Politische Ikonographie der Kommune zur Zeit Dantes (original) (raw)

»Städte als Sozialfiguren«

2014

Städte tragen Namen. Namen evozieren Vorstellungen von einem Ganzen, einer Einheit, etwas Individuellem. Etwas zu benennen heißt, nicht nur Unterscheidungen und Abstände zu markieren, sondern auch: Eigenschaften zuzuschreiben. Die dem Alltagsbewusstsein geläufigen Formen der Zuschreibung bestimmter Züge sind vielfältig. Anleihen an Technik, Natur oder spezifische Produktionsverfahren geben der Stadt mal als »Maschine«, mal als »Moloch«, mal als »melting pot« ihre besondere Gestalt. Viel alltäglicher freilich ist jener Typus der Fiktionalisierung, der darin besteht, Städte über menschliche Attribute »gefügig« und ihre Charaktereigenschaften mittels tradierbarer Sinnbilder verfügbar zu machen. Von der »Hure Babylon« bis zur »city that never sleeps«, von der »Heldenstadt« bis zur »kranken Stadt« – immer geht es darum, den »Charakter«, Eigenschaften oder jedenfalls Merkmale einer bestimmten Stadt zu fassen. Die Personalisierung der Stadt ist, wie schon Wohl und Strauss (1958) beobachtet haben, eine ganz alltägliche Praxis, die genau deshalb als soziales Phänomen, als sozialer Tatbestand soziologisch ernst genommen zu werden verdient. »The entire complex of urban life can be thought of as a person rather than as a distinctive place and the city may be endowed with a personality – or to use common parlance – a character of its own. Like a person, the city then acquires a biography and a reputation« (Wohl/Strauss 1958: 528). Was also wäre wenn?

Edikt von Mailand in der politischen Kultur

Um die ideologische Bedeutung zu verstehen, die die Feier des 1600.J ahrestags des Edikts vonMailandvor einem JahrhundertinItalien hatte, muss man sich eine Voraussetzung klar machen, nämlich die besondere politisch-religiöse Situation des Landes: Die im Jahr 1870 erfolgte Annexion Roms und dessen, was vomKir-chenstaat übrig geblieben war,wurde als ein gewaltsamer Akt des Königreichs Italien betrachtet,und ein Großteil der katholischen Welt hatte diesen Vorgang nicht verwunden. Nach der Wiedervereinigung wurden die Beziehungen zwischen dem italienischen Staat und dem Papsttum durch das Gesetzd er Guarentigie geregelt,das vomitalienischen Parlament am 13.Mai 1871 verabschiedet wurde.¹ Pius IX. wies dieses Gesetzn ur zwei Tage später mit der Enzyklika Ubi nos vom 15.Mai zurück.² DiesesG esetz, mit dem der italienische Staat dem Papst eine Reihe vonG a-rantien sowie die Unverletzlichkeit seiner Residenzen zusicherte,d amit dieser sein religiöses Amti nv oller Freiheit ausüben konnte, wurde vomP apsttum als eine einseitigeE ntscheidungdes italienischen Staates betrachtet und als solche vonder Kirche abgelehnt.Schon vorder EroberungRoms war den Katholiken die Teilnahmeampolitischen Leben des Königreichs Italien verboten, nachdemPapst Pius IX. im Jahr 1868 um eine Stellungnahme gebeten worden war,d ie die Un-rechtmäßigkeit einer solchen Beteiligungsanktionierte. Es handeltsich um das so genannte Non expedit, dasüber fast ein halbes Jahrhundertimmer wieder erneuert wurde.³ Das an die italienischen Katholiken gerichteteVerbot,anWahlen und am politischenLeben des italienischen Staats im Allgemeinent eilzunehmen, wurde durch ein Dekret der Apostolischen Pönitentiarie vom1 0. September 1874 be-kräftigt und in späteren Vorschriften als verbindlich bestätigt, auch wenn es in einigen Fällen nicht beachtet wurde.⁴

Die Symbolisierung des Volkes in der Demokratie: Eine ikonografische Spurensuche

Politische Ikonographie und Differenzrepräsentation, 2018

Volksrepräsentation ohne Volksbild: Umriss eines Problems Wie kann das Volk als politischer Souverän in Erscheinung treten? Von Rousseau bis Rosanvallon hat sich die Demokratietheorie immer wieder die Frage gestellt, wie das Volk als Subjekt der Macht eine Form annehmen kann. Schaut man sich die ikonografische Symbolisierung des Volkes in der Demokratie an, wird aber schnell deutlich, dass eine solche visuelle Repräsentation ein schwieriges Unternehmen ist. Das Prinzip der Volkssouveränität stellt zwar das Volk ins Zentrum des politischen Imaginären 2 und macht es zum politischen Subjekt, doch seine ikonografische Fixierung scheint nicht recht zu gelingen. 3 Dabei ist die Konstituierung eines kollektiven Subjekts bzw. einer politischen Einheit für die Handlungsfähigkeit einer Gruppe unabdingbar. Oder anders gesagt, damit das Volk zum politischen Subjekt wird, müssen die Einzelnen ein Ganzes bilden. Manche Autoren gehen davon aus, dass dafür ein Prozess von Identitätskonstruktion notwendig ist. 4 Das Volk ist auf die Identifikation der Einzelnen mit der Gruppe angewiesen und benötigt, dass die Einzelnen eine gemeinsame Auffassung und gemeinsame Vorstellungen über das Volk teilen. Daher ist das Volk auch das Ergebnis von Auseinandersetzungen, symbolischen und diskursiven Konstruktionen innerhalb einer Gesellschaft. 5 Erst wenn sich die Vielen zu einer Einheit organisieren, kann eine Verbindlichkeit zwischen den Individuen hergestellt werden, die kollektives Handeln ermöglicht. 6 Man kann aber das Problem auch anders formulieren: der Schlüssel für die Herstellung eines politischen Subjekts ist seine Repräsentierbarkeit. Wenn das Volk 1. 1 Ich danke Eva Hausteiner, Sebastian Huhnholz und dem Gutachter Markus Dauss für Kritik und Kommentare. 2 Der Begriff des politischen Imaginären ist vor allem in der französischsprachigen Literatur geläufig (z.B.: Lamizet (2012). Der hier verwendete Begriff orientiert sich an Cornelius Castoriadis Konzept des sozialen Imaginären und adaptiert es für das Politische.