Unfälle sind keine Zufälle. Plädoyer für eine Geschichte des Unfalls und der Risikoakzeptanz im Militär am Beispiel von Bundeswehr und NVA (original) (raw)

2022, Deutsche Militärgeschichte in Europa 1945‑1990 Repräsentation, Organisation und Tradition von Streitkräften in Demokratie und Diktatur

Offenbar gab es kaum etwas Alltäglicheres als Unfälle – im Militär wie auch in den zivilen Bereichen der Gesellschaft. Dennoch gibt es bislang keine wissenschaftliche Geschichte des Unfalls im Militär. In einem ersten Schritt bestimmt der Beitrag das Phänomen des militärischen Unfalls und überführt es in historische Analysekategorien. Daraufhin klärt er, weshalb Unfälle in Militärorganisationen als Krise aufgefasst wurden. Abschließend werden am Beispiel von Verkehrsunfällen einige Muster des Risikomanagements – verstanden als planmäßiges Bestreben einer Organisation, die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Schadensereignisse zu senken – im deutschen Militär während des Ost-West-Konflikts herausgearbeitet.

Unfälle, Vorfälle, Fälle. Zur Archäologie des polizeilichen Blicks

2009

Vor dem Fall steht der Vorfall, vor der Psychiatrie die Polizei. Vor der Einweisung einer Person in die Psychiatrie steht, wenigstens in Basel deren Begutachtung durch den Stadtarzt, vor dieser Begutachtung die Registrierung eines verdächtigen Ereignisses durch die Polizei. Das ist das administrative Verfahren, das um 1900 zur Einweisung in die Psychiatrie führt. Der Diagnostizierung einer Geisteskrankheit geht also eine Reihe von Übersetzungsakten voraus, die jedes Mal einen Transfer von Menschen und Schriftstücken zwischen Behörden bedeutet. Erst durch diese Übersetzung wird ein Geschehnis, das irgendwann auf Straßen, in Gaststätten oder Wohnungen stattgefunden haben mag, ein wirkliches Ereignis. Davor gibt es nur eine Unmenge potentieller Ereignisse, eine Unzahl kleinerer und größerer Unfälle, die alle durch Vermittlung der Polizei und des Stadtarztes dazu führen können, dass eine Person in die Psychiatrie eingewiesen wird, die aber keineswegs zu einer solchen Maßnahme führen müssen. Das Fallwerden lässt sich also auf drei Ebenen analysieren: Auf der Ebene der Unfälle als Geschehnisse im Alltag, auf der Ebene des Vorfalls als deren Erfassung und schließlich auf der Ebene des Falls als der Festschreibung eines Vorfalls.

Das Essener Trauma Inventar – Validierung an einer Stichprobe von Bundeswehrsoldaten

Problem: Das Essener Trauma-Inventar (ETI) ist ein neues Verfahren zur Diagnostik der Posttraumatischen Belastungsstörung und der akuten Belastungsreaktion. Es besteht aus insgesamt 58 Items, davon 23 symptombezogene Items die den vier Subskalen Intrusion, Vermeidung, Hyperarousal und peritraumatische Dissoziation zugeordnet werden. Derzeit erfolgt die Validierung an verschiedenen Stichproben in unterschiedlichen Sprachen. Im Rahmen dieser Arbeit soll die Validität des ETI in einer militärischen Stichprobe aus Deutschland untersucht werden. Methode: Es wurden 292 Bundeswehrsoldaten befragt. Das mittlere Alter betrug 23.68 Jahre (SD = 5.68; Range = 18 – 47). Der Anteil weiblicher Soldaten betrug 6.2%. Als Außenkriterien wurden die Impact of Event Scale – Revised und die Posttraumatische Stress Skala-10 für die konvergente sowie die Symptom Check List 27 (SCL-27) für die Beurteilung der diskriminanten Validität eingesetzt. Ergebnisse: Objektivität, Reliabilität und Validität des ETI sind für die untersuchte Stichprobe gut bis sehr gut. Die Subskaleneinteilung ließ sich faktorenanalytisch nicht bestätigen. Schlussfolgerungen: Das ETI ist ein ökonomisches Testinstrument, dessen Einsatz sowohl zum Screening als auch zur professionellen Diagnostik geeignet ist. Es ist das einzige spezifische deutschsprachige Testinstrument, das mit gutem Ergebnis auf seine Eignung in einer militärischen Stichprobe untersucht wurde.

„Ein bisschen Zufall“ – Zum Einsatz von Losverfahren an der mittelalterlichen Universität als Strategie der Risikovermeidung

in: Benjamin Scheller (Hrsg.), Kulturen des Risikos im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (Schriften des Historischen Kollegs 99), Berlin/Boston, S. 107-123, 2019

The central question of the considerations is how lot-casting was integrated into decision processes for the distribution of goods and allocation of offices at the medieval university and how the contingency arising from this was dealt with. It is therefore a question of how randomness was organized. Three strategies for taming coincidence can be seen: 1. the combination of the lot with traditional social patterns of order such as seating arrangement or seniority. This represents the existing hierarchical order of the competitors, which should have eased acceptance of the result of the draw. 2. the combination of the lot with a book. In this original manner, the order of the text was correlated with the familiar social ranking according to seniority and the latter, conveyed by drawing the book lots, transformed comparatively gently. 3. the transfer of the lot from the final decision on the merits to an organizational preliminary decision. This provided a clear framework for the lots, so that only very little scope was left for coincidence. In decision processes at universities, the controlled use of lots proved to be an appropriate method to defend against outside interference, eliminate manipulation from the inside and avoid competition and the risk of associated distribution conflicts. Due to the lot, processes gained autonomy from their social environment and were able to confer legitimacy, leaving it impossible to distinguish whether the lot drawing was with reference to God or to mere coincidence.

Loading...

Loading Preview

Sorry, preview is currently unavailable. You can download the paper by clicking the button above.

Kafkas Poetik des Unfalls

Christian Kassung, Hg., Die Unordnung der Dinge. Eine Wissens- und Mediengeschichte des Unfalls, 2009