Was ist eigentlich Musik verstehen (original) (raw)

Wenn Musik Wissen schafft

Musiktheorie 24/4, 295-311., 2009

Musikwissenschaft ist eine Disziplin, die sich das Schaffen von Wissen über Musik zum Ziel gesetzt hat. Diese Tautologie erscheint weniger selbstverständlich, wenn man näher ins Detail geht und sich darüber klar wird, dass bestimmte Arten von Wissen über Musik -ebenso wie bestimmte Methoden der Wissensschöpfung -häufig bevorzugt werden oder aber auch gelegentlich miteinander im Wettstreit stehen. Wie und warum schafft also Musikwissenschaft Wissen über Musik? Der interne Diskurs zum musikwissenschaftlichen Selbstverständnis konzentriert sich in Deutschland seit längerem auf zwei Bereiche: zum einen auf die Wechselbeziehung von Musikethnologie sowie Systematischer und Historischer Musikwissenschaft, zum anderen innerhalb der Historischen Musikwissenschaft auf die Anstöße, die auf die mit der »New Musicology« oder »Critical Musicology« verbundenen neuen Methoden und Anschauungen zurückgehen. Vor allem im Diskurs zwischen den Teildisziplinen steht häufig der unterschiedliche Forschungsgegenstand im Mittelpunkt: Während Historische Musikwissenschaft sich ausschließlich mit Kunstmusik befasst, widmet sich die Musikethnologie weitgehend der traditionellen Musik. Systematische Musikwissenschaft hat keinen derart eindeutig bestimmbaren Forschungsgegenstand, doch wird ihr im Allgemeinen die Popularmusikforschung zugeschlagen, so dass sich die klassische Dreiteilung der musikalischen Forschungsfelder in der Dreiteilung der Disziplin widerspiegelt. Es ist jedoch die Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern der mit der »Critical Musicology« verbundenen Methoden und Konzepte, die im Mittelpunkt dieses Artikels stehen sollen. Der Kampfplatz Jüngere, besonders mit der »Critical Musicology« verbundene Forschungsrichtungen finden in der jüngeren Literatur sowohl Anhänger als auch Kritiker. Dabei werden sie durchaus auch recht pauschal ignoriert oder ablehnend bewertet, so etwa in dem 2007 erschienenen Band Musikwissenschaft. Eine Positionsbestimmung. Darin beklagt etwa Laurenz Lütteken einen die Disziplin vielfach beherrschenden »wohlfeilen Markt wissenschaftlicher Beliebigkeiten«, den er besonders mit Intermedialität, Cultural Studies, Klangwissenschaft und Gender Studies in Verbindung bringt. 1 Hans-Joachim Hinrichsen warnt hingegen vor einem »Wechsel der Themen, der Methoden und der Gegenstände«, »der Faszination durch intellektuelle Moden« und »hektischer Betriebsamkeit«, welche allesamt vor-1 Laurenz Lütteken, »Und was ist denn Musik? Von der Notwendigkeit einer marginalen Wissenschaft«, in: Laurenz Lütteken (Hg), Musikwissenschaft. Eine Positionsbestimmung, Kassel u.a. 2007, S. 40-66.

