Von häßlichen Entlein und Undercover-Agenten (original) (raw)

1999, Zeitschrift Fur Evangelische Ethik

Was geht wohl einem Beobachter oder einer Beobachterin durch den Kopf beim Gedanken an ein Unternehmen der freien Wirtschaft? Vielleicht folgendes: Viele dunkel gekleidete Herren, umgeben von einigen wenigen Damen, gut sitzende Krawatten, schwarze Koffer, gedämpfte Beredsamkeit, permanentes Handy-Läuten, schnelle Schritte, aber keine sichtbare Hektik. Und was bei Gedanken an Kirche? Graue Damen und Herren, braune Kordhosen, gelbe Socken, Birkenstocksandalen, leblos-spartanische Räumlichkeiten, keine Spur von Dynamik? Kirche und Wirtschaft, Theologie und Ökonomie, das erweckt das Bild zweier Welten, das klingt nach zwei Bereichen, die überhaupt nichts miteinander gernein haben. Kirche und Industrieunternehmen wirken wie Hund und Katze, wie Wasser und Feuer. Nicht nur in der wissenschaftlichen Diskussion, sondern insbesondere in der Praxis des Alltags. So scheint es jedenfalls: Kirche und Wirtschaft können nicht wirklich zueinanderfinden, weil ihre geistigen Hintergründe und ihre sprachlichen Codes zu unterschiedlich sind. All die Gesprächskreise zwisehen Vertretern beider Bereiche scheinen häufig wie ein euphemistisches Feigenblatt, um die Blöße der faktischen Sprachlosigkeit zu bedecken. Sind die Differenzen wirklich so groß, daß Kornmunikation nicht möglich ist? Im folgenden sind die Differenzen der beiden Lebenswelten zunächst aufgrund subjektiver Erfahrung zu beschreiben. Die subjektive Erfahrung begründet sich daher. daß der Autor studienmäßig aus der einen Welt kommt, berufspraktisch aber in der anderen Welt gelandet ist. Im Anschluß an diese subjektiven Erfahrungen sei das Thema aus einer reflektiertereD Ebene angegangen, die sich aber zugleich an die Ebene der praktischen Erfahrung anschließt. Schließlich soll es aber nicht bei der Beschreibung der Differenzen bleiben: Sie dient zunächst nur dazu, füreinander Verständnis zu gewinnen, die Lebenswelt des jeweils anderen Bereichs näher kennenzulernen. Ist dies geleistet, wird sich zeigen, daß die Differenzen zwar nicht zu leugnen sind, daß es aber darüber hinaus ganz wichtige Gemeinsamkeiten zwischen beiden Bereichen gibt, die Grundlage für eine wirkliche Kommunikation sein können.