Was der Fall ist (original) (raw)

1994, iNGENIUM UND iNDIVIDUUM

Die offizielle Geschichte der europaischen Universitat beginnt etwa um 1200, als sich namlich in Bologna und Paris Professoren und Studenten zu einer sogenannten „universitas magistrorum et scholarium“ zusammenschlossen. Allerdings war es an beiden Orten schon seit langerer Zeit moglich, sich „weiterzubilden“ und, wenn man es so bezeichnen mochte, zu „studieren“. Das last sich eindeutig aus einem Dokument ableiten, in dem Kaiser Friedrich Barbarossa 1158 Scholaren und Professoren unter den Schutz des Reiches stellte. Die oben genannte Formierung zu einer „universitas“ war somit nur ein Schritt in Richtung Institutionalisierung, oder um es in anderen Worten zu sagen, eine Abgrenzung (in der Terminologie der Systemtheorie wurde man von einer Ausdifferenzierung sprechen) gegenuber anderen gesellschaftlichen Gruppierungen wie den Stadten, den Zunften und selbstverstandlich auch der Kirche und dem Reich. Der Beginn der europaischen Universitaten war also ein Schritt der Institutionalisierung und, ich mochte betonen, weniger ein Schritt der „Intellektualisierung“. Denn die Moglichkeit, an bestimmten Orten, im Kreise Gleichgesinnter und meistens unter der geistigen Leitung eines oder einiger beruhmter Manner zu studieren, gab es schon sehr viel langer. Wir wissen, das die arabische Welt solche Orte in Salamanka, Timbuktu, Kairo, Bagdad etc. besas. Es ist daher anzunehmen, das die europaischen Universitaten, insbesondere jene, die im Territorium des heutigen Italien liegen, Nachahmungen dieser arabischen Tradition waren. Die Gepflogenheiten der Araber gehen allerdings ihrerseits auf antike Vorbilder zuruck, wie wir sie z. B. aus der griechischen Stoa oder der Akademie Platons kennen, die erst von einem um die christliche Lehre furchtenden Justinian geschlossen wurde.