Musik als ungesättigte Deutung

Psyche, 2010

" Zusammenfassung: Die Autorin referiert zwei Arbeiten von Maria Becker und Johannes Picht über Psychoanalyse und Musik und zeigt, wie beide darin korrespondieren, dass sie die jeweils analysierten Werke als affektiven Kommentar zur erzwungenen/scheiternden »Einheit des Subjekts« auffassen. Beide Arbeiten gründen auf einem impliziten Verständnis der analysierten Werke als »ungesättigter Deutung«. Die Werke regen nicht nur eine affektive Beteiligung in der Hörerschaft an, sondern sie kommentieren darüber hinaus kritisch das, was sie zugleich musikalisch präsentieren. Die Autorin schlägt vor, musikalische Werke der klassischen Tradition grundsätzlich auf diese Weise aufzufassen. Um diese These zu erläutern, führt sie zwei klinische Beispiele von »ungesättigter Deutung« an und vergleicht die Situation mit derjenigen der musikalischen Rezeption. In beiden Situationen sei präsentative Symbolik am Werk. Mit Hilfe der Analyse eines Kinderliedes wird sodann gezeigt, wie hier altersspezifische Konflikte präsentativ symbolisiert werden. In der Kindheit diene Musik der Affirmation von Einheit und Autonomie des Subjekts. Dabei wird das klassische Idiom angeeignet, quasi als Gesetz der künstlerischen Musikproduktion. Das Idiom steht für den zwanghaften Charakter der frühen sozialisatorischen Prozesse und für das Leiden daran. Indem in Kompositionen diese Strukturen modifiziert, fragmentiert, in ihrer Gesetzmäßigkeit aufgehoben werden, kann der Charakter »ungesättigter Interpretationen« in klassischer Musik entstehen. "

Gedanken über die Tiefendimension der Musik

Liber amicorum, Gespräche über Musik, Literatur und Kunst, Hommage an Karl Anton Rickenbacher, hrg. von Michael Schwalb, , 2012

Musik ist für viele eine ätherische, immaterielle Kunst, die im Gegensatz zur Sprache keine verbal deutbare Bedeutung besitzt. Von keinem geringeren als Victor Hugo stammt das Aperçu: »Das Reich der Musik beginnt da, wo das Reich der Worte aufhört«. In Erweiterung dieser Auffassung vertrete ich die Ansicht, dass die Musik eine humane Kunst ist, die über eine emotionale und oft über eine bedeutsame geistige Dimension verfügt. Unter allen Künsten vermag sie die stärksten Emotionen auszulösen. Seit jeher gilt sie deshalb als Sprache des Herzens, der Affekte, der Empfindungen, der Gefühle. Für Robert Schumann war sie »Seelensprache« und für Hegel »Kunst der Innerlichkeit«.

Was Musik bedeuten kann. Hat Musik eine Tiefendimension?

Ohne Frage kann man Musik hören, um sie zu geniessen. Wer aber Näheres über die persönlichkeit eines Komponisten, über die Entstehungsgeschichte oder die Struktur eines Werkes und vor allem über die Intentionen des Autos weiss, hat mehr. Nur ihm ist ein tiefres verstehen der musik beschieden, denn grosse Musik hat stets eine emotionale und geistige Tiefendimension. Date: MUT Verlag, Issue Juni 2015, p. 60-70

Didaktische Interpretation von Musik

in: Musikdidaktische Konzeptionen. Ein Studienbuch, hg. v. Andreas Lehmann-Wermser, Augsburg (Wißner) 2015

Die sog. "Didaktische Interpretation von Musik" gilt vielen als die einzig noch immer beachtenswerte Version eines grundsätzlich "kunstwerkorientierten" Musikdidaktik. Ihre Entstehung reicht weit in die jüngere Geschichte der Musikdidaktik zurück. Im Jahre 1971 legte der Detmolder Musikpädagoge Karl Heinrich Ehrenforth die kleine Schrift Verstehen und Auslegen. Die hermeneutischen Grundlagen einer Lehre von der didaktischen Interpretation von Musik vor, die seitdem als Grundschrift der "Didaktischen Interpretation von Musik" fungiert. 1976 folgte dann mit Christoph Richters Theorie und Praxis der didaktischen Interpretation von Musik eine gewichtige Erweiterung und Konkretisierung dieses Konzeptes. Bis heute haben beide Autoren in einer Vielzahl von Publikationen diverse Modifikationen ihres Grundansatzes vorgenommen, denen an dieser Stelle nicht in aller Ausführlichkeit nachgegangen werden kann. Stattdessen soll im folgenden Text primär der eigentlich musikdidaktische Gehalt der didaktischen Interpretation als einer Theorie des Musikunterrichts thematisiert werden.

