SILVESTER I., Papst (original) (raw)

Band X (1995)Spalten 338-341 Autor: Gisela Schmitt

SILVESTER I., Bischof von Rom, konsekriert 31. Januar 314, + 31. Dezember 335 in Rom, Heiliger. - �ber sein Leben und Wirken ist nur wenig bekannt, es fehlt jeder schriftliche Nachla�. In der diokletianischen Verfolgung bew�hrte er sich allem Anschein nach, wenn auch nicht unumstritten (Augustinus, de unico baptismo 16.27,30; vgl. ferner Konzil zu Rom 378, Mansi, Coll. conc. III 627), als Confessor und wurde Nachfolger des Bisch. Miltiades. Sein Pontifikat f�llt vollst�ndig in die Regierungszeit des Kaisers Konstantin, die dem Christentum die Integration in den r�mischen Staat brachte, wobei S. keine tragende Rolle gespielt hat. Ganz offensichtlich lag die religionspolitische Initiative beim Kaiser. Den gro�en Kirchenstreitigkeiten, die in seiner Amtszeit ihren Anfang hatten, stand S. keineswegs fern. Nachdem sich bereits 313 die Synode zu Rom unter Leitung des Miltiades um eine Kl�rung der donatistischen Streitigkeiten in Nordafrika bem�ht hatte, berief der Kaiser zur erneuten Verhandlung die Synode zu Arles f�r den 1. August 314 ein. S. nahm an der Versammlung - nur wenige Monate nach Amtsantritt - nicht teil, sondern lie� sich durch zwei Presbyter und zwei Diakone (Mansi, Coll. conc. II 476) vertreten. M�glicherweise liegt hier der Beginn des sp�teren zeremoni�sen Grundsatzes, der r�mische Bischof solle die St�tte der Apostel nicht verlassen. Die Synode unterrichtete ihn von den Beschl�ssen, auch zum Ostertermin und zur H�retikertaufe, in einem besonderen Schreiben (Optatus von Mileve, App. 4), damit er sie bekanntgebe. Zum Konzil von Nik�a (325), dem er gleichfalls (Euseb vermutet Altersgr�nde, Vita Constantini III,7) fernblieb, entsandte er zwei seiner Presbyter; die Entscheidungen und die Glaubensformel hat er also nicht mitgestaltet. Von pers�nlichen Begegnungen mit Konstantin w�hrend der wenigen Romaufenthalte ist uns nichts �berliefert. In der Stadt f�rderte der Kaiser jedoch Bau und Ausstattung von Kirchen in au�erordentlichem Umfang. Als f�r die Zeit des S. gesichert d�rfte die Errichtung der Lateranbasilika mit dem Baptisterium und der Peterskirche im Vatikan gelten. �lter ist dagegen die ihm zugeschriebene Gr�ndung des von Papst Symmachus zu Anfang des 6. Jahrhunderts Silvester geweihten titulus Equitii (LibPont I, 170), der sp�teren Kirche S. Martino ai monti auf dem Esquilin. Vielleicht kn�pft seine dort seit dem 5. Jahrhundert bezeugte Verehrung an eine fr�here Priestert�tigkeit an. Bestattet wurde Silvester neben M�rtyrern in der Priscilla-Katakombe an der Via Salaria, die wohl seit dem 6. Jahrhundert seinen Namen trug. Die Grabst�tte (ohne inschriftliche Spuren) hat De Rossi 1890 ausgegraben. Seine �berreste wurden unter Papst Paul I. 762 nach S. Silvestro in Capite �berf�hrt. S. geh�rt (wie Martin von Tours) zu den ersten nicht als M�rtyrer, sondern als Confessores verehrten Heiligen. Zu gro�er historischer Bedeutung gelangte S. dagegen als Gestalt der Legende, die im Gefolge der Auseinandersetzungen um die Ausbildung des Papsttums in S. die Gegenfigur zum Kaiser schuf, indem sie ihn mit der Bekehrung Konstantins verband (nicht ohne zugleich Ersatz f�r seine Taufe durch den arianischen Bischof Euseb von Nikomedien zu finden): Der Kaiser habe als Heide zu Rom grausam die Christen verfolgt und sich, zur Strafe vom Aussatz befallen, nach einem Traumgesicht an den auf den Berg Soracte gefl�chteten Papst S. gewandt und Heilung erlangt, als er sich von S. taufen lie�. Zum Dank habe er das Christentum privilegiert, Kirchen gestiftet und den r�mischen Bischof zum Oberhaupt der Geistlichkeit bestimmt. Diese in den Actus Silvestri wohl am Ende des 4. Jahrhunderts in Rom niedergelegte Legende fand in lateinischen, griechischen und orientalischen Fassungen gro�e Verbreitung und ist sowohl in die Symmachianischen Apokryphen vom Ende des 5. Jahrhunderts (z.B. Constitutum Silvestri) als auch in den Liber Pontificalis eingegangen. Zu weitreichender Wirkung kam sie jedoch erst, nachdem sie in Rom im 8. Jahrhundert zur Abfassung des Constitutum Constantini als eines der in den Actus genannten Privilegien verwendet worden war. Darin �berl��t der Kaiser dem Papst S. die Stadt Rom und Hoheitsrechte �ber den Westen des Reiches, w�hrend er seine Herrschaft in den Osten verlegt. Diese angebliche Konstantinische Schenkung, deren G�ltigkeit und Echtheit immer wieder bestritten wurden, sollte w�hrend des gesamten Mittelalters der p�pstlichen Partei zur Durchsetzung ihrer weltlichen Machtanspr�che dienen und fortan das Bild Silvesters wie Konstantins pr�gen, bis sie im 15. Jahrhundert von Lorenzo Valla endg�ltig als F�lschung erwiesen wurde. In der bildlichen Kunst wird S. mit der Legende entnommenen Attributen und sie ausschm�ckenden Motiven dargestellt wie mit Buch und Tiara als vom Kaiser verliehenem Ehrenzeichen, mit dem wiederbelebten Stier und dem gebundenen Drachen, bei der Taufe Konstantins, bei der Beisetzung der Petrusreliquien und der Verehrung des von Helena, der Mutter des Kaisers, aufgefundenen Kreuzes.

