„Bei der Gewaltkriminalität junger Menschen helfen nur härtere Strafen!“ – Fakten und Mythen in der gegenwärtigen Jugendkriminalpolitik (original) (raw)
Related papers
2010
Zusammenfassung: The paper gives an introduction into current knowledge about structure and development of juvenile crime in Germany-Data resources, criminological access and limits to interpretation Effects of changes in reporting, trends in procedural practices and diversion are discussed on the background of findings about dark figure and registered crime. Following the structure of juvenile crime, special regard is given to crimes of violence and crimes against property. Related aspects hereto as age, gender, nationality, repeated ...
"Zur abschreckenden Wirkung von Strafe. Eine Untersuchung der Sanktionswirkung auf junge Straftäter"
Veränderungen am JGG mit dem "Gesetz zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten" vorgenommen, welches am 7. März 2013 in Kraft trat. Mit diesem Gesetz wurde gegen alle Bedenken der Warnschussarrest eingeführt und das Höchstmaß der Jugendstrafe auf 15 Jahre im Falle eines Mordes erhöht. Jugendrichter wie Kirsten Heisig ("Das Ende der Geduld") oder Andreas Müller ("Schluss mit der Sozialromantik!") fordern zum Teil noch drastischeres Vorgehen gegen junge Straftäter. Und so hat es sich die große Koalition zur Aufgabe gemacht, das Jugendstrafverfahren, neben dem allgemeinen Strafverfahren, effektiver und praxistauglicher zu gestalten. Bis zur Mitte der Wahlperiode soll dazu eine Expertenkommission Vorschläge erarbeiten. Bereits beschlossen ist die Vornahme, das Fahrverbot als eigenständige Maßnahme im Erwachsenen-und Jugendstrafrecht einzuführen, um eine Alternative für Personen zu schaffen, für die eine Geldstrafe "kein fühlbares Übel" darstellt, so der Koalitionsvertrag (S. 146). Die Politik stellt hohe Erwartungen an strafrechtliche Sanktionen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob sich diese Wirksamkeit überhaupt empirisch belegen lässt. Theoretischer und Empirischer Hintergrund 7 2 Theoretischer und Empirischer Hintergrund Um in das Thema einzuführen, sollen zunächst einige allgemeine Überlegungen unterschiedlicher Professionen zur Bestrafung vorgestellt werden. Die juristischen Theorien (Kapitel 2.1) wenden sich dabei eher der philosophischen Frage zu, ob Strafen einen Zweck haben müssen und wenn ja, welcher sich ethisch rechtfertigen lässt. Das Kapitel 2.2 wendet sich dann den psychologischen Theorien des Lernens zu, denn auch hier hat die Strafe eine zentrale Bedeutung. Im Mittelpunkt dieser Ausführungen steht vorallem die Frage nach der Wirksamkeit von Strafen. Abschließend werden verschiedene Theorien aus der Kriminologie vorgestellt (Kapitel 2.3).
Dollinger/Schmidt-Semisch (Hrsg.): Handbuch Jugendkriminalität. Interdisziplinäre Perspektiven, 2018
In einem Überblicksbeitrag ist es schwerlich möglich, alle Forschungsbefunde im Detail darzulegen und zu diskutieren. Wir gehen deshalb wie folgt vor: Zunächst kennzeichnen wir für den Jugendstrafvollzug maßgebliche Entwicklungen der letzten Jahre (1.), um auf dieser Grundlage besonders relevante Fragen und damit zusammenhängende Arbeiten einzuordnen. Dabei behandeln wir schwerpunktmäßig die Problembereiche Gewalt und Disziplinierung (2.) sowie Ausbildung und Arbeit, auch unter dem Aspekt der Desistance (3.), bevor wir zum Schluss einen Ausblick geben.