Damit wir uns richtig verstehen. Zur Analyse des Begriffs von ‚Musikkultur‘

2022

In this paper, I will explain how analytic philosophy can contribute to answering the question of what we mean by 'music culture'. I am going to outline the basic features of analytic philosophy and analyze a concept of 'music culture'. Finally, I'll discuss the resulting definition in the context of different deinitions of 'culture'.

Musik als Aussprechen des Unaussprechlichen?

Kann man heute überhaupt über die Musik so radikal metaphysisch denken wie das Arthur Schopenhauer an der vorigen Jahrhundertwende schon konnte, als er den kühnen Gedanken schrieb, daß "die Musik … auch wenn die Welt gar nicht wäre, doch bestehen könnte"? 2 Denn dieser feurige, in die Weisheit verliebte Mann hat in seiner Philosophie nicht nur den Glauben an die völlige Unabhängigkeit der Musik von der erscheinenden Welt bezeugt, insofern sie Zeit und Raum transzendiert, sondern auch die weitreichende Einsicht, daß die Musik die Ideen selbst übergeht, insofern sie die Wahrheit unmittelbar abbildet. Für ihn gilt auch, daß die Musik "in einer höchst allgemeinen Sprache das innere Wesen, das Ansich der Welt … ausspricht," 3 das er unter dem Begriff des allesbeherrschenden Willens denkt. Deswegen ist für ihn als einen entfernten Schüler Platons, trotz seiner eigenartigen Auffassung Platonischen Ideen als unmittelbare Objektivationen des mysteriösen absoluten Willens, nach denen sich immer wieder die sichtbare Welt verwirklicht, "die Wirkung der Musik so sehr viel mächtiger und eindringlicher, als die anderen Künste: denn diese reden nur vom Schatten, sie aber vom Wesen." 4 Obwohl dem heutigen Musikwissenschaftler inmitten des Haufens mehr oder weniger einfallsreicher Essays und detailierter Analysen solche Gedanken wahrscheinlich schon auf den ersten Blick fremd und ungewöhnlich klingen, gilt es, sich angesichts ihrer radikalen ontologischen Hingabe doch zu fragen: Wie ist es mit der Musik und ihrem Verhältnis zur Welt? Woher empfängt Musik als solche überhaupt ihr Dasein? Wie kann Musik " das innere Wesen der Welt aussprechen " ? Kann Musik überhaupt was aussprechen? Befinden wir uns nicht auch selbst bei solchen Fragen an der Grenze des Unaussprechlichen? Und was schließlich gibt dem geheimnisvollen Aussprechen der Musik seinen Sinn, wovon der ungewöhnliche Philosoph aus Danzig spricht? Nur der blinde, in sich verflechtende Wille selbst? Allesbeherrschendes Wollen als letzter Grund der Welt? Versteckt sich dahinten aber völlig unerwartet etwas ganz anderes, schicksalhafteres und unbegreifbar andersartiges? Etwas, was wir uns erhoffen, obwohl es unaussprechlich und unvertonbar ist? Etwas, in was wir hoffen können und an was wir glauben gerade deswegen, weil es für jedes Denken unerreichbar und unverfügbar ist? Etwas, was tausenderlei von Stimmen in ein einziges Echo in der kontemplativen Stille des Mystikers entführten Herzens verschmelzen kann? Damit wir uns auch selbst in solche und ähnliche Fragen nach dem Vorbild Schopenhauers vertiefen können und geistesfrei der Musik als geheimnisvollem Aussprechen des Unaussprechlichen aufhorchen bzw.

Philosophie der Musik

Introductory paper in: Enzyklopädie Philosophie, ed. by Hans Jörg Sandkühler, Hamburg 2010

Warum der Mensch Musik liebt

2014

Musikalitat ist eine Grundeigenschaft des Homo sapiens. War diese Fahigkeit zur musischen Leidenschaft gar ein Uberlebensvorteil wahrend der Evolution? Erkenntnisse aus der neuropsychologischen Entzauberung der Musik aus der Feder von Lars Rogenmoser.