Schweigen oder reden? Zu bu yu und bu jiang (original) (raw)

2018, R. Breuer, H. Roetz, Hg., Worüber man nicht spricht. Tabus, Schweigen und Redeverbote in China,

Die Deutsche Vereinigung für Chinastudien (DVCS) versucht die Themen ihrer Jahrestagungen so zu wählen, dass in dem weiten und heterogenen Fachgebiet der Sinologie möglichst viele Interessen abgedeckt werden können. Nicht nur literaturwissenschaftlich, historisch, linguistisch, philosophisch, kunstgeschichtlich und anderweitig orientierte Sinologinnen und Sinologen, sondern auch die mehr klassisch und die modern ausgerichteten sollen sich angesprochen fühlen. Auch mit dem Thema der im Herbst 2015 an der Ruhr-Universität Bochum durchgeführten Jahrestagung-"Bu yu 不語, bu jiang 不讲-Worüber man nicht spricht"-ließ sich ein Bogen spannen, der von der Antike bis in die unmittelbare Gegenwart reicht, wie schon die Wahl der unverkürzten traditionellen und der verkürzten modernen Schriftzeichen auf der Ankündigung der Tagung zeigen sollte. Zugleich hat das Thema eine Besonderheit, insofern es die Sinologie doppelt anspricht: Es ist zum einen ein Gegenstand der chinabezogenen Forschung. Zum andern aber betrifft es auch die Selbsterforschung der Sinologie-es nötigt sie zur Überlegung, worüber sie selbst eigentlich sprechen und wozu sie Stellung nehmen will und wie sie sich gegebenenfalls zu entsprechenden Erwartungen ihrer Texte, aber auch des heutigen China, verhalten soll. Die Ausdrücke bu yu und bu jiang, die zunächst einmal beide mit "nicht über etwas sprechen" übersetzbar sind-bu jiang auch mit "nicht diskutieren"-, markieren zwei paradigmatische Fälle der zur Diskussion stehenden Problematik, die einen Rahmen abstecken, aber nicht in jedem der Beiträge dieses Bandes angesprochen werden können. Deshalb sollen sie hier kurz vorgestellt werden. Bu yu ist ein Kürzel für die viel zitierte Lunyu-Stelle (論語) Zi bu yu guai li luan shen 子不語怪力亂神, 1 deren Sinn wie der fast aller Passagen der Gesammelten Worte des Konfuzius (551-479 v. Chr.) umstritten ist. Klar zu