»DER ANGRIFF DER GEGENWART AUF DIE ÜBRIGE ZEIT«. RICHARD KOEBNERS UND REINHART KOSELLECKS HISTORISCHE SEMANTIKFORSCHUNGEN ZWISCHEN HISTORISMUS UND POSTHISTOIRE (original) (raw)
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Als besonders empfänglich für die Thematisierung vieler zentraler theoretischer Aspekte der literarisch-‐‑ künstlerischen Postmoderne hat sich im literarischen Feld die postmoderne Form des historischen Romans gezeigt, die in verschiedenen Ausformungen, wie etwa der historiographischen Metafiktion, erkannt wurde. Diese neuen Tendenzen in der Gegenwartsliteratur bewegen sich im Spannungsfeld von Literatur und Historiographie, im Brennpunkt zweier Diskurse, die ähnliche und gleichwertige Bedeutungssysteme konstituieren, mittels derer wir die als Fakten interpretierten und narrativierten Geschehnisse der Vergangenheit zu verstehen suchen. Auch in der Prosa der deutschen Literatur ist spätestens seit den 80er Jahren zunehmend eine Bewegung hin zur Darstellung und Reflexion von unterschiedlichsten historischen Geschehen und Zuständen zu verzeichnen, die in engem Zusammenhang mit einer Wiederkehr des Erzählens steht, die sich von den Tendenzen der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur stark unterscheidet. Zu beobachten ist dabei auch eine grundlegende und steigende Tendenz zur Metaisierung im Bereich der historienaffinen Romane, somit eine Bewegung, welche die Entwicklung des historischen zum postmodernen historischen Roman im englischsprachigen Raum etwas versetzt nachzuzeichnen scheint. Dieser Beitrag untersucht vor diesem Hintergrund W.G. Sebalds Die Ringe des Saturn und Austerlitz als exemplarische Beispiele dieser Spanne an neueren innovativen, kritischen, metafiktionalen Werken in der deutschen Literatur. ABSTRACT The postmodern forms of the historical novel have been found to be particularly receptive for the engagement with many of the central theoretical assumptions and aspects of cultural postmodernism, and they have been categorized with labels such as historiographic metafiction. These new tendencies in contemporary literature situate themselves within the discourses of literature and history/historiography: discourses that are similar to each other and equivalent in their function of narrating, thus enabling and enhancing our understanding and experience of past events. An increasing movement towards the representation and reflection of historical events and conditions has also been observable within German prose fiction since the beginning of the 1980s. This tendency seems to be closely related to a recurrence of actual story telling which is significantly different from the central aspects of German post-‐‑ war literature. Furthermore, there seems to be an increasing tendency towards metafictional narration in the respective literary works referred to as German examples of the postmodern historical novel. Thus, the development from the historical to the postmodern historical novel in English fiction seems be traced here. In the light of the above, this paper investigates W.G. Sebald's Die Ringe des Saturn and Austerlitz as significant examples of this range of contemporary innovative, critical and metafictional works in German literature.
2020
Reinhart Kosellecks Bildnachlass dokumentiert dessen jahrzehntelange Forschungen zur politischen Ikonologie des gewaltsamen Todes und der Geschichte des Reiterdenkmals, einschließlich seiner leidenschaftlichen Fotopraxis. Kaum bekannt und von besonderem Interesse für das hier verfolgte Rahmenthema "Politische Ikonologie - Begriffsgeschichte - Epochenschwellen", zeugt dieser reiche Fundus aber auch von intensiven kunstgeschichtlichen und kunsttheoretischen, mitunter kunstphilosophischen und bildwissenschaftlichen Interessen des Bielefelder Historikers, die dieser Zeit seines Studiums und keineswegs nur parallel zu seiner historischen Arbeit verfolgte. Denn diese Spuren führen tief in das historische Denken Kosellecks hinein, und sie zeigen, dass dessen Blick bei aller konkreten Bildarbeit nie dem Sichtbaren allein galt, sondern immer auch dem Unsichtbaren, dass er sich das Unsichtbare - geschichtliche Strukturen und Prozesse, geschichtliche Zeit und Bewegung, schlicht Gesch...
