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Quelle: S�ddeutsche Zeitung vom 15.1.01

"Sex-Guru" Wankmiller und seine Anh�nger breiten sich in der Stadt aus - Nun steht einer von ihnen vor Gericht
Von Martin Zips

F�ssen - Was geh�rt der Sekte? Die Frau in dem F�ssener Souvenirladen wei� gar nicht, womit sie anfangen soll. "Die haben schon die halbe Altstadt gekauft. Langsam kriegt man Angst, dass die es mit ihrem Staat ernst meinen." Sie zeigt auf ein Haus am Magnusplatz, auf weitere Geb�ude hinter dem E-Werk. Das Reformhaus, die "Bayerische Gesellschaft f�r ganzheitliches Heilen", die "Lohnsteuerhilfe e.V.", der Computerladen, das Immobilienb�ro, der Esoterik-Laden - alles sei in der Hand von Sekten-Mitgliedern.

Der Duft von R�ucherst�bchen erf�llt den Raum. Ein junger, blasser Mann erkl�rt im Esoterik-Laden "Quaballah" einer Kundin die Kr�fte verschiedener Steine. Die Dame ist begeistert: "Ja, der liegt wirklich viel w�rmer in der Hand." B�cher �ber Tantra, �ber Runen und Traumdeutung liegen herum. "Gibt es hier auch etwas �ber ,Likatien'?",
wollen wir wissen. "Likatien?", fragt der Mann mit dem langen Haar. "Ja, Sie kennen doch die Sekte um Wolfgang Wankmiller. Zu der geh�rt doch auch ihr Laden, nicht?" - "Ich habe den Namen Wankmiller noch nie geh�rt", sagt der Mann. Beim Ordnungsamt erf�hrt man: Den Laden f�hrt ein Mitglied aus dem engsten Kreis der Wankmiller-Sekte.

In den 27 Jahren seines Bestehens hat es der Geheimbund "Stamm von Likatien" zu einer gewaltigen wirtschaftlichen Macht in der Stadt am Lech gebracht. Unter den Mitgliedern der 130-k�pfigen Gemeinde um den ehemaligen Hausmeister finden sich neben �rzten, Anw�lten und Volkswirten auch S�hne von Politikern, Unternehmern und Polizisten. Rund
70 Kinder geh�ren zum Stamm "Likatien" - einst nannten sich so die Bewohner eines vindelizischen Stammes, der im Altertum im Allg�u siedelte. Im Internet offenbaren die Neo-Siedler ihr Gesicht: Sie m�chten "eine wirtschaftliche, kulturelle, politische und letztlich staatliche Autarkie" erreichen. Eigene Ministerien, eine eigene W�hrung
und eine eigene Zeitrechnung haben sie schon. Der schwergewichtige Wankmiller, ehemals Ehrenmitglied der Jungen Union, steht der Sekte als "Wolfgang Rudolf von Markworth-Walter zu F�ssen" vor. Zusammen mit 26 weiteren Personen bildet er den schweigenden Kern. Das Verm�gen f�r die Immobilien-K�ufe erwirtschaftet die Gruppe vor allem im Esoterik-Bereich. Egal, ob man im Internet die Zeitschrift Ganzheitlich Heilen
abonnieren m�chte, sich f�r die "Esoterik-Tage" interessiert, die von der Firma "proexpo" des Likatien-Vize Otto Piepenburg organisiert werden, oder Student bei der Heilpraktikerschule "Likamundi" werden m�chte, immer landet man in der F�ssener Drehergasse 12, dem Hauptsitz des Imperiums um den Mann, in dem die Boulevard-Presse einen "Sex-Guru" sieht.

Seit einem Jahr k�mmert sich der Neugablonzer EDV-Spezialist Robert Michael Schlittenbauer um Sektenaussteiger. Aus eigener Motivation, auf eigene Kosten. Eine Freundin hatte sich damals "aus den Klauen der Zeugen Jehovas" befreit und ihm ihre Probleme anvertraut. Schlittenbauer, der zuvor nie selbst mit Sekten in Ber�hrung gekommen war, gr�ndete eine Selbsthilfe-Gruppe, wurde so zum Ansprechpartner von
Aussteigern auch aus dem "Stamm der Likatier". Vor kurzem vertraute sich ihm eine Frau an, die erkl�rte, ihre T�chter seien unter den D�chern Wankmillers missbraucht worden. Bereits vor vier Jahren war der Clan wegen angeblicher Sex-Orgien, wegen vermuteten Kindesmissbrauchs und Drogenkonsums in die Schlagzeilen geraten. Doch fand sich keiner, der die Ger�chte zweifelsfrei best�tigen konnte. Zudem gelang es zwei
Anw�ltinnen aus dem Kreis der Gruppe, eine Vorladung minderj�hriger Zeugen des Stammes vor das Familiengericht zu verhindern. Da war auch das Jugendamt im Landratsamt Marktoberdorf und die Staatsanwaltschaft in Kempten machtlos. Nun findet am 22. Januar vor dem Sch�ffengericht in Kempten ein Prozess gegen ein Mitglied der Gruppe statt. Alfred L. soll sich in den H�usern der Likatier an einem sechs- und einem neunj�hrigen M�dchen der Frau vergangen haben, die sich Robert Michael Schlittenbauer
anvertraute. Nicht nur der Sektenexperte hofft, dass der Prozess weitere, den nachl�ssigen Umgang des Wankmiller-Clans mit seinen Kindern beweisende Fakten offenbart. Das Justizministerium hat den M�nchner Generalstaatsanwalt aufgefordert, �ber den Fortgang der Sache Bericht zu erstatten.

