Komposition und Aufführung. Louis Spohr’s Selbstbiographie (1860/61) (original) (raw)
2015, V&R unipress eBooks
Die Literaturwissenschaft hat auf die Autobiographie eines Komponisten einen etwas anderen Blick als die Musikwissenschaft oder auch die Geschichtswissenschaft. Musikwissenschaftlerinnen oder Historiker lesen einen autobiographischen Text in erster Linie, weil sie etwas über das Leben des Autobiographen bzw. der Autobiographin erfahren und die Persönlichkeit kennenlernen wollen. Die Literaturwissenschaftlerin interessiert sich für die Form der Autobiographie als solche, die Entwicklung der Gattung, ihre Grenzen und Möglichkeiten. 1 Es geht der literaturwissenschaftlichen Autobiographieforschung also nicht so sehr um die Person, den Autor, die Autobiographin, sondern um den Text als literarische Form und als Medium der Selbstkonstruktion. In der Literaturwissenschaft geht man davon aus, dass die Form eines Texts nicht lediglich einen Inhalt wiedergibt, sondern dass der Inhalt wesentlich durch die Form geprägt ist. D. h.: in literaturwissenschaftlicher Perspektive bildet sich in einer Selbstbiographie eine historische Person nicht einfach ab, sondern es wird davon ausgegangen, dass der Text mit seinen sprachlich-rhetorischen Mitteln ein autobiographisches Ich überhaupt erst hervorbringt und modelliert. Man darf den Louis Spohr im Text nicht mit dem historischen Louis Spohr gleichsetzen, allerdings kann man auch nicht behaupten, dass der Text-Spohr mit dem historischen Spohr nichts zu tun hat, denn letzterer hat ja schließlich den ersteren geschaffen. Der Text-Spohr ist gewissermaßen das Selbstbild des historischen Spohr und somit Teil seiner Lebensrealität. Und gerade dieses komplexe Wechselverhältnis, das heute auch unter dem Stichwort ‚Autofiktion' 2 diskutiert wird, bildet den Untersuchungsgegenstand 1 Über die Unterschiede literaturwissenschaftlicher und geschichtswissenschaftlicher Autobiographieforschung vgl.
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"Komposition und Aufführung. Louis Spohr`s Selbstbiographie" (2015)
Die Literaturwissenschaft hat auf die Autobiographie eines Komponisten einen etwas anderen Blick als die Musikwissenschaft oder auch die Geschichtswissenschaft. Musikwissenschaftlerinnen oder Historiker lesen einen autobiographischen Text in erster Linie, weil sie etwas über das Leben des Autobiographen bzw. der Autobiographin erfahren und die Persönlichkeit kennenlernen wollen. Die Literaturwissenschaftlerin interessiert sich für die Form der Autobiographie als solche, die Entwicklung der Gattung, ihre Grenzen und Möglichkeiten. 1 Es geht der literaturwissenschaftlichen Autobiographieforschung also nicht so sehr um die Person, den Autor, die Autobiographin, sondern um den Text als literarische Form und als Medium der Selbstkonstruktion. In der Literaturwissenschaft geht man davon aus, dass die Form eines Texts nicht lediglich einen Inhalt wiedergibt, sondern dass der Inhalt wesentlich durch die Form geprägt ist. D. h.: in literaturwissenschaftlicher Perspektive bildet sich in einer Selbstbiographie eine historische Person nicht einfach ab, sondern es wird davon ausgegangen, dass der Text mit seinen sprachlich-rhetorischen Mitteln ein autobiographisches Ich überhaupt erst hervorbringt und modelliert. Man darf den Louis Spohr im Text nicht mit dem historischen Louis Spohr gleichsetzen, allerdings kann man auch nicht behaupten, dass der Text-Spohr mit dem historischen Spohr nichts zu tun hat, denn letzterer hat ja schließlich den ersteren geschaffen. Der Text-Spohr ist gewissermaßen das Selbstbild des historischen Spohr und somit Teil seiner Lebensrealität. Und gerade dieses komplexe Wechselverhältnis, das heute auch unter dem Stichwort ‚Autofiktion' 2 diskutiert wird, bildet den Untersuchungsgegenstand 1 Über die Unterschiede literaturwissenschaftlicher und geschichtswissenschaftlicher Autobiographieforschung vgl.
Die Oratorien Louis Spohrs. Kontext - Text - Musik, ed. by Dominik Höink, 2015
Das erste von Louis Spohrs vier Oratorien, Das jüngste Gericht aus dem Jahr 1812, ist ein Werk, das bereits zu Lebzeiten des Komponisten weniger intensive Rezeption gefunden hat als die anderen drei Beiträge Spohrs zur Gattung. Dies äußert sich nicht zuletzt darin, dass das Oratorium nicht zum Druck befördert wurde; auch unternahm der Komponist selbst offenbar in seinen späteren Le-bensjahrzehnten keine Anstrengungen mehr, seinen Gattungserstling durch Aufführungen zu propagieren. Dafür mag eine Reihe von Gründen in Anschlag zu bringen sein, namentlich eine wahrgenommene Weiterentwicklung des ei-genen Komponierens bzw. der stilistischen Normen der Zeit, aber auch nicht weiter zu beeinflussende äußere Umstände. Der vorliegende Beitrag setzt es sich zum Ziel, die Besonderheiten des Werks in Bezug auf Spohrs eigenes Schaffen wie auf die musikgeschichtlichen Rahmenbedingungen herauszuarbeiten, um damit zum einen die Gründe für die vergleichsweise spärliche Rezeption genauer fassen zu können und zum anderen die gleichwohl nicht gänzlich periphere Position der Komposition innerhalb der künstlerischen Entwicklung seines Autors herauszuarbeiten. Damit wird nicht zuletzt auf eine graduelle Verände-rung im Denken über die Zielsetzungen eines musikalischen Produktionspro-zesses abgehoben, für die Das jüngste Gericht exemplarisch als in einer Art Schwellenfunktion stehend interpretiert werden kann.
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Der Symphoniker Joachim Raff. Mit einer Anmerkung zur "Geschichte" der Postmoderne
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Was Joachim Raff a member of the so-called New German School in Weimar? This portrait tries to locate the aesthetical position of the composer, who was born in Switzerland and who became famous for his collaboration with Franz Liszt. But: Is Raff in point of fact more a prototyp of a postmodern composer?
1924 - Improvisation als poetisches Produktionsprinzip bei Robert Walser
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Taking the French romantic ballet La Sylphide as an example this thesis aims to show how a staging of a ballet can relate the same content as the written libretto without using the medium of the written word. This is done by way of analyses of semantic fields, lines of action, musico-choreographic comparison, etc.
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