Falsche Vulgarisierung liberaler Freiheit (original) (raw)

DER »LIBERALISMUS DER FURCHT

Auf den ersten Blick scheint Judith N. Shklars Verständnis von Liberalismus minimalistisch konzipiert zu sein. Die Indizien sind nicht leicht von der Hand zu weisen: Sowohl in ihrem Buch »Ordinary Vices« als auch in ihrem Essay »Liberalismus der Furcht« argumentiert sie, dass es jeder modernen Konzep-tion von Liberalismus, die einen Anspruch auf Realismus erhebe, darum ge-hen müsse, Grausamkeit als summum malum, d. h. als größtes Übel, zu ver-hindern. Die Erfahrungen von Gewalt und Grausamkeit im 20. Jahrhundert bilden offenkundig den historischen Hintergrund von Shklars Argumentation. Gilt es, Grausamkeit und Furcht zu vermeiden oder zu verhindern, dann er-gibt sich daraus eine Hierarchie von Lastern oder Sünden. Shklars Buch »Über Ungerechtigkeit« kann man als Kritik an John Rawls' »Theorie der Gerechtigkeit« verstehen. 1 Es lässt sich aber auch als ein Gegenentwurf lesen; denn für Shklar ist Ungerechtigkeit nicht nur die reine Negation oder Abwesenheit von Gerechtigkeit. Sich allein auf das Recht und Vorstellungen von Gerechtigkeit zu stützen, um Ungerechtig-keit zu vermeiden oder ihr irgendwie beizukommen, sei Shklar zufolge ver-messen und erschwere, das umfassendere Problem zu diskutieren, nämlich: Welche weiteren Facetten und Dimensionen Ungerechtigkeit anzunehmen in der Lage ist. Viele Interpreten nehmen Shklar nur im Kontext von Rawls wahr. 2 Was dabei jedoch ausgeblendet wird, ist die detailliertere Diskussion der Rolle, die Ungerechtigkeit in Shklars eigenem Werk spielt. »Über Ungerechtigkeit«

Kritik des liberalen Friedens

Das übergangene Wissen, 2017

Der interventionistische liberale Staats-und Friedensaufbau ist seit den 1990er Jahren der Standardansatz für Frieden in der Internationalen Politik: "The liberal peace is the foil by which the world is now judged" (Richmond 2008b: 449). Diese Folie bildet den Hintergrund, vor dem hier die Präsentation der vier afghanischen Basisorganisationen geschieht. Die Empfänger*innen des liberalen Friedensaufbaus erhalten diesen als "Geschenk", nicht als Ergebnis einer selbstbestimmten Entscheidung oder Aushandlung. Angesichts der Auswahl der vier Organisationen als diejenigen, die einen Frieden anstreben, der nicht übereinstimmt mit dem existierenden, extern gesteuerten Peacebuilding-Programm, ist von einer Spannung zwischen deren Analysen und Zielen und der Theorie des liberalen Friedens bzw. davon abgeleiteten Programmen auszugehen. Wenn wir die Spannung zwischen lokalem und globalem Wissen begreifen, schreibt Mona Singer, können Ideen und Praktiken entwickelt werden für die Umverteilung von Wissensmacht (vgl. Singer 2005: 241). Auch Christine Löw schlägt eine solche kontrastierende Vorgehensweise vor, die sie als feministischpostkoloniale Praxis begreift (vgl. Löw 2009). Mit dieser Kontrastierung wird die epistemische Gewalt der Theorie des demokratischen/liberalen Friedens beleuchtet. Das Ziel einer solchen dekolonialen Strategie sieht Sandra Halperin darin, dass der dominante Mythos nicht weiter beibehalten werden kann (vgl. Halperin 2006). Eine kurze Darstellung der Theorie des liberalen/demokratischen Friedens in ihrer Bedeutung für militärische und nicht-militärische Interventionen und für Konzepte für Friedens-/Staatsaufbau steht hier vor den Analysen, Aktivitäten, Problemen und Zukunftsvisionen der vier afghanischen basispolitischen Organisationen, um die bestehende Spannung zwischen diesen dermaßen unterschiedlichen Erzählungen beim Lesen präsenter und nachvollziehbarer zu machen. Im abschließenden Kapitel werde ich diese Spannungen anhand einiger Aspekte des liberalen Peacebuilding in Afghanistan herausarbeiten.

