Vermessen und verzeichnet (original) (raw)

Berühren und Beschreiben

Künstliche Welten zwischen Multisensorik und Multimedialität

Die Fragen nach Multimedialität und Medienspezifik stellen sich für uns Literaturwissenschaftler*innen in besonderem Maße, wenn wir uns auf scheinbar sicherem Terrain bewegen: dem Text. Dass wir dabei meist einem, wenn nicht verkürzten, so zumindest eingeschränkten Verständnis von Text aufsitzen, nehmen wir oftmals gar nicht wahr. Schließlich meinen wir, wenn wir Text sagen, meistens ein medienunspezifisches Gebilde. Es geht darum, mit dem Begriff Text eine "geordnete Menge von Elementen" zu bezeichnen, die eine abgeschlossene und "höchste Sinneinheit von sprachlichen Äußerungen" 1 darstellt. Stephan Kammer und Roger Lüdeke bezeichnen so das hermeneutische Paradigma, das dem herkömmlichen Textverständnis zugrunde liegt. Eine solche Definition vertraut einer unspezifischen und von Medialität so weit wie möglich absehenden Formalisierung, die Sinn durch Einheit und letztendlich auch durch eine Ausgrenzung der sinnlichen und medialen Elemente herstellt. Für das Verständnis von Text relevant erscheint lediglich das, was der "Selbigkeit des Buchstabierens" entspricht, wie Nelson Goodman diese Formalisierung vor dem Hintergrund der Buchstabenschrift auf den Punkt bringt, nämlich die "exakte Entsprechung in den Buchstabenfolgen, Abständen und Satzzeichen". 2 Dabei schließt er "Unterschiede […] in der Art und der Größe von Schrift oder Druck, in der Farbe der Tinte, in der Papiersorte, in der Anzahl und dem Layout der Seiten, im Zustand etc." kategorisch aus. 3 Alles das, was die konkreten Umstände der Produktion von Text betrifft, ist für Goodman unwesentlich. Das Medienspezifische, was die Sinnlichkeit von Text allererst ausmacht, ist ihm entschieden egal. Literatur ist, Goodmans Kunsttheorie zufolge, aus Buchstaben gemacht und auf ein konventionelles Notationssystem verpflichtet. Das macht sie zu einer allografischen Kunst, die eben darin besteht, dass Text das ist, was in seiner konkreten Realisierung in der Buchstäblichkeit

Werten und Verwerten

2019

Soziologie der Konventionen Konventionen sind Koordinationslogiken, die in Situationen von kompetenten Akteuren pragmatisch ins Werk gesetzt werden. Die in Frankreich entstandene, transdisziplinäre Wissenschaftsbewegung der Konventionentheorie ("Economie des conventions") hat sich seit einigen Jahren in den deutschsprachigen Sozialwissenschaften etabliert. War es anfangs die Rezeption durch die Wirtschaftssoziologie und die Sozioökonomik, die die Konventionentheorie prominent gemacht hat, so hat sich schnell gezeigt, dass der Ansatz ein deutlich breiteres Anwendungsspektrum hat wie Arbeit und Organisation, Erziehung und Bildung, Recht, Gesundheit und andere sozialwissenschaftliche Forschungsbereiche. Die Konventionentheorie liefert sowohl grundlegende Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Theoriebildung sowie zur Methodologie im Spannungsfeld zwischen Pragmatismus und Strukturalismus also auch empirische Anwendungen und Forschungsbefunde in verschiedenen institutionellen Bereichen, so dass man von diesem Ansatz auch als von einem komplexem pragmatischen Institutionalismus sprechen kann. Um diese weite Perspektive auf die Konventionentheorie zum Ausdruck zu bringen hat sich in der deutschsprachigen konventionentheoretischen Forschung die Bezeichnung "Soziologie der Konventionen" etabliert-dabei wird "Soziologie" weit verstanden und nicht nur auf die Fachwissenschaft beschränkt. Die Transdisziplinarität dieses Ansatzes ermöglicht nicht nur die Vermittlung mit anderen institutionentheoretischen Ansätzen, sondern auch die gegenstandsbezogene Integration sozialwissenschaftlicher Forschung, die bislang in "Bindestrichdisziplinen" getrennt bleibt. Die SPRINGER VS-Buchreihe "Soziologie der Konventionen" präsentiert aktuelle deutschsprachige Beiträge zu diesem transdisziplinären Feld. Es werden sowohl Monographien als auch thematisch fokussierte Herausgeberschaften publiziert.

