Kodikologie und Paläographie zwischen Geis­teswissenschaften und Informatik (original) (raw)

Informatik und die Geisteswissenschaften

Informatik Spektrum, 2008

Informatik und die Geisteswissenschaften Im Vorwort zu einem der Texte, der in Gestalt der Informationstheorie die Informatik begründete, schrieb Warren Weaver: "In fact, two messages, one of which is heavily loaded with meaning and the other of which is pure nonsense, can be exactly equivalent, from the present viewpoint, as regards information. It is this, undoubtedly, that Shannon means when he says that 'the semantic aspects of communication are irrelevant to the engineering aspects.' " 1 Das Außer-Acht-Lassen des Sinns einer Nachricht, eine Denkungsart, die fremder den Geisteswissenschaften nicht sein könnte, eröffnete der Ingenieurskunst die Welt des Geistes in Form quantifizierbarer Information. Dies geschah mit weit reichenden Folgen, wie schon Weaver geahnt haben könnte, als er den Gedanken folgendermaßen weiterschrieb: "But this does not mean that the engineering aspects are necessarily irrelevant to the semantic aspects." Dies ist die Einsicht, die im Jahr der Geisteswissenschaften diese und auch die Informatik interessieren könnte: Der Ingenieurs-Zugriff der Informatik auf die Welt der Zeichen und Nachrichten, und damit auf das Wissen der Welt, lässt Letzteres und damit das Geistige selbst nicht unberührt. Ganz im Gegenteil: Die Ordnung des Wissens und des Sinns liegt heutzutage nicht mehr in der Obhut von wohlmeinenden und technikfernen Bibliothekarinnen und Archivaren, sondern zunehmend im Besitz kapitalkräftiger börsennotierter Unternehmen der IT-Branche wie Google oder SAP, die Wissensbestände erschließen und intellektuelle oder ökonomische Prozesse formalisieren, damit normieren, was wissbar sein kann. Dennoch war es wissenschaftsökonomisch angezeigt, dass sich Informatik und die Geisteswissenschaften auseinander entwickelt haben. Die Informatik ist ganz offensichtlich keine geisteswissenschaftliche Disziplin, denn der Grad ihrer Formalisiertheit ist ein ganz anderer als es dort üblich ist. Sie besitzt zudem einen stark konstruktiven Zug, denn irgendwer muss die Computer und die Software ja bauen. Diese Fremdheit gegenüber den sinnbezogenen und interpretierenden Wissenschaften vom Geist war schließlich ursprünglich die Voraussetzung für ihre umwälzenden Wirkungen. Dafür geht der Informatik die analytische Distanz ab, die sie von den Geisteswissenschaften lernen könnte und wohl auch müsste. Eine Tendenz zur Geschichts-Vergessenheit, ein Ideal der voraussetzungslosen Schöpfung lässt sich nicht verkennen, was bei einer so jungen Wissenschaft wie der Informatik vielleicht zunächst eine lässliche Sünde war. Albert-László Barabási, ein Naturwissenschaftler, fragt sich und uns anlässlich der atemberaubenden Entwicklung des Internet dann doch (endlich): "Until the mid-nineties all research concentrated on designing new protocols and components. Lately, however, an increasing number of researchers are asking an unexpected question: What exactly did we create?" 2 Doch diese Zeiten scheinen vorbei zu sein; auch dieses Heft und seine Beiträge machen das deutlich. Dabei hat nicht nur die Informatik sich ihrer selbst zu vergewissern. Auch die Geisteswissenschaften müssen sich auf die neue informatische Verfasstheit der Welt des Wissens einstellen, können sie nicht mehr allein deuten. Schließlich denkt man heutzutage sehr schnell an den Computer, wenn vom Alphabet die Rede ist, wenn es um Zeichen und

Geisteswissenschaft und Informatik

Informatik-Spektrum, 2007

Die Informatik beschert dem Menschen eine Unmenge Neues, was besonders Geisteswissenschaftler mit gemischten Gefühlen aufnehmen, wo es doch schon gewöhnlichste Menschen so tun. Es ist die Rede davon, dass der Umgang mit Informationstechnik als eine neue Kulturtechnik neben Ackerbau, Viehzucht oder Krawattenbinden treten könnte. Leider aber verändert die Kulturtechnik auch die Kultur. Das führt zu einer delikaten Verschiebung, über die ich ein bisschen nachgedacht habe.

