewalt eröffnet, und damit verbunden in ihre vielschichtigen Ursachen, in die Beziehungen zwischen unmittelbar Betroffenen und weiteren Beteiligten sowie in die Auswirkungen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene. Dabei verfolgt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht zuletzt das Ziel, Erkenntnisse zu generieren, auf deren Grundlage sozialpolitische Programme zur Verminderung und Prävention häuslicher Gewalt sowie zur Unterstützung der Betroffenen entwickelt werden können. Eine derart anwendungsorientierte Perspektive rückt zum einen neben den Gewalttäter*innen auch die Gewaltopfer stärker in den Mittelpunkt. Zum anderen macht sie deutlich, dass konkret abgrenzbare körperliche Gewalthandlungen zwar einen wesentlichen Aspekt der Gewalt darstellen, sich die Komplexität des gewaltförmigen Interaktionsgeschehens auf diese Weise jedoch nicht angemessen erschließen lässt. Besonders im häuslichen Bereich ist Gewalt stets Teil einer sich fortwährend verändernden, gelebten und erlebten Beziehungsgeschichte mit unterschiedlichen direkt und indirekt Beteiligten. Diese sind in ihren Handlungs- und Deutungsprozessen wechselseitig aufeinander bezogen und durch ihre familialen Beziehungen dauerhaft miteinander verbunden. In einem derartigen Kontext – so die zentrale These des Beitrags – entwickelt Gewalt gewisse Eigensinnigkeiten, die das Handeln und Deuten der Beteiligten auf bestimmte Art und Weise ermöglichen und begrenzen. In der allgemeinen Gewaltsoziologie stehen diese Eigensinnigkeiten von Gewaltphänomenen zunehmend im Mittelpunkt der Auseinandersetzung und auch die Forschung zu häuslicher Gewalt hat hier anschlussfähige empirische Einsichten hervorgebracht. Es fehlen allerdings Perspektiven, die die verschiedenen Einsichten systematisch integrieren. Wie sich dieses Forschungsdesiderat vor allem methodisch durch eine netzwerktheoretische Perspektive bearbeiten lässt, wird in diesem Artikel erläutert.
Häusliche Gewalt ist zu einem aktuellen Thema in Politik und Wissenschaft avan-ciert. Forschungen... more Häusliche Gewalt ist zu einem aktuellen Thema in Politik und Wissenschaft avan-ciert. Forschungen der letzten Jahrzehnte brachten ihr Ausmass, mögliche Ursachen und die Folgen zutage. Um die sozialpolitische Relevanz der Thematik einzuschätzen, wird vordergründig zumeist auf eine quantifizierende Perspektive abgestützt. Im vor-liegenden Artikel wird argumentiert, dass eine derartige Perspektive die vielschichte Komplexität häuslicher Gewalt kaum zu fassen vermag. Wichtige Facetten häuslicher Gewalt als eines prozessualen Geschehens innerhalb je spezifischer familialer Bezie-hungsgefüge werden erarbeitet und diskutiert. Es wird argumentiert, dass gerade diese Beziehungsgefüge einen wichtigen Anhalts-und Ausgangspunkt bilden sollten für eine systematische und fundierte Auseinandersetzung mit dem komplexen Phänomen der häuslichen Gewalt.
wussten wir, wie Diskurse ihre Grenzen zu verteidigen suchen. Bei konnten wir nachlesen, mit welc... more wussten wir, wie Diskurse ihre Grenzen zu verteidigen suchen. Bei konnten wir nachlesen, mit welchen Mitteln Kämpfe um wissenschaftliche Paradigmen ausgetragen werden. Diskursen -ob im Bereich von Paradigmen oder ausserhalb -ist inhärent, dass sie sich verfestigen und sich gegen Infragestellung abschotten. Eben erst kritisierte der Ökonom James K. Galbraith in einem Interview der NZZ ( Chassot 2017) seine Kollegenschaft dafür, dass sie sich in einer «geschlossene(n) Welt» aufhielte und «Kritik mit dem Kopf im Sand ignoriert» hätte. In ähnlicher Weise hielt der Mediziner Marc Rufer in einem Gespräch mit der Wochenzeitung (Riklin/Boos 2017) fest, dass sich seine Kollegen «unbeirrt in einem ihnen als geläufig und selbstverständlich erscheinenden Denkmodell» bewegen würden und sich nicht bewusst seien, dass sie dabei ausschliesslich dächten, was vorschriftsgemäss gedacht werden müsse. Die Institution bestimme, «was wahrgenommen werden darf -und was nicht».
