Der politische Tod. Gefallenenbestattung und Epitaphios Logos im demokratischen Athen. Stuttgart: Steiner 2023 [Historia Suppl. 272] ISBN 978-3-515-13389-0 (original) (raw)

Egon Fla ig Politisches Vergessen Die Tyrannentöter -eine Deekerinnerung der athenischen Demokratie

Athenian Democracy framed a collective memory that reconciled hostile traditions and memories of a stasis. The art of forgetting political events was used in an exemplary way in order to celebrate the image of a homogeneous polis. Die französische Nation war schon mehr als fünf Jahre tief gespalten, als 1899 der Revisionsprozess in der Dreyfußaffäre begann. Am 9. September sprach das Kriegsgericht in Rennes Dreyfus zum zweitenmal schuldig. Über die aufgewühlte politische Landschaft zuckte wie ein Blitz der Tagesbefehl des Kriegsministers De Gallifet an die Armee der Republik, gegeben am 21. September: »L'incident est clos! ... Je vous demande et, s'il etait neces-saire, je vous ordonne d'oublier ce passe ...«'-»Der Vorfall ist abgeschlos-sen! ... Ich bitte Sie, und falls es nötig sein sollte, befehle ich Ihnen, diese Vergangenheit zu vergessen ...« Im Interesse der Einheit der Armee und des Vertrauens, das unabdingbar war, damit die Soldaten einer demokratischen Republik ihren Offizieren gehorchten, ordnete De Gallifet ein Vergessen an, ein Vergessen, von dem er glaubte, dass es heilsam war, um einen bedroh-ten-oder bereits verlorenen-Konsens zurückzugewinnen. Dies um den Preis ein Unrecht zu vergessen, das auch durch die Wiederholung seiner rechtlichen Bekräftigung um nichts gerechter geworden war. Hat nicht Chaim Yerushalmi vermutet, der Gegenbegriff zum Vergessen sei nicht das Erinnern, sondern die Gerechtigkeit? 2 Doch es ging ja um einen Konsens. Kriegsminister De Gallifet handelte zwar spektakulär, aber entlang einer strengen Logik. Er versuchte, das kultu-relle Gedächtnis der Armee und der französischen Nation mitzugestalten, in-dem er ein Vergessen befahl. An diesem Gedächtnis ist unentwegt zu arbei-ten, damit Gruppen funktionieren, Nationen zusammenhalten und Armeen gehorchen. Man darf nicht alles erinnern. De Gallifet setzte in die politische Tat um, was Ernest Renan in einem Vortrag an der Sorbonne 1882 feststellte: »L'oubli et je dirais meme 1' erreur historique, sont un facteur essentiel de la formation d' une nation.« 3 Aus der Feststellung ließe sich eine Maxime ma-1 Jean-Denis Bredin, L'Affaire, Paris 1985, S. 551.

Die Entstehung eines politischen Mythos in Athen. Von der Tyrannis zur Demokratie

Behemoth, 2010

The choice of the heroes Harmodius and Aristogeiton as the symbol of a founding myth-unencumbered by previous conflicts after the victory of Salamis in the Persian wars-represents the belief of the Athenians that tyranny was finally defeated. The Athenians declared Harmodius and Aristeigeiton as founders and ascribed them the merit of having introduced the new political order rather than Cleisthenes, the reformer, who had introduced it and who was, together with the Spartan king Cleomenes, largely responsible for the overthrow of tyranny some years before the Persian wars. After Salamis this phase was completed, the new founding fathers Harmodius and Aristogeiton were successfully established and with them the conflicts of previous decades were covered over, or in the strict sense of the word, rendered invisiblein the truest sense this is then one of the most spectacular examples of counterfactual history.

Dionysos und die griechische Tragödie. Politische und ‘metatheatralische’ Aspekte im Text, Tübingen: Gunter Narr 1991 (Classica Monacensia 1)

The book will appear in a new and revised English version at CHS with Harvard Press

Aus der Analyse der Frösche des Aristophanes (Kapitel 2) ist hervorgegangen, daß zumindest am Ende des fünften Jahrhunderts Dionysos als personifiziertes Symbol der Tragödie und der gesamten dramatischen Kunst gelten konnte. Für das damalige Publikum dürfte dies keine überwältigende Neuigkeit gewesen sein, sonst hätte der Dichter seine Handlung bestimmt nicht darauf aufgebaut. Denn die Agone wurden bekanntlich bereits seit Peisistratos im kultischen Rahmen des Dionysos Eleuthereus ausgerichtet. Aber auch in der Zeit davor waren Vorstufen des Theaters, vor allem Tanzrituale, die auf der auch als Orchestra dienenden Agora abgehalten wurden, in Athen an den älteren Dionysos Lenaios gebunden 1 .