Quellen: Boninus Mombritius, Sanctuarium seu Vitae Sanctorum, ND Parisiis 1910, II 508-531; LibPont I 170-201; Das Constitutum Constantini (Konstantinische Schenkung). Text, hrsg.v. Horst Fuhrmann, MGH Fontes iuris germanici antiqui X, Hannover 1968.

Lit.: Wilhelm Levison, Konstantinische Schenkung und Silvesterlegende, in: Miscellanea Francesco Ehrle II, Roma 1924 (Studi e Testi 38), 159-247 = in: ders., Aus rheinischer und fr�nkischer Fr�hzeit. Ausgew�hlte Aufs�tze, D�sseldorf 1948, 390-465; - Hans Ulrich Instinsky, Bischofsstuhl und Kaiserthron, M�nchen 1955, 83-102; - Eugen Ewig, Das Bild Constantins des Gro�en in den ersten Jahrhunderten des abendl�ndischen Mittelalters, HJ 75 (1956), 1-46 = Das byzantinische Herrscherbild, hrsg. v. Herbert Hunger, Darmstadt 1975 (WdF 341), 133-192 = Sp�tantikes und fr�nkisches Gallien I, Z�rich/M�nchen 1976, 72-113; - Innocenzo Mazzini: Lettera del Concilio di Arles (314) a Papa Silvestro tradita dal Codex Parisinus Latinus 1711, Vigiliae Christianae 27 (1973), 282-300; - R. J. Loenertz, Actus Sylvestri. Gen�se d'une l�gende, RHE 70 (1975), 426-439; - Klaus Martin Girardet, Konstantin d.Gr. und das Reichskonzil von Arles (314). Historisches Problem und methodologische Aspekte, in: Oecumenica et Patristica. Festschrift f�r Wilhelm Schneemelcher zum 75. Geburtstag, hrsg.v. Damaskinos Papandreou u.a., Stuttgart/Berlin/K�ln 1989, 151-174; - Wilhelm Pohlkamp, Textfassungen, literarische Formen und geschichtliche Funktionen der r�mischen Silvesterakten, Francia 19/1 (1992), 115-196; -Duchesne, LibPont I CIX-CXX; CXXXIII-CXL; - Hefele-Leclercq I/1 275-280; - Caspar I, 113-130; - Fliche-Martin III, 37-39, 46-47; - Seppelt I, 75-85; - DACL XI/2 (1932), 1961-1962; XIII/1 (1937), 1197-1198; XV/1(1950), 1455-1458 (H. Leclercq; H.-I. Marrou); - DThC XIV/2 (1941), 2068-2075 (E.Amann); - EC XI (1953), 596-597 (A. Amore); - RGG VI (1962), 35 (F. J�r�); - LThK IX (1964), 757-758 (H.U. Instinsky); - BS XI (1968), 1077-1082 (A. Amore; Cl. Mocchegiani Carpano); - LCHI VIII (1976), 353-358 (J. Traeger); - HRG II (1978), 1110-1115 (A. Erler); - TRE VIII (1981), 196-202 (H. Fuhrmann).

Gisela Schmitt

Letzte Änderung: 16.03.1999