Aus der Beobachterperspektive befindet sich die Soziale Arbeit zur Zeit in einer Sackgasse. Sie v... more Aus der Beobachterperspektive befindet sich die Soziale Arbeit zur Zeit in
einer Sackgasse. Sie verfügte zwar über wichtige Expertise, doch beeinflusst sie die sozialpolitischen Auseinandersetzungen kaum. Der vorliegende Artikel analysiert die These, dass sich die Soziale Arbeit mit einer einseitigen Professionalisierungsstrategie im ausgehenden 20. Jahrhundert teilweise selbst in diese Situation manövriert hat. Theoretisch orientiert sich die Untersuchung am Ansatz der cultural political economy, welcher mit der Methodik der Diskursanalyse verbunden wird. Zudem fliessen professionssoziologische Überlegungen ein. Es wird zum einen herausgearbeitet, wie sich die in den 1990er Jahren nochmals grundlegend verändernden politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Soziale Arbeit auswirkten. Zum anderen wird dargestellt, wie vor diesem Hintergrund die Situation der Sozialen Arbeit in Berufsfeld und Wissenschaft wahrgenommen und diskutiert wurde und wie sich in der Sozialen Arbeit in der Schweiz unter dem Leitbegriff «Profession und Disziplin» ein Professionsdispositiv durchsetzen konnte. Abschliessend wird gezeigt, dass dieses Dispositiv die wissenschaftliche Sicht einengt und damit zusammenhängend die politischen Handlungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit untergräbt.
Since the mid-twentieth century, the effects of violence and crime on the victim have become an i... more Since the mid-twentieth century, the effects of violence and crime on the victim have become an increasingly important topic. In Switzerland, men and boys are affected by criminal acts of violence recorded by the police to a similar extent as women and girls. The Victims of Crime Act (VCA; Opferhilfegesetz, OHG), in place since 1993, treats men and women equally. It guarantees free legal, medical, psychological and social counselling, as well as some financial com- pensation, for victims of violent crime. However, male victims of violence are clearly underrepresented in victim support. This article seeks explanations: it first looks at the extent of reported and not-reported criminal acts to explain the differences. The review of the literature suggests that “being victim” is linked to “femininity”. This leads to the elaboration of a theoretical framework on the gender-regime in this field. The main argument is that institutions treat “being a victim” differently for men and women and that the consequences of being a victim are different for men and women. To analyse the argument, we carry out a discourse-analytical study on how the social negotiation processes of “becoming a victim” take place. We find that victimised men and women differ in the manner and extent to which they are construed as victims in these negotiation processes. This affects the way victim support is organized and entails manifest effects regarding use of victim support and the expected clientele counselling services.
Der Kampf ums Recht. Akteure und Interessen im Blick der interdisziplinären Rechtsforschung, 2012
Abstract Seit 1993 ist in der Schweiz das Opferhilfegesetz (OHG) in Kraft. Dadurch erhalten Perso... more Abstract Seit 1993 ist in der Schweiz das Opferhilfegesetz (OHG) in Kraft. Dadurch erhalten Personen, die durch eine Straftat in ihrer Integrität beeinträchtigt werden, bei der Überwindung der Folgen der Straftat staatlich finanzierte Beratung und Unterstützung. ...