Freiheit heute: Artikulation des politischen Selbst

2018

Der Idee der Freiheit kommt ein zentraler Platz in der politischen Theorie und Philosophie zu. Zumeist wird dabei die Gegenuberstellung von Freiheit und Gleichheit in Anschlag gebracht. Ohne dieses Spannungsverhaltnis zu gestalten, ohne zu verhindern, dass es in eine lahmende Aporie fuhrt, scheint die Stabilitat demokratischer Gesellschaften nicht denkbar. Die Freiheit des Einzelnen ist dabei ebenso wichtig wie das friedliche Zusammenleben in der Gemeinschaft unter Gleichen.

Mut zur Skepsis. Judith Shklar über Rechte im liberalen politischen Denken. Review of Judith Shklar, Der Liberalismus der Rechte, übersetzt und eingeleitet von Hannes Bajohr, in: Theorieblog 11.10.2017.

11. Oktober 2017, Trimcev Lesenotiz zu Judith Shklar, Der Liberalismus der Rechte, übersetzt und eingeleitet von Hannes Bajohr, Matthes & Seitz 2017. Judith Shklar ist dem deutschsprachigen Lesepublikum vor allem für ihren Liberalismus der Furcht bekannt; bisher lagen auf Deutsch mit einem gleichnamigen Band, mit Ganz normale Laster und mit Über Ungerechtigkeit lediglich Texte aus dieser Phase von Shklars facettenreichem Werk vor. Mit dem nun erschienen Büchlein Der Liberalismus der Rechte schaffen Hannes Bajohr als Übersetzer und der Berliner Verlag Matthes & Seitz Aufmerksamkeit dafür, dass es in Shklars politischer Theorie auch darüber hinaus viel zu entdecken gibt. Der rote Faden, der sich durch die zwischen 1983 und 1992 geschriebenen, alle erstmals auf Deutsch und in einem Falle überhaupt erstmals aus dem Nachlass publizierten Texte zieht, ist der Zusammenhang zwischen liberalem Denken und Rechten. Der Liberalismus der Rechte, der das lavendelfarbene Cover ziert, ist allerdings, um es gleich vorwegzunehmen, nur eine, wenngleich zentrale Spielart dieses Verhältnisses, das sich für Shklar nur dann richtig analysieren lässt, wenn man liberales politisches Denken in größere ideologiegeschichtliche Zusammenhänge einordnet. Bisherige Besprechungen (z.B. hier und hier und hier) haben den Band vor allem als Teil von Shklars später Werkphase zum amerikanischen politischen Denken gelesen. Hannes Bajohrs Auswahl, die tatsächlich Pfade in ganz unterschiedliche Werkphasen zu schlagen vermag, zeigt aber auch das größere, gleichsam politikwissenschaftliche und ideengeschichtliche Programm auf, für das Shklar über den Liberalismus der Furcht hinaus steht. Vier Liberalismen Der Leser steigt mit einem Aufsatz aus dem Jahre 1992 ein, der wie eine Klammer die Themen der folgenden Texte umfasst. In dem Text über Rechte in der liberalen Tradition, aus Anlass des 200-jährigen Jubiläums der Bill of Rights verfasst, unterscheidet Shklar vier unterschiedliche Liberalismen mit Blick auf ihr theorieblog.de » Mut zur Skepsis. Judith Shklar über Rechte im liberal.

Freiheit statt Kapitalismus. Zur aktuellen Dialektik des Liberalismus.

In: »Weltklasse« – LuXemburg Online-Sonderausgabe 2017 , 2017

Wenn der Liberalismus daher Teil jenes Problems ist, das er ursprünglich selbst zu überwinden suchte, dann lässt sich auf ihn vielleicht ein ähnliches Schema anwenden, wie es Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in ihrer Studie zur »Dialektik der Aufklärung« entwickelt haben. Denn wie die Aufklärung beginnt auch der Liberalismus als eine Emanzipationsbewegung, die das Hindernis, wogegen sie aufbegehrt, implizit ständig aufs Neue und in immer raffinierterer Form reproduziert. Ebenso wie der Mythos in der rationalistischen Aufklärung kehren auch im bürgerlichen Liberalismus Unfreiheit und Ungleichheit ständig wieder zurück. Enthält daher auch der Liberalismus gar eine implizite Tendenz zum Totalitarismus, wie sie Adorno und Horkheimer in der rationalistischen Aufklärung entdeckten? Neben dieser scheinbar paradoxen Frage, soll in der Folge darüber nachgedacht werden, wie linke Politik, die sich traditionell als Erbe der vom Bürgertum verratenen Aufklärung verstand, unter den aktuellen Bedingungen des 21. Jahrhunderts mit dieser Dialektik des Liberalismus umgehen soll.

mißverstandene politische Freiheit

2017

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