Inkarnation von Jesus und Kini

Vor eineinhalb Jahren war die genannte Frau mit ihren f�nf Kindern aus dem Ausland zur�ckgekehrt, nachdem ihre Ehe gescheitert war. Auf der Suche nach Arbeit stie� sie auf den Stamm, der sie als Kinderbetreuerin - ohne Bezahlung, aber mit freier Kost und Logie - aufnahm. "H�tte ich damals gewusst, dass ich in eine Sekte geraten war, deren F�hrer sich f�r eine Inkarnation von Jesus Christus, Albert Einstein und K�nig Ludwig h�lt und das Begattungsverhalten seiner Leute regelt", sagt sie heute, "dann h�tte ich mich nie dorthin begeben." Sie erz�hlt von Buben, die auf wehrlos am Boden liegende M�dchen eintreten. Sie sagt, dass ein 14-j�hriges M�dchen sich innerhalb der Gemeinschaft damit br�stet, bereits mit mehreren M�nnern ins Bett gegangen zu sein, und sie berichtet von dem vorbestraften P�derasten Alfred L., der sich in den H�usern der Likatier ihren T�chtern n�herte. "Am meisten entsetzte mich, dass die Leute um Wankmiller meinten, das sei doch alles gar nicht so schlimm. Sexualit�t geh�re ja zum Leben." Mit ihren Kindern verlie� die Frau nach wenigen Monaten die Zwangs-Familie wieder. Alfred L. sitzt
seit August in Untersuchungshaft. Jetzt muss die Staatsanwaltschaft in Kempten entscheiden, ob sich die Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs auch auf die Gruppe ausdehnen lassen. "Der Stamm wusste, dass L. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern bereits vorbestraft war", sagt die Mutter. Die Mitglieder h�tten ihn zu decken versucht, da nach ihrem Verst�ndnis vom "Leben im Einklang mit der Natur" auch Sex
mit Minderj�hrigen nichts Verwerfliches ist.

Die Aussagen lassen sich durch interne Listen der Likatier belegen, die der SZ vorliegen. Auf ihnen ist der erste Samenerguss eines Jungen ebenso erw�hnt, wie der Abtreibungstermin einer jungen Frau sowie zahlreiche weitere, in Geheimsprache verschl�sselte, sexuelle Details. Eine Frau, die innerhalb der Gruppe den Status der "Medusa" erreicht, m�sse Wankmiller auch sexuell gehorchen, berichten Aussteiger. Der Guru, der Vater von mehr als einem Dutzend Stammeskindern sein soll, bestimme, wer mit wem Kontakt haben darf. Viele Likatier wohnen in einem ehemaligen Zollhaus, das der Stamm in �sterreich gekauft hat. Eltern sollen teilweise von ihren Kinder getrennt worden sein, denn hier sollte der Nachwuchs urspr�nglich vom deutschen Schulzwang fern gehalten werden. Doch der Antrag auf Privatunterricht, den die Sektenmitglieder
bei den �sterreichischen Beh�rden stellten, hatte keinen Erfolg. Nun m�ssen die Kinder auf �sterreichische Schulen gehen.

"Wenn die Likatier ein Haus kaufen wollen, dann bekommen sie es auch",
sagt F�ssens B�rgermeister Paul Wengert. Zum einen sei gen�gend Geld vorhanden, zum anderen verf�gen Wankmiller und Co. �ber hervorragende Kontakte zur Au�enwelt: "Eine Stammesfrau arbeitet als Teilzeitmitarbeiterin in der Nachlassverwaltung des Amtsgerichts. Sie erf�hrt fr�h, wann es was zu erben gibt. Ich nehme an, dass die Gruppe
davon profitiert." Wengerts Appelle an die Gesch�ftsleute seiner Stadt, die Sekte nicht finanziell durch Anzeigen im Likatier-Monatsperiodikum F�ssener Heimatzeitung zu unterst�tzen, fruchten nicht. Auf 32 Seiten Januar-Ausgabe finden sich 70 gewerbliche Anzeigen. Wengert berichtet von Sekten-Kindern, die abends in der Altstadt umherirrten und erz�hlten: "Wir k�nnen nicht nach Hause, heute ist Begattungsabend." Es sei an der Zeit, den Kampf aufzunehmen.

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