Helium in Bewegung. Flüchtiges Speichern in der Stoff- und Infrastrukturgeschichte (1920-1960), in: Sebastian Haumann, Eva-Maria Roelevink, Nora Thorade u. Christian Zumbrägel (Hg.): Perspektiven auf Stoffgeschichte. Materialität – Wissen – Praktiken, Bielefeld 2023, S. 175-205. (original) (raw)
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Stoffgeschichte-darunter verstehen wir ein Forschungs-und Diskussionsfeld der Geschichtswissenschaften, das auf aktuelle ökologische und gesellschaftliche Herausforderungen reagiert, neuere theoretische Debatten um »Materialität« aufgreift und die Möglichkeit bietet, in einer zunehmend segregiert arbeitenden Geschichtswissenschaft transversale Impulse zu setzen. Mit diesem Band wollen wir das Feld erkunden und aufschließen. Wir greifen damit ein neues und ausgesprochen vielfältiges Interesse an Rohstoffen, Substanzen, Gütern, Ressourcen, Werk-und Wirkstoffen auf. Seit gut einem Jahr
2018
Wenn Nebelschwaden aufziehen, zeigt sich uns die Welt in einem anderen Licht. Eingetaucht in einen wabernden Strom winziger Wassertröpfchen, machen wir in situ die Erfahrung eines im Wortsinne atmosphärischen Geschehens (griech. atmós, das heißt Dampf, Dunst, Luft), in dem vermeintlich allzu Bekanntes auf neue Weise erscheint, distinkte Ordnungen verschwimmen und Gewissheiten in Fluss geraten. Vorzugsweise ist dieses Phänomen deshalb mit negativen Wirkungen assoziiert worden, etwa der Verschleierung des Eigentlichen, der Auflösung von Gestalten, dem Schwinden von Evidenzen, dem Verlust von (Durch-)Sicht und Orientierung, der Entmaterialisierung des Soliden und so fort. In dieser Lesart verhüllt der Nebel und treibt die materielle Welt in einen diffusen Schwebezustand, in dem sie kaum mehr zu greifen ist -sowohl in physischer als auch epistemologischer Hinsicht.
2014
Alles ist im Fluss – diese antike Weisheit feiert im durchglobalisierten Weltgeschehen fröhliche Urstände. Mobilität und Wandel sind die kategorischen Imperative der Zeit. Auch Stoffe bewegen sich rastlos über den Erdball, ebenso wie durch unsere Körper, werden fortlaufend umgestaltet und konstituieren so die materielle Welt, wie wir sie erleben. Ausgehend von diesem Befund wird eine Wissensgeschichte dieser materiellen Welt anvisiert, die nicht Strukturen, sondern stoffliche Überführungen und Umwandlungen – räumlich, zeitlich und substanziell – ins Zentrum rückt. Ohne der Versuchung zu erliegen, die Physikochemie mit ihrem elementaren Baukastenprinzip der Materie oder theoretische Figurationen aktueller Diskurse – Stoffkreislauf, Zirkulation, Stoffwechsel, Materialfluss – als historische Apriori zu setzen, entwickeln die Beiträge eine von Prozessen und Bewegungen ausgehende Natur- und Kulturgeschichte der materiellen Welt.
1992
Aufgrund der idealen Lagerbedigungen in den Latrinen vom Kornmarkt (ausgeglichene Temperatur, LichtabschluB und Feuchtigkeit) erhielten sich zahlreiche Textilreste, die einen reprasentativen Querschnitt der zeitgenbssischen Textilverarbeitung und -verwendung liefern. Der gute Erhaltungszustand dieser Funde erforderte kein besonderes Konservierungsverfahren. Die MaBnahmen beschrankten sich auf Trocknung, mechanische Reinigung und mehrmalige Bader in destilliertem Wasser. Die Textilfunde sind zum grbBten Teil sehr fragmentarisch erhalten, so daB die ursprunqliche Form und Verwendung meist nicht zu rekonstruieren ist. Es ist allerdings nicht zu erwarten, daB Latrinenfunde, gleich wie Grabfunde, in vollstandigem Zustand "deponiert" wurden. Nur ein Bruchteil der benutzten Textilien durfte in die Hauslatrinen gelangt sein. Der uberwieqende Teil wurde gesammelt und zur Papier-oder Filzherstellung wiederverwendet. Der Grund, warum ein Teil der Textilien diesem 159 Reste eines Baretts aus Samt.
Bücher bewegen. 375 Jahre Forschungsbibliothek Gotha, 2022
Bewegung"-im wörtlichen oder im übertragenen Sinn-ist nicht die erste Assoziation, die sich im Zusammenhang mit mittelalterlicher Kultur und Buchmalerei aufdrängt, auch wenn die Menschen dieser Zeit sehr wohl mobil waren. 1 Bereits in der "Admonitio generalis" Karls des Großen wird ausdrücklich untersagt, Neues und nicht Kanonisches aus eigenem Verständnis heraus zu predigen. 2 Zur Legitimierung der eigenen Argumentation bedienten sich Gelehrte und Dichter der auctoritates-ehrwürdiger akzeptierter Größen, wobei die zu Rate gezogenen Werke bzw. Autoren seit dem 10., 11. und vor allem seit dem 12. Jahrhundert zunehmend angegeben wurden. 3 Nach heutiger Diktion waren sie Vorbilder, Muster oder Modell, und gehörten zum Kanon. Spuren eines zeitgenössischen theoretischen Diskurses über das Thema in der mittelalterlichen Buchmalerei haben sich nicht erhalten. 4 Jedoch dokumentieren Musterbücher oder der Dekor und die Bildausstattung mittelalterlicher Handschrift end. h. die sich im Laufe der Zeit herausgebildete Bildtradition-, dass vor allem die Orientierung an den Vorbildern und nicht die freie Kreation gängiger Usus war. 5 Das Skriptorium des Echternacher St. Willibrord-Klosters Das Skriptorium des Echternacher St. Willibrord-Klosters, dessen prachtvoll illuminierte Opera des Thiofrid von Echternach (gest. 1110) aus dem frühen 12. Jahrhundert mit der Handschrift Memb. I 70 der Forschungsbibliothek Gotha hier im Zentrum stehen, orientierte sich in der ersten Blütephase seiner buchmalerischen Produktion im 8. und 9. Jahrhundert an Modellen der insularen Buchmalerei. In seiner zweiten Hoch-Zeit im 11. Jahrhundert bzw. während der Amtszeit von Abt Humbert von Echternach (1028-1051) rezipierte es Vorbilder der karolingischen und ottonischen Buchmalerei und verrät dadurch indirekt auch die Kenntnis antiker Vorlagen. 6 Um 1045 ging aus diesem Skriptorium das berühmte Evangeliar von Echternach, der Codex Aureus Epternacensis, hervor. Er befand sich zwischen 1801 und 1945 in Gotha und wird heute in Nürnberg aufb ewahrt. 7