Delinquenz und Bestrafung. Diskurse, Institutionen und Strukturen, 2012
Aus der Beobachterperspektive befindet sich die Soziale Arbeit zur Zeit in einer Sackgasse. Sie v... more Aus der Beobachterperspektive befindet sich die Soziale Arbeit zur Zeit in einer Sackgasse. Sie verfügte zwar über wichtige Expertise, doch beeinflusst sie die sozialpolitischen Auseinandersetzungen kaum. Der vorliegende Artikel analysiert die These, dass sich die Soziale Arbeit mit einer einseitigen Professionalisierungsstrategie im ausgehenden 20. Jahrhundert teilweise selbst in diese Situation manövriert hat. Theoretisch orientiert sich die Untersuchung am Ansatz der cultural political economy, welcher mit der Methodik der Diskursanalyse verbunden wird. Zudem fliessen professionssoziologische Überlegungen ein. Es wird zum einen herausgearbeitet, wie sich die in den 1990er Jahren nochmals grundlegend verändernden politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Soziale Arbeit auswirkten. Zum anderen wird dargestellt, wie vor diesem Hintergrund die Situation der Sozialen Arbeit in Berufsfeld und Wissenschaft wahrgenommen und diskutiert wurde und wie sich in der Sozialen Arbeit in der Schweiz unter dem Leitbegriff «Profession und Disziplin» ein Professionsdispositiv durchsetzen konnte. Abschliessend wird gezeigt, dass dieses Dispositiv die wissenschaftliche Sicht einengt und damit zusammenhängend die politischen Handlungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit untergräbt.
International Journal of Conflict and Violence, 2016
Violence causes physical and mental harm to others, and victims must find ways of coping with the... more Violence causes physical and mental harm to others, and victims must find ways of coping with their injuries. Since the middle of the 20th century, the effects of violence and crime on the victim have become an increasingly important topic in politics and society. Many countries in the industrialised world have enacted programmes and laws designed to uphold the needs and rights of victims. Such steps were taken, e.g., in New Zealand in 1963, in the UK in 1964 and in Germany in 1976. The Swiss Victims of Crime Act (VCA) has been in place since 1993. It guarantees free legal, medical, psychological and social counselling, as well as some financial compensation for victims of violent crime. Comparatively, it is presently one of the most encompassing laws applied with regards to victim support legislation. It stipulates that victims of violence are to be offered quick and efficient support in specialised, state-subsidised counselling centres. This paper applies a gender perspective to t...
Häusliche Gewalt ist zu einem aktuellen Thema in Politik und Wissenschaft avanciert. Forschungen ... more Häusliche Gewalt ist zu einem aktuellen Thema in Politik und Wissenschaft avanciert. Forschungen der letzten Jahrzehnte brachten ihr Ausmass, mögliche Ursachen und die Folgen zutage. Um die sozialpolitische Relevanz der Thematik einzuschätzen, wird vordergründig zumeist auf eine quantifizierende Perspektive abgestützt. Im vorliegenden Artikel wird argumentiert, dass eine derartige Perspektive die vielschichte Komplexität häuslicher Gewalt kaum zu fassen vermag. Wichtige Facetten häuslicher Gewalt als eines prozessualen Geschehens innerhalb je spezifischer familialer Beziehungsgefüge werden erarbeitet und diskutiert. Es wird argumentiert, dass gerade diese Beziehungsgefüge einen wichtigen Anhalts- und Ausgangspunkt bilden sollten für eine systematische und fundierte Auseinandersetzung mit dem komplexen Phänomen der häuslichen Gewalt.
In den letzten Monaten kam es zu erheblichen Veränderungen des beruflichen, gesellschaftlichen un... more In den letzten Monaten kam es zu erheblichen Veränderungen des beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Lebens. Viele Eltern standen vor der Herausforderung, die Doppelbelastung aus Homeoffice und Homeschooling zu bewältigen. Für Kinder kam es zum Verlust der Alltagsstrukturen in Krippe, Kindergarten oder Schule und zu Kontaktbeschränkungen zu Freunden. Das Familienleben fand für viele in konzentrierter und zum Teil beengender Form Zuhause statt. Im Zuge dieser Einschränkungen des alltäglichen Lebens äußerten einige ExpertInnen die Befürchtung, dass es zu einer Zunahme häuslicher Gewalt kommen könnte. Aufgrund der Aktualität dieses Themas befragen wir Frau Dr. phil. Anne Kersten, die als Lektorin und Senior Forscherin am Departement für Sozialarbeit, Sozialpolitik und globale Entwicklung, Universität Fribourg und Dozentin im Fachbereich Pflege an der Berner Fachhochschule arbeitet, zum Thema "Ursachen und Folgen häusliche Gewalt gegen Kinder".
