Einleitung: AUF DER SUCHE NACH DER EINEN STIMME (original) (raw)
1987, Soziologische Revue
Die Soziologische Revue ist ein Diskussionsforum für deutsche sozialwissenschaftliche Literatur. Dies ist im Fall des Sonderheftes "Frauen" auch von Nachteil; zur Zeit erscheinen immer mehr angloamerikanische Veröffentlichungen, die die nun mehr als 20-jährige Geschichte der neueren Frauenforschung aufarbeiten. Neben den Leistungen werden dabei auch die Fallen und Aporien einer Wissenschaft auf dem Weg der Selbstvergewisserung sichtbar. Ich will diese Einleitung deshalb zum Anlaß nehmen, Gedanken dieser ausländischen Diskussion zu skizzieren,-auch weil sie die m.E. noch ausstehende deutsche vorwegnimmt. Sie kann deutlich machen, weshalb das Erkenntnisziel von Frauenforschung das Geschlechterverhältnis sein muß, und weshalb im Sonderheft so viel von "Sexualität" , von "Männlichkeiten" und von "Familien" die Rede sein wird. Am Anfang, das heißt in der Bundesrepublik zu Beginn der 70er Jahre, schien alles klar. Noch konnten Frauen, die in den verschiedenen Gruppen zusammenkamen, um gemeinsam zu lesen, um zu diskutieren und Aktionen zu machen, als schließlich auch Geld in Sicht war, unter sozialwissenschaftlicher Frauenforschung verstehen, was Helge Press kurz vor ihrem Tod formuliert hatte: "... alle Arbeiten, die mit den Mitteln der verschiedenen Kulturwissenschaften versuchen, die besondere Situation von Frauen in Gesellschaften der Gegenwart und der Vergangenheit zu beschreiben und zu erklären (1984,198)". Die Frauenforschung wurde überwiegend von Frauen betrieben, und noch konnte sie auch von Männern geleistet werden. Gewiß hatte sie politische Ziele. Alle mir bekannten Frauenforschungsarbeiten seit Ende der 60er Jahre knüpfen an oder verweisen auf die be-oder verhinderte Teilhabe von Frauen,-die soziale, ökonomische, politische und symbolische; und manche versuchen diese mit neuartigen Konzepten zu erklären. "Feministisch" war diese Forschung allemal, nimmt man den kleinsten gemeinsamen Nenner: die Überzeugung erstens, daß Frauen letztlich als Frauen benachteiligt sind; Diskontinuität, geringere Qualifikationen usw. z.B. erklären Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern; aber ein beachtlicher, nicht erklärter Rest der Lohndifferenz ist auf den bloßen Sachverhalt "weiblich" zurückzuführen; er springt bei Frauen sofort und zuerst ins Auge: Was sie sonst sind und können, tritt dahinter zurück; dies ist mit "Sexismus" gemeint; "feministisch" oder "Feminismus" verweist folglich darauf, daß zweitens Frauen bestimmte Bedürfnisse und Besonderheiten haben, die negiert werden, und schließlich drittens, daß die Befriedigung dieser Bedürfnisse einen radikalen Wandel unserer sozioökonomischen, politischen und symbolischen Ordnung verlangt (vgl. Delmar 1986,8). Obwohl in diesem Sinn "feministisch", gab es in der BRD bis in die zweite Hälfte der 70er Jahre keine "feministische" Wissenschaft. Auch deshalb konnte Simone de Beauvoir 1972 sehr wohl noch von einem "Feminismus der Männer" sprechen. Frauenforschung, nicht einmal die Art und Weise, in der sich Frauen in