Bunte (2020) Vernunfteinheit und Architektonik (original) (raw)

Minima Aesthetica - Banalität als Stragegische Subversion der Architektur

1997

Die europaische Gegenwartsarchitektur, die sich exemplarisch etwa in Arbeiten von Herzog & deMeuron, Adolf Krischanitz oder Rem Kohlhaas manifestiert, verbindet eine Beziehung zum Gewohnlichen, Alltaglichen, Banalen. Diese Beziehung ist unklar und problematisch, da ublicherweise Architektur auf der einen Seite und Banalitat auf der anderen Seite einander ausschliessende Begriffspaare bezeichnen. Diese Hinwendung der Architektur zum Gewohnlichen entwickelt sich historisch als ein Modell, welches Gewohnlichkeit als ethisches Prinzip etabliert, das unabdingbar mit der Entwicklung der Kultur verbunden ist. Besonders im zwanzigsten Jahrhundert werden solcherart einflusreiche Alternativen zu einer Architektur des Besten, Grosten und Schonsten vorgestellt. Der Regelfall fur die Beurteilung der Beziehungen zwischen Architektur und Banalitat ist allerdings die Kritik der Banalitat. Hier gibt es zwei hauptsachliche Kritikmuster, namlich die Kritik von Banalitat als Bedeutungslosigkeit und die...

Weiße Obszönität und verwischte Farblinien in Anta Helena Reckes „Mittelreich“

Vortrag an der ZHdK im Rahmen der [OBSCENE] Dramaturgie als Praxen des (Un)Sichtbarmachens (14.9.2019) Die wegweisende Inszenierung Mittelreich, die Anta Helena Recke 2017 in Form einer kulturellen Appropriation unter umgekehrten Vorzeichen und quer zu Homi K. Bhabhas Verständnis kolonialer Mimikry an den Münchner Kammerspielen produziert hat, indem sie die durchweg weiße Besetzung der Vorlage durch schwarze Schauspielerinnen und Schauspieler ersetzte, ist das minutiös nachgestellte Reenactment eines dem vorangegangenen Stücks von Anna-Sophie Mahler aus dem Jahre 2015, das wiederum auf den gleichnamigen Roman von Josef Bierbichler von 2011 rekurriert. Bierbichlers Roman ist eine mehrere Generationen umfassende tragikomische bayrische Saga über die Familie des sogenannten Seewirts, der uns eben erklärt hat, was es mit Privilegien auf sich hat. Die Erzählung erstreckt sich über den Zeitraum von 1914 bis 1984, reicht weit über Bayern hinaus und stellt eine geradezu ethnographische Studie über den europäischen Menschen nicht nur des 20. Jahrhunderts dar. Die Kolonialität der Mentalität, aus der dieser Mensch entspringt und die im Roman mitschwingt, bei Mahler implizit bleibt und die Recke explizit macht, fasst der Sohn des Seewirts zusammen, wenn er während einer Tierschlachtung laienhaft philosophiert: "Fressen und gefressen werden! Wer wagt es, darüber zu richten? Leben und leben lassen! Wer ist dumm genug, daran zu glauben? Wer leben will, muss töten. Wer es nicht tut, geht ein." 1 Indem Recke Mahlers Theateradaption von Bierbichlers Roman, in den Worten ihres Dramaturgen Julian Warner, ‚schwarz-kopiert' und hierfür auch dasselbe Bühnenbild und die dieselben Kostüme verwendet, eröffnet sie in mehrerlei Hinsicht neue Lesbarkeiten und Horizonte. An ‚poststrukturalistischer' Theorie geschult, beschreibt Bhabha koloniale Mimikry in ambivalenter Weise als Metonymie von Präsenz, die ich im Rahmen meines Vortrags als Selbstpräsenz der weißen Subjektform verstehen will, die deshalb obszön ist, weil sie andere Menschen von ihrem Schauplatz ausschließt und sie unter Umständen sogar wortwörtlich in den Schmutz zieht (ob scenum), anstatt sie als Mitmenschen anzuerkennen. Bhabha zufolge versuchen Kolonisatoren, sich auf obszöne Weise eine Alterität anzueignen, die sie selbst zuallererst den solcherart Kolonisierten zuschreiben, indem sie sie entsprechend markieren. Die Appropriation geanderter Menschen führt dazu, dass die scheinbar mit sich identische 1 Josef Bierbichler, Mittelreich, Berlin: Suhrkamp, 2016, S. 426.

Die Potenz der Architektur

The premise of any society: There is no human community without an artificially designed environment. It is the built environment – together with designed artefacts – that provides cultural evolution with the cross-generational, material substrate it needs and by means of which an advantageous social order can persist and acumulate, and in this respect is comparable to the DNA of biological evolution. Human settlements form and accumulate ever larger and more differentiated spatio-material structures, as the skeleton for social structures, as it were, that without this substrate would not have managed to attain such a scale, which is indeed unnatural for primates. Moreover, the level of cooperation so important for the human productive abilities would not otherwise have emerged, been replicated and advanced.

Erratische Blöcke: Stifters Bunte Steine

Sêma: Wendepunkte der Philologie, 2013

Die schweigsame, steinerne Dauer, die Stifters Granit zu verkörpern scheint, beginnt bei genauem Lesen – zwischen den verschiedenen Fassungen des Textes, aber auch in der Bildlichkeit des Steins selbst – zu bröckeln: Als könne sich auch der härteste Stein nicht einem Bedeuten entziehen, das ihn mit feinen Rissen durchzieht, nicht um artikulierte Zeichen, sondern um Schutt, Schotter und Er- schütterungen zu produzieren.

Lopodunum in Farbe: Bemerkungen zur Architekturpolychromie in den Nordwestprovinzen

A. Binsfeld – A. Klöckner – G. Kremer – M. Reuter – M. Scholz (Hrsg.), Stadt – Land – Fluss. Grabdenkmäler der Treverer in lokaler und überregionaler Perspektive. Akten der Internationalen Konferenz Neumagen und Trier 2018, TrZ Beih. Trier 2020, 187–195, 2020

The article at hand introduces two Roman capitals of variegated sandstone, which were discovered in Ladenburg, the antique Lopodunum, 150 years ago and are located in Mannheim today. Both fragments feature an abacus decorated with an egg-and-dart and, extraordinarily, have preserved remains of their former paint. Those areas located deeper within the relief are red; those located higher are painted yellow. After a short overview of the few further architectural elements with traces of their former polychromy deriving from the region, the question will be raised which aesthetic and semantic concepts might have been connected to the colouring of Roman architecture north of the Alps. Thereby, an especially important role has apparently been played by strategies of material imitation, whose extensive examination provides subsequent perspectives of research for the north-western provinces in particular.