In den vergangenen vier Jahrzehnten haben sowohl nationale als auch international vergleichende F... more In den vergangenen vier Jahrzehnten haben sowohl nationale als auch international vergleichende Forschungen fundierte Einblicke in das beträchtliche Ausmaß häuslicher Gewalt eröffnet, und damit verbunden in ihre vielschichtigen Ursachen, in die Beziehungen zwischen unmittelbar Betroffenen und weiteren Beteiligten sowie in die Auswirkungen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene. Dabei verfolgt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht zuletzt das Ziel, Erkenntnisse zu generieren, auf deren Grundlage sozialpolitische Programme zur Verminderung und Prävention häuslicher Gewalt sowie zur Unterstützung der Betroffenen entwickelt werden können. Eine derart anwendungsorientierte Perspektive rückt zum einen neben den Gewalttäter*innen auch die Gewaltopfer stärker in den Mittelpunkt. Zum anderen macht sie deutlich, dass konkret abgrenzbare körperliche Gewalthandlungen zwar einen wesentlichen Aspekt der Gewalt darstellen, sich die Komplexität des gewaltförmigen Interaktionsgeschehens auf diese Weise jedoch nicht angemessen erschließen lässt. Besonders im häuslichen Bereich ist Gewalt stets Teil einer sich fortwährend verändernden, gelebten und erlebten Beziehungsgeschichte mit unterschiedlichen direkt und indirekt Beteiligten. Diese sind in ihren Handlungs- und Deutungsprozessen wechselseitig aufeinander bezogen und durch ihre familialen Beziehungen dauerhaft miteinander verbunden. In einem derartigen Kontext – so die zentrale These des Beitrags – entwickelt Gewalt gewisse Eigensinnigkeiten, die das Handeln und Deuten der Beteiligten auf bestimmte Art und Weise ermöglichen und begrenzen. In der allgemeinen Gewaltsoziologie stehen diese Eigensinnigkeiten von Gewaltphänomenen zunehmend im Mittelpunkt der Auseinandersetzung und auch die Forschung zu häuslicher Gewalt hat hier anschlussfähige empirische Einsichten hervorgebracht. Es fehlen allerdings Perspektiven, die die verschiedenen Einsichten systematisch integrieren. Wie sich dieses Forschungsdesiderat vor allem methodisch durch eine netzwerktheoretische Perspektive bearbeiten lässt, wird in diesem Artikel erläutert.
Häusliche Gewalt ist zu einem aktuellen Thema in Politik und Wissenschaft avan-ciert. Forschungen... more Häusliche Gewalt ist zu einem aktuellen Thema in Politik und Wissenschaft avan-ciert. Forschungen der letzten Jahrzehnte brachten ihr Ausmass, mögliche Ursachen und die Folgen zutage. Um die sozialpolitische Relevanz der Thematik einzuschätzen, wird vordergründig zumeist auf eine quantifizierende Perspektive abgestützt. Im vor-liegenden Artikel wird argumentiert, dass eine derartige Perspektive die vielschichte Komplexität häuslicher Gewalt kaum zu fassen vermag. Wichtige Facetten häuslicher Gewalt als eines prozessualen Geschehens innerhalb je spezifischer familialer Bezie-hungsgefüge werden erarbeitet und diskutiert. Es wird argumentiert, dass gerade diese Beziehungsgefüge einen wichtigen Anhalts-und Ausgangspunkt bilden sollten für eine systematische und fundierte Auseinandersetzung mit dem komplexen Phänomen der häuslichen Gewalt.