SEUCHEN, KRIEGE UND STÄDTE-EROBERUNG IN HISTORISCHER PERSPEKTIVE
Documenta Pragensia XLI, 2022
Jörg Vögele – Katharina Schuler, Epidemics, Wars and the Conquest of Cities in Historical Perspective Movements of people lead to the spread of infectious diseases, the history of which is closely tied to the development of the global economy. Another important element are epidemics that break out as the result of wars. From a historical perspective, warfare, military campaigns, and city sieges have claimed countless victims, both soldiers and civilians. Plague, dysentery, typhus, cholera, influenza, and malaria are considered classic wartime epidemics. Until the 20th century, it is said that more soldiers died from infectious diseases than from actual military operations. The article systematically analyses the scope of wartime epidemics in relation to both besiegers and the besieged town residents, as well as the short-term and long-term consequences of contact between the two sides. Drawing on events from different eras and cultural circles, the authors place the outbreaks and the course and consequences of infectious diseases into the historical context. Keywords: towns, war, epidemics, besiegers, siege, conquest
Die sogenannte "Sattelzeit". Reinhart Kosellecks Geschichts-Metapher im Erfahrungsraum des Krieges
Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte (ZRGG), 2023
Reinhart Koselleck (1923–2006) is one of the most recognized German thinkers of history. He coined a number of influential historiographical terms that shaped the general understanding of history. In his essay, Bodo Mrozek discusses one of Koselleck’s most successful terms Sattelzeit (saddle period, 1750–1850). Adapting Kosellecks concept of Begrifffsgeschichte and using it to explore Koselleck’s own wording, the essay follows the history of the Sattelzeit in Koselleck’s work and beyond. To explain the astonishing fact that– despite the exceptional success of his term – t he older Koselleck distanced himself increasingly from his own creation, the article discusses biographical aspects of young Reinhart Koselleck who was a member of the mounted Hitler Youth and served with the horse-drawn artillery in World War II. The article suggests an understanding of Koselleck’s reluctance to use his term in his late biography on the base of this biographical background, intertwined with the contemporary debates about the war crimes of the Wehrmacht (article in German),
2. Die Zeit der sächsischen Kaiser: Über die Willkür historiographischer Epochenbildung
2009
Im Januar 2000 fand an der American Academy in Berlin ein Streitgespräch zwischen dem amerikanischen Historiker Charles S. Maier und Hans-Ulrich Wehler über die Frage statt, wie die Geschichte des 20. Jahrhunderts zu erzählen sei. 1 In Abgrenzung zu dem von Eric Hobsbawm geprägten Begriff vom "kurzen 20. Jahrhundert", 2 das die Epoche von 1914/18 bis 1989 umfaßt, stellte Maier einen Alternativentwurf vor. Seine als "¾ra der Territorialität" benannte Periodisierung setzt um 1860 ein und endet etwa 1980. Sie ist gekennzeichnet durch die weltweit zu beobachtende, zunehmende politische, soziale, vor allem aber technisch-çkonomische Durchdringung präzise abgegrenzter, in der Regel nationalstaatlich verfaßter Territorien. Ihr Ende findet diese wachsende Integration geopolitischer und politçkonomischer Räume, die gleichzeitig die innere Durchdringung der Nationalstaaten wie deren koloniales Ausgreifen beschreibt, in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Damals nämlich, als die Errungenschaften der informationstechnologischen Revolution das Territorium als Orientierungsgrçße gesellschaftlichen Handelns überwanden, so läßt sich aus Maier folgern, begann das Heute, unsere Gegenwart: das Zeitalter der Globalisierung. Gegen Maier verteidigte Wehler die Konzeption vom "kurzen 20. Jahrhundert" und mit ihr die Geschichte vom Kampf des demokratischen Rechtsstaates gegen seine totalitären und autoritären Gegner und die des Sozialstaates gegen seine liberalistischen Widersacher. Am Ende siegen die Lernprozesse, es bleibt die soziale Demokratie als unendliche Aufgabe. Die Gegenwart beginnt für Wehler folglich mit dem Jahr 1991, mit dem Zerfall des Sowjetreiches. Obwohl nicht das Erklärungspotential der divergierenden Geschichtsentwürfe hier interessieren soll, erlauben sie doch gerade wegen ihrer Gegensätzlichkeit einige allgemeine Beobachtungen: Geschichtsschreibung, auch die der jüngsten Vergangenheit, bedarf der sinnstiftenden Epochenbildung, des Zäsuren setzenden Historikers, des erlçsenden Fluchtpunktes der Erzählung. Man mag das Bewußtsein teilen, in einer neuen Zeit zu leben, dennoch unterschiedliche Zeitenwenden definieren und hiervon ausgehend divergierende Geschichtsmodelle zur Erklärung der Vergangenheit entwickeln. "Wenn nur