Informatik im Kontext

2005

Informatik im Kontext Stellen Sie sich vor, man hätte Sie vor zehn Jahren gefragt: "Was wird in zehn Jahren das meist diskutierte Thema der Informatik sein?" Oder vor zwanzig Jahren? Oder vor dreißig Jahren? Wenn Sie jedesmal geantwortet hätten: "Datenbanken!" oder "Parallele Algorithmen!" lesen Sie vielleicht die falsche Zeitschrift. Doch Einigkeit unter uns anderen besteht wohl auch nur darin, daß sich Themen der Informatik schnell und substantiell ändern und daß sie recht breit gefächert sind. "PC-Architekturen, GUI, Multimedia, Objektorientierung, Internet, Künstliche Intelligenz, Open Source, XML, Zugriffssicherheit, WLAN, Weblogs, Langzeitarchivierung." Was war und ist wichtig und dauerhaft, was zufällig und überholt? Wie kann man ein solches Fach fassen-und gar für den Unterricht aufbereiten? Was kann als Ausgangspunkt dienen? Die Bedeutung der Informatik liegt in ihrer radikalen Wirkung auf den Alltag Informatik ist eine technische Wissenschaft. Ihr Rohstoff sind Erfindungen, so weit sie sich mit Software beschäftigt und gelegentlich auch Entdeckungen, wenn es um ihre Hardwarebasis geht. Aber das sind nur die Rohstoffe. Als Technik kann die Informatik sich nur selten ihren intrinsischen Motivationen widmen, sie wird in starken Maße durch äußere Faktoren angetrieben, gelenkt oder auch gebremst. Technische Entwicklungen kosten Geld, meist sehr viel Geld: Große Bereiche der Informatik werden von ihren Auftraggebern gesteuert. Informatische Produkte und Prozesse unterscheiden sich von vielen anderen Techniken, wie dem Bauingenieurwesen, der Atomenergietechnik oder der Weltraumfahrt dadurch, daß sie leicht kopierbar sind und damit schnell in Konsumtechniken diffundieren. Bei Software ist das ganz offensichtlich, bei der Hardware funktioniert es, solange sich Investoren finden, die für eine Chip-Fabrik einige Milliarden Euro vorstrecken. Das Mooresche Gesetz, die Leitlinie für die Investionsplanung in der Halbleitertechnik, beweist, daß sich bislang noch immer solche Inverstoren gefunden haben. Mit ihrer schnellen und breiten Diffusion und weil Software eine äußerst plastische Ware ist, die sich an unterschiedlichste Fragestellungen anpassen läßt, hat die Informatik einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung von Investitionsgütern jeglicher Art und ist gleichzeitig ein Element vieler technischer Konsumgüter. Ihre Software und ihre Prozessoren sind zum

INFORMATIONS-UND KOMMUNIKATIONSTECHNOLOGIEN ALS METHODISCH-DIDAKTISCHER PARADIGMENWECHSEL

Thesis, 2017

Pädagoginnen/Pädagogen ohne Programmierkenntnisse können ab einem Mindestmaß an digitaler Kompetenz, aus rein programmiertechnischer Sicht, eine Lernplattform mit zahlreichen Tools und Features für das „Mobile Lernen“ kreieren und installieren. Bei der Gestaltung von m&eLearning-Plattformen (m&eL) für den BU, kann aus einer Vielfalt an Angeboten gewählt werden, der Facettenreichtum verhindert allerdings einen Praxisleitfaden für alle Eventualitäten. Lehrerinnen/Lehrer, die mit der Handhabung von IKT und m&eL wenig vertraut sind oder ihnen ggü. Ressentiments haben, sind durch spezielle Maßnahmen – Aufklärungsarbeit bis hin zu (verpflichtenden) Weiterbildungsangeboten – an Bord zu holen. Student/innen an den Pädagogischen Hochschulen müssen digitale Medienkompetenz bereits im Rahmen des Grundstudiums erlernen. Schülerinnen/Schüler profitieren am m&eL-Konzept im BU, soweit es über das »Blended Learning« nach dem »flexiblen Modell« betrifft. Ein selbstbestimmtes und -reguliertes Lernen scheitert heutzutage keinesfalls an einer unzureichenden Medienkompetenz von Schülerinnen/Schülern. Selbstdisziplin, Eigenmotivation und Eigenverantwortung in Bezug auf Lernverlauf und Lernerfolg sind häufig kleingeschrieben. Der Vergleich zw. einem physischen und virtuellen Klassenverband sowie einer digitalen und analogen Verbundenheit von Schülerinnen/Schülern mit Lehrerinnen/Lehrern ist auf psychosozialer Ebene anzustellen und darf nicht mit der methodisch-didaktischen Machbarkeit verwechselt werden. Ein methodisch-didaktischer Paradigmenwechsel hin zum rein virtuellen Unterricht ist realisierbar und ein international erprobtes Erfolgskonzept. Der Zeitaufwand ist in der Entwicklungsphase hoch, nimmt jedoch in weiterer Folge sukzessive ab. Im Endeffekt kann der Einsatz eines virtuellen Unterrichts sogar beitragen, Arbeitszeit und Kosten einzusparen.