Zählen und Ordnen

Ränder der Moderne, 2015

auf die Ränder der Nationen im späten 19. Jahrhundert Viele Antworten werden durch die Art und Weise vorherbestimmt, wie gefragt wird. Dieser Zusammenhang, der in der öffent lichen Kommunika tion heute eine tragende Rolle spielt, galt im späten 19. Jahrhundert auch für Fragen wie "Was ist eine Na tion?" oder "Wer gehört zur Na tion und wer gehört nicht zu ihr?". Ob die Na tion Ränder, Mischlagen und Unschärfen kannte, hing auch davon ab, wie gezählt und geordnet wurde. Zählen, Ordnen und Beschreiben waren Aufgaben der na tionalen Statistik, die mit dem Anspruch auf Objektivität ihren Gegenstand darzustellen vorgab, tatsäch lich aber zumeist überhaupt erst erzeugte. Damit aber war eine Art Zirkelschluss hergestellt, der die Antwort bereits in der Frage und im Fragenden fand. "Die Na tion, wenn sie entsteht, bestimmt selbst die Merkmale, die sie bestimmen", meinte dazu einst treffend der deutsche Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde. 1 Zählen strukturiert und ordnet. Indem das Zählen ordnet weist es Rollen zu. Zu diesen Rollen gezählter Einheiten im Raum gehörten das Zentrum und die Peripherie. Die Rollenzuteilungen erfolgten nach dem Skript der Modernisierungstheorie. Das Zählen war eine Art Sehen, das seinen Gegenstand suchend konstituierte. Der statistische "Tatsachenblick" wurde übersetzt in Bilder, seien es Karten oder Grafiken, mit quasiobjektiver Geltung. Als Argument in der öffent lichen Debatte zählte der Hinweis "Wie ein Blick auf die Karte lehrt, […]". Wer zählte und entsprechend hinsah, wusste aber bereits, was er suchte. Dieser Zusammenhang von Bildgebung und Blickbildung, von bildgebenden Verfahren und blickinformierenden Strukturen steht im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen. 2 Gegen

Vernehmen und Vergeben

Neohelicon, 1993

Isch sah ihn aus dem Haus treten das Feuer hatte ihn angebrannt aber nicht verbrannt Er trug eine Aktentasche aus Schlaf unter dem Arm darinnen war es schwer yon Buchstaben und Zahlen eine ganze Mathematik-In seinem Arm war eingebrannt: 7337 die Leitzahl Diese Zahlen batten sich miteinander verschworen Der Mann war Raumvermesser Schon hoben sich seine lOBe yon der Erde Einer wartete oben auf ihn um ein neues Paradies zu erbauen ,,Aber warte nur-balde ruhest du auch-".

Anstand und Maß

Darstellung kritischer Aspekte der Finanzkrise 2008 im Sinne einer selbstkritischen Rückschau sowie der Entwicklung eines konstruktiven Ansatzes zur Bewertung der Finanzkrise in der Verbindung konsequenter Sachanalyse und ethischer Perspektiven aus theologischer Sicht.

Bewässerung und Beregnung

2012

Die Bewässerungstechniken haben sich nur im Detail weiterentwickelt. Die teilflächenspezifische Beregnung mit Kreisberegnungsmaschinen zeigt die innovativsten Entwicklungen. Es wird immer wieder versucht die Bewässerungssteuerung voranzutreiben. Die Normung der Dränage Techniken wird völlig neu überarbeitet.

Aufsätze Und Berichte

Unterschichtfernsehen? Integration und Differenzierung von bildungsspezifischen Teilpublika Wie hat sich die Einführung des dualen Rundfunks 1984 1 – also die Zulassung von pri-vaten Programmanbietern neben den etablierten öffentlich-rechtlichen Fernsehsen-dern – auf die Mediennutzung ausgewirkt? Ist, wie Nolte (2001) behauptet, mit der Etablierung von RTL und Sat.1 ein spezielles »Unterschichtfernsehen« entstanden? Und wenn ja, sind die öffentlich-rechtlichen Sender spiegelbildlich zum »Oberschicht-fernsehen« mutiert oder »das« Normalfernsehen geblieben? Hinter dem Schlagwort vom »Unterschichtfernsehen« steht die Forschungsfrage nach der Differenzierung von Teilpublika durch die Änderung der Medienorganisation; sie ist nicht so leicht beant-wortet, wie das Schlagwort sich verbreitet und selbstverständliche Realitäten schafft. Wir zeigen im Folgenden, wie sie beantwortet werden kann, und geben – für die Schichtungsdimension »Bildung« – eine erste Antwort. Wir wählen die Bildung, wei...

"Denk an die Aufzeichnung!"

Das umstrittene Erbe von 1989. Zur Gegenwart eines Gesellschaftszusammenbruchs , 2021

Der Chorprobenraum im Kulturzentrum, das Besprechungszimmer im Pfarrhaus-wir sind seit Monaten in einer alten Textilarbeiterstadt im Süden der ehemaligen DDR unterwegs, um Gruppendiskussionen für unser Forschungsprojekt "Erbe ´89" zu führen. Einmal, im Jahr 2019, geht es zur Abwechslung in das Hinterzimmer einer Kneipe. Der Laden verspricht Essen von Hausmannskost bis XXL in bester Lage gleich am historischen Marktplatz. Er wirbt mit einem "hellen und modernen Gastraum", einer "gemütliche Außenterrasse" und einem "Freizeitraum" mit Billardtisch und Fernseher. Was interessant ist, weil man sich fragt, was in den übrigen Räumen passiert-wenn nicht ebenfalls Freizeit. Also außer an diesem Tag, wo wir beruflich dort sind. Ich bin mit meiner Kollegin und den Interviewpartner*innen vor der Kneipe verabredet. Dort treffen diese sich regelmäßig in einem Hinterzimmer. Politisch engagierte Menschen, größtenteils Rentner, größtenteils Männer, einige im Herbst 1989 oppositionell aktiv. Vor ein paar Jahren haben sie sich unter dem Namen einer oppositionellen Initiative von damals neu zusammengefunden.