wussten wir, wie Diskurse ihre Grenzen zu verteidigen suchen. Bei konnten wir nachlesen, mit welc... more wussten wir, wie Diskurse ihre Grenzen zu verteidigen suchen. Bei konnten wir nachlesen, mit welchen Mitteln Kämpfe um wissenschaftliche Paradigmen ausgetragen werden. Diskursen -ob im Bereich von Paradigmen oder ausserhalb -ist inhärent, dass sie sich verfestigen und sich gegen Infragestellung abschotten. Eben erst kritisierte der Ökonom James K. Galbraith in einem Interview der NZZ ( Chassot 2017) seine Kollegenschaft dafür, dass sie sich in einer «geschlossene(n) Welt» aufhielte und «Kritik mit dem Kopf im Sand ignoriert» hätte. In ähnlicher Weise hielt der Mediziner Marc Rufer in einem Gespräch mit der Wochenzeitung (Riklin/Boos 2017) fest, dass sich seine Kollegen «unbeirrt in einem ihnen als geläufig und selbstverständlich erscheinenden Denkmodell» bewegen würden und sich nicht bewusst seien, dass sie dabei ausschliesslich dächten, was vorschriftsgemäss gedacht werden müsse. Die Institution bestimme, «was wahrgenommen werden darf -und was nicht».
Aus der Beobachterperspektive befindet sich die Soziale Arbeit zur Zeit in einer Sackgasse. Sie v... more Aus der Beobachterperspektive befindet sich die Soziale Arbeit zur Zeit in
einer Sackgasse. Sie verfügte zwar über wichtige Expertise, doch beeinflusst sie die sozialpolitischen Auseinandersetzungen kaum. Der vorliegende Artikel analysiert die These, dass sich die Soziale Arbeit mit einer einseitigen Professionalisierungsstrategie im ausgehenden 20. Jahrhundert teilweise selbst in diese Situation manövriert hat. Theoretisch orientiert sich die Untersuchung am Ansatz der cultural political economy, welcher mit der Methodik der Diskursanalyse verbunden wird. Zudem fliessen professionssoziologische Überlegungen ein. Es wird zum einen herausgearbeitet, wie sich die in den 1990er Jahren nochmals grundlegend verändernden politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Soziale Arbeit auswirkten. Zum anderen wird dargestellt, wie vor diesem Hintergrund die Situation der Sozialen Arbeit in Berufsfeld und Wissenschaft wahrgenommen und diskutiert wurde und wie sich in der Sozialen Arbeit in der Schweiz unter dem Leitbegriff «Profession und Disziplin» ein Professionsdispositiv durchsetzen konnte. Abschliessend wird gezeigt, dass dieses Dispositiv die wissenschaftliche Sicht einengt und damit zusammenhängend die politischen Handlungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit untergräbt.
Since the mid-twentieth century, the effects of violence and crime on the victim have become an i... more Since the mid-twentieth century, the effects of violence and crime on the victim have become an increasingly important topic. In Switzerland, men and boys are affected by criminal acts of violence recorded by the police to a similar extent as women and girls. The Victims of Crime Act (VCA; Opferhilfegesetz, OHG), in place since 1993, treats men and women equally. It guarantees free legal, medical, psychological and social counselling, as well as some financial com- pensation, for victims of violent crime. However, male victims of violence are clearly underrepresented in victim support. This article seeks explanations: it first looks at the extent of reported and not-reported criminal acts to explain the differences. The review of the literature suggests that “being victim” is linked to “femininity”. This leads to the elaboration of a theoretical framework on the gender-regime in this field. The main argument is that institutions treat “being a victim” differently for men and women and that the consequences of being a victim are different for men and women. To analyse the argument, we carry out a discourse-analytical study on how the social negotiation processes of “becoming a victim” take place. We find that victimised men and women differ in the manner and extent to which they are construed as victims in these negotiation processes. This affects the way victim support is organized and entails manifest effects regarding use of victim support and the expected clientele counselling services.
Der Kampf ums Recht. Akteure und Interessen im Blick der interdisziplinären Rechtsforschung, 2012
Abstract Seit 1993 ist in der Schweiz das Opferhilfegesetz (OHG) in Kraft. Dadurch erhalten Perso... more Abstract Seit 1993 ist in der Schweiz das Opferhilfegesetz (OHG) in Kraft. Dadurch erhalten Personen, die durch eine Straftat in ihrer Integrität beeinträchtigt werden, bei der Überwindung der Folgen der Straftat staatlich finanzierte Beratung und Unterstützung. ...
Delinquenz und Bestrafung. Diskurse, Institutionen und Strukturen, 2012