Zur bildungstheoretischen Bedeutung des Diskurses zwischen Pädagogik und Informatik

E-Journal „Communication, Cooperation, Participation (CCP)“. Sonderausgabe „Theorie der Informatik“ Juni 2009, 2009

Über die praktische Motivation zur interdisziplinären Zusammenarbeit von Pädagogik und Informatik in der informationstechnischen Bildung und der Mediendidaktik hinaus gibt es eine verborgene Verwandtschaft zwischen diesen beiden Disziplinen. Sie soll hier als gemeinsame Arbeit an der Autonomie der Menschen bezeichnet werden. Diese Verwandtschaft erschließt sich allerdings nur, wenn von Seiten der Pädagogik ihr klassischer Bildungsbegriff mit seinem Mündigkeitsanspruch nicht zugunsten eines neutralisierten Lernbegriffs aufgegeben wird. Die informationstechnische Vermittlung von Lernprozessen zwingt in ihrer fundamentalen Abstraktheit dem Lernen bildende Qualität geradezu auf, sofern es sich nicht medienblind vollzieht: Lerngegenstände im virtuellen Raum sind nur noch als Repräsentationen von Theorie, in keiner Weise mehr als Repräsentationen einer referenzierten wirklichen Welt zu begreifen. Informationstechnisch vermitteltes Lernen ist durchgängig theorievermitteltes Lernen. Daraus resultieren Anforderungen an die Pädagogik ebenso wie an die Informatik: Pädagogisch ist der Durchgang durch die mediale Abstraktion als komplementärer Prozess von Abstraktion und Konkretion zu reflektieren, in dessen Verlauf der Lerner die informatischen Konstruktionen nicht nur zu durchschauen, sondern auch selbst Verantwortung für die Gestaltung von ihm selbst konstruierbarer Lerngegenstände zu übernehmen hat. Informatisch sind dem Nutzer der theoretische Durchblick und der konstruktive Durchgriff auf das dem Lernobjekt zugrunde liegende Datenobjekt zu erlauben und zu unterstützen, sind Lernobjekte als transparent und gestaltbar zu präsentieren.

Semiotik und Digitale Geisteswissenschaften

Die neu eingerichtete Sektion „Digital Humanities“ der Deutschen Gesellschaft für Semiotik (DGS) widmet sich dem weiten Spektrum digitaler Verfahren und Methoden in den Geisteswissenschaften aus dem Blickwinkel der Semiotik. Sie fragt, für welche Aspekte der Erforschung von Zeichensystemen wir neue Denkansätze und Werkzeuge benötigen. Angesichts des rapiden Wandels der Gesellschaft durch den wachsenden Einfluss des Digitalen in all seinen Facetten, insbesondere das Internet, haben computerbasierte Forschungsmethoden innerhalb der letzten Jahrzehnte begonnen, auch die Geisteswissenschaften nachhaltig zu verändern. Digitalisierte Text-, Manuskript-, Bild- und Filmkorpora, ein breites Spektrum von Online-Editionen, digitalen Repositorien und vielfältige Web-Interfaces sind nur einige der wichtigsten Neuerungen. Für die Semiotik bieten diese Fortschritte wertvolle Impulse. Als Beispiel sei hier die Erweiterung der Korpusanalyse über die Sprachverarbeitung hinaus in den Bereich der Gestenforschung, der Bild- und Filmanalyse bis hin zu multimodalen Korpora genannt. Dafür werden neue Analysewerkzeuge benötigt, ebenso wie angemessene Techniken der Speicherung, Annotation, Suche und statistischen Auswertung. Von besonderer Bedeutung ist zudem die Entwicklung relevanter Fragestellungen für die qualitative Interpretation der gewonnenen Ergebnisse. Auf der anderen Seite ermöglicht die Semiotik die theoretische Fundierung und kritische Begleitung der Digital Humanities, die Prüfung ihrer Methoden und Fragestellungen sowie eine angemessene zeichentheoretische Beschreibung dessen, was digitale Arbeitsmittel für die Geisteswissenschaften leisten können. Die Sektion „Digital Humanities“ unterstützt die Vernetzung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich für den Einsatz von Computertechnologien in den Geisteswissenschaften aus praktischer oder theoretischer Perspektive interessieren. Sie strebt die Akzeptanz digitaler Methoden in der Semiotik an, aber auch eine kritische Evaluierung und Reflexion der einzelnen Technologien und Werkzeuge. Zugleich fördert sie die Bekanntheit semiotischer Fragestellungen innerhalb der Digital Humanities. Nicht zuletzt zielt die Sektion auf eine größere Sichtbarkeit digitalen Arbeitens an zeichentheoretischen Fragestellungen im In- und Ausland.