„Man schwimmt zwischen zwei Welten“. Identität und Akkulturation in Ella Hoffmanns Briefen aus Patagonien (original) (raw)
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"Sattsehen", die Lust, ja "Gier", mit der ihre Augen das auflesen, was ihr gehört, und ihr doch entschwindet, verschränken sich mit "Schrecken", dessen Ursache nicht unmittelbar einleuchtet: worüber erschrickt eine Frau und Mutter, die so ihrem "Sohn" folgt? Ist es sein zerbrechlicher Körper, der -die Kleider zeigen es an -auseinanderfällt, mühsam geflickt in Stunden nach der Arbeit, langen Abenden? Oder geht das Erschrecken tiefer? Ist es das Erschrecken vor dem Verdrängten? Welcher Art ist das Begehren der Mutter, dem sie hier "heimlich" nachgeht? Doch ebenso plötzlich, wie der Wunsch, der heimliche Genuß, auftaucht, verschwindet er wieder: "-dann hatte er sich herumgedreht und war ein fremdes Kind." Das blitzartige Umschlagen vom eigenen zum fremden Blick auf den Jungen verwandelt den ihr vertrauten Sohn in den nur scheinbar fremden, in Wirklichkeit ebenso vertrauten Angehörigen ihrer Klasse. Die Abgenutztheit der Kleidung, die auch die liebevolle Ausbesserung nicht rückgängig machen kann, ist Indiz der sozialen Herkunft sowohl des Jungen, als auch der Mutter des Jungen, die die Kleidung flickte. Andererseits bewirkt der Perspektivenwechsel der Mutter, daß die Frage, welche Mutter die zerschlissene Kleidung geflickt hat, unwesentlich wird. Der Perspektivenwechsel sprengt den privaten Rahmen der Familie, um die Frage nach dem gesellschaftlichen Kontext der Mutter-Sohn Beziehung aufzuwerfen. Die Enthüllung des Eigenen als Fremdes durch die Drehung des Kindes impliziert, daß die Armut der Frau keine privat verschuldete ist, sondern durch ihre Klassenlage bedingt ist. Angesichts der Erkenntnis des sozialen Kontextes der eigenen Armut, wird die mütterliche Liebe in ein größeres Bezugssystem gestellt: Flicken allein kann die Armut des Kindes nicht auslöschen. Das soziale Bewußtsein ersetzt und erweitert das Bewußtsein der Mütterlichkeit.
Begegnung – Betrachtung – Annäherung. Das „andere“ Geschlecht in ausgewählten Reisebeschreibungen Ida Pfeiffers (1797-1858), 2023
Reisende, Forscherin, Sammlerin, Touristin, Grenzgängerin? Die Wiener Biedermeierdame Ida Pfeiffer (1797-1858) erlangte aufgrund ihrer abenteuerlichen Reisen rund um die Welt sowohl national als auch international Bekanntheit. Ihre Emotionen, Eindrücke und Erlebnisse wurden in mehreren Reisebeschreibungen festgehalten und im Abstand von 17 Jahren publiziert. Sie zeugen nicht nur von einer subjektiven Auseinandersetzung mit dem Fremden, sondern verdeutlichen auch ihren differierenden Umgang mit Männlich- und Weiblichkeiten. Sie agierte nicht nur entgegen den von der Gesellschaft festgelegten Weiblichkeitskonzeptionen, sondern legte in ihren Reisebeschreibungen auch überaus interessante Kommunikations-und Interaktionsstrategien offen, die verdeutlichen, wie sie Kontakt zu Personen unterschiedlichen biologischen Geschlechts aufbaute. Insbesondere die Begegnung, Annäherung und Betrachtung des "männlichen" Geschlechts in ausgewählten Reisebeschreibungen Ida Pfeiffers stellen die zentralen Untersuchungspunkte dar.
Literatur und Grenzkulturen: Amazonien und Pampa
2010
Die Region, die wir als Lateinamerika kennen, besteht bekanntlich aus vielfältigen Kulturräumen. Ein Teil dieser Region ist Brasilien, das sich allerdings gleichzeitig deutlich von ihr unterscheidet und deshalb manchen bis heute wie eine Insel erscheint, die von zwei großen Flüssen, die einem gigantischen See entspringen, begrenzt wird. 1 Die Ausweitung und Konsolidierung seiner nicht atlantischen Grenzen sind nicht nur die Folge des beständigen "Zuges nach Westen" der "Bandeirantes", sondern im Süden, im La Plata-Raum, auch das Ergebnis von Kriegen und im Norden der Erfolg diplomatischer Verhandlungen. Seit ihrer Anerkennung durch internationale Verträge haben sich diese Grenzen als stabil erwiesen, dabei sind sie jedoch porös und durchlässig. Wie alle Grenzen trennen und vereinen sie, da Teile Brasiliens mit Teilen der Mehrzahl anderer südamerikanischer Länder unterschiedliche transnationale Räume bilden, comarcas culturais (kulturelle Regionen), um den Begriff und das Konzept von Ángel Rama zu verwenden (Rama 1974: 48-71). Zwei dieser Regionen, die Pampa, Region der Kälte und der sogenannten "trockenen Grenze", und Amazonien, Region der Hitze und der Feuchtigkeit, stellen geographisch wie auch historisch und kulturell extreme Pole der "heimatlichen Erde" dar. Die geographische Distanz sowie die topographischen, historischen und kulturellen Differenzen zwischen diesen Extremen verhindern jedoch nicht, dass es gleichzeitig bedeutende Ähnlichkeiten zwischen beiden gibt. Das grenzenlose Gebiet Amazoniens genauso wie die unendliche Weite der Pampa-darauf hat schon Ana Pizarro aufmerksam gemacht-besitzen "Kerne symbolischer Produktivität, die dadurch wirksam werden, dass sie 1 Gemeint sind die Flusssysteme des Paraguay und des Amazonas, obwohl sie natürlich mit den politischen Grenzen nicht übereinstimmen. Die Theorien der "Insel Brasilien" und ihrer Abspaltungen vom kolonialen Brasilien im 19. und 20. Jahrhundert, die sich auf die geographische Vorstellung naturgegebener geopolitischer Grenzen und Raumaufteilung stützt-von den Grenzverträgen bis zur Gründung von Brasília im Herzen der Hocheben-hat zur Herausbildung einer nationalen Identität entscheidend beigetragen (Magnoli 1997).
