Grundsatz der Autonomie: ein Heiliger Gral? (original) (raw)
2018, Schweizerische Ärztezeitung
Doktor der Rechtswissenschaften, Professor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Genf; b Arzt, Chefredaktor der «Revue Médicale Suisse», ehemaliges Mitglied der nationalen Ethikkommission in der Humanmedizin Die Schweiz ist bekannt für ihre liberalen Regelungen zur Suizidbeihilfe. Artikel 115 des Strafgesetzbuches bestraft Verleitung oder Beihilfe zum Suizid nur insoweit, als der Täter aus selbstsüchtigen Beweggründen handelt. Es ist zudem allgemein anerkannt, dass durch Organisationen erbrachte medizinische Beihilfe zum Suizid, nicht aus entsprechenden selbstsüchtigen Beweggründen erfolgt, auch wenn damit unweigerlich finanzielle Aspekte einhergehen. Aufgrund des beschränkten, wenn nicht sogar lückenhaften Charakters der aktuellen schweizerischen Rechtsvorschriften sind sogar Handlungen, von denen man annehmen kann, dass unsere Gesellschaft sie nicht akzeptiert, nicht strafrechtlich relevant. So würde der hypothetische Fall, wenn jemand einem urteilsfähigen 17-jährigen Mädchen medizinische Suizidbeihilfe leisten würde, weil es seinem Leben wegen Liebeskummer ein Ende setzen möchte, wahrscheinlich auf Kritik stos sen. Deshalb werden die strafrechtlichen Regelungen seit langem durch die ärztliche Standesordnung ergänzt. Allein Ärztinnen und Ärzte sind beruflich befugt, Pentobarbital-Natrium zu verschreiben, ein Produkt, das bei der medizinischen Suizidbeihilfe eingesetzt wird. Wie vom Bundesgericht bestätigt, 1 weist das Verschreibungsmonopol des Arztes den Regeln der medizinischen Standesordnung, die bei der medizinischen Suizidbeihilfe zum Tragen kommen, eine entscheidende Rolle zu. 1 BGE 133 I 58.