Auf dem Weg zur Postdemokratie (original) (raw)
Wir kennen die Postmoderne, den Postmaterialismus, den Poststrukturalismus, den Postfordismus und vielleicht auch den Postfeminismus. All diesen Begriffen ist gemeinsam, dass sie etwas Neues bezeichnen sollen, welches zwar ohne ihren Vorläufer nicht existieren könnte und ihn in gewisser Weise immer noch verkörpert, sich vom Vergangenen jedoch gleichzeitig essentiell unterscheidet. Es ist also die doppelt paradoxe Form des Ungleichzeitigen im Gleichzeitigen wie des Gleichzeitigen im Ungleichzeitigen, die diesen Begriffen innewohnt. Sie bezeichnen sowohl eine temporale Struktur des "nicht mehr" und des "noch nicht" wie die eines "sowohl als auch". So beschreibt der Begriff des "Postfordismus" einerseits eine Phase des Wandels zu einem neuen Akkumulationsregime, für das man noch keinen Namen gefunden hat, andererseits aber auch das Nebeneinander von alten, fordistischen und von neuen Elementen, die zusammengenommen das postfordistische Regime ausmachen. Die These, die ich im Folgenden vertrete, lautet, dass wir mit Blick auf die etablierten westlichen Demokratien momentan guten Grund haben, der hier umrissenen Begriffstrategie zu folgen und von "postdemokratischen" Verhältnissen zu sprechen. Anlass dafür geben eine Reihe von beobachtbaren Funktionsstörungen demokratischer Verfahren, wie sie in den Begriffen "Politikverdrossenheit", "Postparlamentarismus" und "Politainment" sowie in der jüngsten Konjunktur des Begriffs der "Postdemokratie" selbst zum Ausdruck kommen. So hat Colin Crouch ein schmales Bändchen mit dem Titel "Post-Democracy" vorgelegt, in dem er sich mit den Auswirkungen des globalen Kapitalismus auf die sozialen und kulturellen Voraussetzungen der Demokratie beschäftigt. 1 Der nämliche Begriff findet weiterhin bei Sheldon Wolin 2 und Jacques Rancière 3 Verwendung. Wolin stellt im Anschluss an Tocqueville und mit Blick auf die politische Kultur der Vereinigten Staaten die demokratiezersetzenden Wirkungen des Konsumismus dar. Und für Rancière befinden wir uns in einer Ära, in der das politische Handeln des Demos durch die "Herrschaft der Meinungsbefragung" eingedämmt wird. Für alle diese Autoren gehört die Demokra