Kapitel 4: Materialer Wandel (original) (raw)

Unter materialem Wandel1 ist jedwede diachron zu beobachtende Veränderung zu verstehen, die die materiale Beschaffenheit von schrifttragenden Artefakten betrifft, sei es auf der Seite des Beschreibstoffes oder der Schreibmittel. Auch das Format, welches beispielsweise als ‚Tafel', ‚Buch' oder ‚Rolle' die spezifische Medialität und Praxeologie des Artefakts bestimmt, kann von materialem Wandel betroffen sein, muss es aber nicht. Materialer Wandel ist als Verschwinden oder Zurückdrängen wie auch als Auftreten von neuen Beschreibstoffen, von Technologien und daran geknüpften kulturellen Praktiken zu fassen. Zu denken ist beispielsweise an den Übergang von nontypographischer zu typographischer Schriftkultur, an das Aufkommen des Beschreibstoffs Papier, der Pergament in einem viele Jahrzehnte langen Prozess ablöste und ergänzte,2 oder auch an die Formatänderung von der Rolle hin zum Codex.3 Materialer Wandel ist also als ein Prozess zu verstehen, der zu einer mittel-bis längerfristig dauerhaften Veränderung der materialen Präsenz von schrifttragenden Artefakten in einer Kultur führt. Dies bedeutet aber nicht, dass überkommene Praktiken während oder nach vollzogenem Wandel notwendig verschwinden müssen. Vielmehr können überkommene Materialien und Praktiken neben neu eingeführten-durchaus auch sehr lange-gemeinsam fortleben. Allerdings geht damit häufig eine Neubestimmung und-bewertung der Bedeutung bisheriger Materialien und Praktiken einher. Die im Folgenden eingenommene Perspektive auf den materialen Wandel ist bewusst breiter angelegt, als die Untersuchung der Entwicklungsstränge einzelner Medien es erlauben würde.4 Auf diese Weise kann materialer Wandel in seiner transkulturellen und transhistorischen Relevanz sichtbar werden.

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Materialer Wandel

in N. Dietrich – L. Lieb – N. Schneidereit (eds), Theorie und Systematik materialer Textkulturen, Berlin, De Gruyter, 2023, pp. 159-205, 2023

Editorial zur vierten Ausgabe

ESE Emotionale und Soziale Entwicklung in der Pädagogik der Erziehungshilfe und bei Verhaltensstörungen. Heft 4 Soziales Lernen und Bildung