Gewaltopfer im Jugendstrafvollzug – Zu Viktimisierungs- und Tätererfahrungen junger Strafgefangener
2013
Der Beitrag stellt erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts vor, über das bereits in Heft 2/2011 (S. 133-146) berichtet wurde. Im Jugendstrafvollzug ist danach die Zahl der Gefangenen, die angeben, selbst Gewalt gegen andere Gefangene ausgeübt bzw. solche Gewalt erlitten zu haben, beträchtlich. Dabei überschneiden sich die Gruppen von Tätern und Opfern weitgehend. Bloße Täter bzw. Opfer stellen eine Minderheit dar. Die verschiedenen Gruppen sind durch Einstellungsunterschiede gekennzeichnet. Stark ausgeprägt ist die Gewaltakzeptanz u.a. in der Gruppe der Täter/Opfer; dort finden sich auch vermehrt negative Einstellungen gegenüber Opfern. Im Längsschnitt zeigt sich, dass unter den Gruppen Fluktuation herrscht und die Gefangenen nicht selten in eine Gruppe mit starker Gewaltausübung wechseln. Die Ergebnisse sprechen für einen Prozess der Anpassung an die Gefangenensubkultur und ihre gewaltlegitimierenden Normen. Interventions- und Präventionsmaßnahmen müssen berüksichtigen, dass die meisten Gefangenen Täter und Opfer von Gewalt sind.
Der Aufsatz diskutiert das schwierige Verhältnis von Strafen, Erziehen und Kooperieren im Jugendstrafverfahren. Er setzt sich dabei mit zwangsorientierten Interventionen der Professionen aus Justiz, der Polizei und der Sozialen Arbeit auseinander. Das Hilfe-und Kontrollmandat der Sozialen Arbeit wird dabei ebenso in den Blick genommen wie der neue euphemistische Sprachgebrauch der "pädagogisch begründeten "Konsequenzen" 1 , der scheinbar Assoziationen zu Kontrolle, Macht und "schwarzer Pädagogik" 2 vermeiden soll. Schließlich soll der von Zoe Clark in den Diskurs eingeführte Begriff des Verzeihens näher betrachtet werden. Clark befasst sich mit dem schwierigen Verhältnis des Strafens in verzeihenden Care-Beziehungen in der Heimerziehung. 3 In ihrem Beitrag werden strafende Zugriffe auf Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der Heimerziehung thematisiert und es wird resümiert, dass in diesem Kontext Strafe nicht selten als ein Mittel der Verhaltenskorrektur diene. Strafende Reaktionen sind danach nicht etwa die Folge individuellen und subjektiv zuzuordnenden und vorwerfbaren Verhaltens. Regelbrüche Jugendlicher erfahren, so die Kritik, keine individuelle pädagogische Bewertung mehr. Die Heimerziehung fokussiert alleine die Normüberschreitung, sie ist am katalogisierten Regelbruch ausgerichtet, dem nach der Logik eines Konditionalprogrammes eine strafende Reaktion folgt. Strafe wird eben • Der Autor ist Kriminologe (M.A.) mit langjähriger Führungserfahrung als Leiter von Polizeiinspektionen in Rheinland-Pfalz und Dozent im Masterstudiengang Kriminologie, Kriminalistik und Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum.
