Medical Theory and Therapeutic Practice in the Eighteenth Century. A Transatlantic Perspective. Edited by Jürgen Helm, Renate Wilson. Stuttgart, Franz Steiner Verlag, 2008. 344 p. € 49.–. ISBN 978-3-515-08889-3 (original) (raw)

2010, Gesnerus-swiss Journal of The History of Medicine and Sciences

Gesnerus 67 (2010) net, sowie inhaltliche Erläuterungen vorangestellt. Diese Lösung, die den Anmerkungsapparat entlastet, erweist sich als sehr hilfreich. Die Anmerkungen erschliessen darüber hinaus vorbildlich weitere Personen und Sachverhalte. Für den Medizin-oder Gesundheitshistoriker erweist sich schon auf den ersten Blick das Register als Einstieg in eine «Goldgrube»-mehr als jeder dritte Eintrag ist einschlägig:Aberglaube, Aderlass, Alter, Angst,Apotheker, Arzt,Aussehen, Bader sind die Betreffe in der ersten Spalte des Registers-mit jeweils zwei bis zu 30 Verweisen. Zur weiteren Anregung der Leserphantasie seien hier noch Balsam (unterteilt in gelber, Magenbalsam, Persischer, Schlagbalsam, schwarzer, weisser), Befindlichkeit, Behandlungsmethode (medizinische), Besorgnis, Bewegung (für die Diätetiker) genannt; mit Brunnenkur, Brustsucht und Durchfall könnte man fortfahren. Die Verweise führen jeweils zu aussagekräftigen Stellen in den Briefen, bei denen man dann mit Vergnügen weiterliest. Hier war eine Bearbeiterin am Werk, die, für die vielfältigen Interessen einer modernen Patientengeschichte sensibilisiert, diese Korrespondenz so erschlossen hat, wie man es sich als Gesundheitshistoriker gar nicht besser wünschen kann. Der medizingeschichtlich ungewöhnlich grosse Ertrag dieser Korrespondenz entsteht natürlich auch aus ihrem sehr persönlichen Charakter. Man wusste ja seit dem Artikel von E. Forster (1986), dass Liselotte von der Pfalz medizinhistorisch sehr interessant ist. Mit dieser Briefedition wird das aber noch viel deutlicher und nunmehr besser zugänglich. Fast überflüssig zu sagen, dass auch die Politikhistoriker und die Genealogen, die Adels-und die Hofforscher-mit einem beeindruckenden Namensregister-hier bestens bedient sind. Für Germanisten und Medizinhistoriker gleich hilfreich ist das Glossar von M.-L. Babin. Inhaltlich bieten die Briefe Liselotte von der Pfalz' interkulturelle Erfahrungen mit den medikalen Verhältnissen am französischen Hof; ihre Sorge wegen der-aus ihrer Sicht-problematischen Erziehungsmethoden und Esssitten; einen faszinierenden Einblick in das medizinische Angebot und dessen Nutzung-nicht nur durch die Korrespondentin selbst; ihre Gefühle als Mutter-nicht nur bei den Krankheiten der Kinder-und bei Todesfällen in der weiteren Umgebung und natürlich alles das, was man bei Hof über das Theatrum europaeum erfährt-von Kriegszügen über Hofintrigen bis hin zu adeligen Familienangelegenheiten. Dabei wird nicht zuletzt das bereits vom ersten Herausgeber angestrebte Charakterbild dieser sehr selbständig denkenden und genau beobachtenden Fürstin greifbar. Eigentlich möchte man sofort in die Auswertung des Materials einsteigen. Da ich dazu selbst leider nicht kommen werde, kann man dieser Briefausgabe nur viele Leser wünschen.Wer sich für den medikalen Alltag und die Gefühlswelt am Hof zu Zeiten Ludwigs des XIV. interessiert, muss zu diesem Buch greifen und kann sich mit dieser Quellenlektüre bestens in die Zeit «einlesen».