Zwei Emigranten in Südamerika: Der Briefwechsel zwischen Walter Blumenfeld und Emilio Mira y López
Psychologie Und Geschichte, 1991
Die Beschäftigung mit der Geschichte der Psychologie in Lateinamerika befindet sich zur Zeit in einer Phase des Umbruchs, in der die ersten Schritte zur Institutionalisierung erkennbar sind. Das entscheidende Datum war das Jahr 1988, in dem die Stiftung F u n d a c a o Getulio Vargas in Rio de Janeiro die I. Lateinamerikanische Tagung zur Geschichte der Psychologie mit großem Erfolg organisierte.
Die schöne Insulanerin Kolonialismus in E.T.A. Hoffmanns Südsee-Erzählung Haimatochare
Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 2002
Eine durch Edward Said inspirierte, "postkoloniale" Analyse von Hoffmanns Erzählung zeigt, daß der Text an eingeführten Diskursen und kulturellen Erwartungshaltungen seiner Zeit partizipiert, diese aber durch seine Struktur unterläuft. In der Besitznahme der "schönen Insulanerin", dem Inbegriff des Südsee-Diskurses, aus der der Text aber eine Laus macht, steckt die imperialistische Geste des Kolonialismus. A "postcolonial" analysis of Hoffmann's tale, inspired by Edward Said, shows that the text participates in established discourses and cultural expectations of his time. These, however, are subverted by its structure. The taking possession of the "schöne Insulanerin"-incarnation of the south sea-discourse-whom the text inverts into a louse contains the imperialistic gesture of colonialism.
Nomaden ohne Land? Ein Leben zwischen den Welten
@red: Die Gesellschaft in den Steppen des tibetischen Hochlandes verändert sich. Auch dort streben die Menschen nach Einkommen, Schulbildung und einem bescheidenen Wohlstand. Andreas Gruschke, der Feldforschung in Tibet betreibt, skizziert die Situation der Nomaden heute. @ft: Nur wenig Raum nimmt der Nomadenalltag in der umfangreichen Tibet-Literatur ein. Dennoch tragen wir viele Bilder des Hirtenlebens in uns. Und die meisten von uns sind davon überzeugt, dass ihre Vorstellung davon, was ein Nomade ist, wie er lebt und was er tut, der Realität entspreche.
2007
The following thesis deals with the problem of self-identity in Ingeborg Bachmann’s narrative cycle Das dreißigste Jahr (The Thirtieth Year) and discusses the terms and conditions of developing one’s own, authentic identity. Until now, this early cycle has been analysed with an emphasis on either gender studies or philosophical perspectives. These analyses mainly address the utopian concept of language or the boundary between that which can be said, and ‘the mystical’ beyond this border. To give the question of identity a new perspective, this thesis applies existentialist theories from the field of philosophy to the narratives and determines the connection between self-identity, world, society and language. Gender theories, as well as philosophical-mystical speculations, are mainly excluded in the search for a new answer to the old question: How is a person’s identity formed? The main questions that are addressed in the thesis include: Is it possible to be oneself and how? How can we create our own identity despite the image of ourselves presented to us by others? And are we capable of constructing our own identity with the language available to us? In the first part of the thesis, I will provide a theoretical foundation, the philosophical background that underpins my analysis. After clarifying the direction of my study, the questions it will address and describing the method I will use in my analysis, I include a definition section that gives clear explanations about the key concepts of identity and existentialism which pertain to my analysis. This is followed by a basic philosophical introduction that explains the main concepts used in this work, including: Being thrown into the world, the quest for self-identity, the relationship between the “self” and the “other” and the meaning of language. These concepts are taken from the existentialist philosophy of Heidegger and Sartre. The next section gives an overview of the research to date concerning the most important works on the topics of “identity” and “language” in Ingeborg Bachmann’s prose, with a focus on the cycle Das dreißigste Jahr and positions the thesis in the context of this current research. The main analysis of the primary work applies the philosophical theories to a close analysis of the narratives, focussing not just on single narratives, but on aspects of them all. After a short overview of the contents of each narrative it analyses these aspects under five main topics: The condition of the self as being “thrown into the world”; the relation between self and society; the problem of language; the attempt to break free from society and language; and finally the “reconciliation” between society and a person’s self-identity within the framework of world, language and society. The main emphasis in the results focuses on the alienating effect that society as well as language has on the self, and the struggle of the self to achieve an independent and authentic self-identity. This thesis goes beyond the existing research on the narratives by addressing aspects of the self within a given framework other than gender theories, role-specific arguments or philosophical-mystical explanations. Its analysis of the works from an existentialist point of view, i. e. Sartre and Heidegger, provides a new perspective on what are essentially philosophical texts.