Beiträge der Massenmedien zur Delinquenzgenese Jugendlicher
1995
Beiträge der Massenmedien zur Delinquenzgenese Jugendlicher Durch verschiedene Rechtsvorschriften (JÖSchG, GjS, StGB) wird versucht, den grundge setzlichen Anspruch auf einen Schutz der Jugend zu verwirklichen. Andererseits kann-die empirische Rechtstatsachenforschung nachweisen, daß die gegebenen gesetzlichen Bestim mungen in beträchtlichem Umfang nicht eingehalten werden. Dies wirft die Frage auf, ob im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Forschung überhaupt hinreichende Befunde für eine Relevanz des Konsums von Medieninhalten einer bestimmten Qualität für die Begehung de linquenter Akte durch KinderlJugendliche vorliegen. Die einschlägigen Ergebnisse, die hin sichtlich von Druck-und AV-Medien vorliegen, verweisen trotz einiger Inkonsistenzen so wohl auf direkte wie auch auf indirekte delinquenzbegünstigende Effekte der Massenmedien. Diese Wirkungen lassen sich im Zusammenhang mit psychologischen sowie kriminologi schen Theorien befriedigend erklären. Allerdings bestehen auch noch weitere Forschungs desiderata. Davon ausgehend werden verschiedene Präventions-und Interventionsmaßnah men angesprochen, die aber weniger auf eine Änderung der Gesetzeslage abzielen, sondern welche vorrangig an die Verantwortung der Medienschaffenden appellieren und auf die ver stärkte Anwendung psychologischen Wissens zum Erreichen pädagogischer Zielsetzungen hinauslaufen. Different laws try to protect young people from confrontation with media contents, which are assumed to possess ethically disorienting effects. On the other hand there is arnpie evidence that these aims are not realized because young people get the X-rated materials in a lot of ca ses. This raises the question if there is a conneetion between the consumption of certain me dia and delinqueney. The relevant results in regard to print-and audiovisual media do sub stantiate direct and as weil indirect links between delinqueney and the use of violent eon tents. The effeets ean be weil explained with the help of psyehological and criminologieal theories, a1though there are so me open research questions. The results lead to the question of defining the best methods to render this situation harmless (by methods of intervention or prevention). In this regard no additional legislative aetions are proposed but measures are suggested to strengthen the responsibility of people producing media and to use the available psychological knowledge for pedagogieal measures.
Internationale Tendenzen des Umgangs mit Jugendkriminalität
Springer eBooks, 2017
Ein sich vom Erwachsenenstrafrecht unterscheidender Umgang mit Jugendkriminalität ist historisch gesehen eine Entwicklung des frühen 20. Jahrhunderts, als mit dem Aufkommen wissenschaftlicher Disziplinen wie der Entwicklungspsychologie, der Soziologie (des Jugendalters bzw. des abweichenden Verhaltens), der Pädagogik/ Erziehungswissenschaften und nicht zuletzt der Rechtswissenschaft die Besonderheiten des Jugendalters als eigenständiger Lebensphase "entdeckt" wurden. Nach Vorbildern aus den USA entstanden zunächst eigenständige Spruchkörper für die Jugendgerichtsbarkeit (in Deutschland bereits 1908) und in der Folge in den meisten europäischen Ländern spezielle Gesetze für die Behandlung jugendlicher Straftäter, in Deutschland das Jugendgerichtsgesetz (JGG) von 1923. Dabei gab es zwei große Orientierungen der Jugendkriminalpolitik: Zum einen und historisch gesehen das ältere sog. Wohlfahrtsmodell (aus den USA, sog. welfare model) eines einheitlichen Jugendhilfe-und Jugendstrafrechts, zum anderen das in Kontinentaleuropa vorherrschende Justizmodell (justice model) mit getrennten Gesetzen für strafrechtlich auffällige auf der einen und "lediglich" erziehungsbedürftigen Minderjährigen auf der anderen Seite (in Deutschland wurde hierfür das Jugendwohlfahrtsgesetz von 1922, heute das SGB VIII oder umgangssprachlich Kinder-und Jugendhilfegesetz, geschaffen; vgl. hierzu auch unten 4.1). Gemeinsame Grundlage und grundlegende Philosophie aller Kodifikationen war die Einsicht, dass sich Jugendliche in einer schwierigen Phase des Übergangs ins Erwachsenenalter befinden, und dass man mit erzieherischen Sanktionen diesen Prozess besser begleiten kann und soll als durch rein repressive Strafen des Erwachsenenstrafrechts. Obwohl die empirische Evidenz der Episodenhaftigkeit und der im Allgemeinen eher bagatellhaften Art von Jugendkriminalität erst in der zweiten Hälf