Macht und substantielle Repräsentation von Frauen (original) (raw)
2017, Zenodo (CERN European Organization for Nuclear Research)
Demokratie als Selbstregierung und Selbstgesetzgebung erfordert bestimmte Mechanismen zur Gewährleistung der gleichen Teilnahme aller betroffenen Personen am politischen Prozess. In modernen Gesellschaften ist politische Repräsentation ein solcher notwendiger Mechanismus, also die durch Wahlen autorisierte Vertretung von Personen in Entscheidungsgremien wie Parlamenten. Die dazu nötige Ausweitung politischer Rechte auf immer mehr Personengruppen ging langsam vonstatten und war umstritten. Die Forderung nach (Geschlechter-)Gleichheit in der politischen Repräsentation lässt sich mit Werten von Gleichheit und Gerechtigkeit, aber auch inhaltlich, also im Sinne von Auswirkungen auf policy outputs begründen. Die Realität ist aber weit von diesem demokratischen Ideal entfernt. Die feministische Politikwissenschaft hat immer wieder gezeigt, dass gesellschaftliche Unterdrückungs-und Abwertungsverhältnisse wirksame und hohe Hürden bei politischer Sozialisation, beim Zugang zu politischen Ämtern und politischer Verantwortung von Frauen sowie bei der Definition und Legitimierung von Politiken darstellen. So sind weltweit nur 23% der Parlamentssitze von Frauen besetzt; in Deutschland liegt ihr Anteil in Regierung und Bundestag bei einem guten Drittel, auf der kommunalen Ebene aber nur bei 26% (European Commission DG Justice 2016). Solche ungerechten Machtverhältnisse manifestieren sich in kulturellen Normen, sozialen Praktiken und ökonomischen Strukturen. Dies lässt sich mit Iris Marion Youngs "five faces of oppression" veranschaulichen, die sie übergreifend für Unterdrückungsverhältnisse formuliert hat (Young 2004). Es sind dies ökonomische Ausbeutung, sozioökonomische Marginalisierung, fehlende Autonomie über die eigene Arbeit, kultureller Imperialismus und systematische Gewalt. Dabei wirken Machtverhältnisse im gesamten Prozess politischer Beteiligung und in allen Institutionen, von der politischen Sozialisation im Kindergarten bis zur Durchsetzungskraft von Frauen in höchsten Staatsämtern: Was gilt als politisch relevant, als sagbar, als dringendes politisches Problem? Eine formal mächtige Stellung von Politikerinnen in der Exekutive, die eine Agenda zur Verwirklichung von Frauenanliegen haben, bedeutet nicht gleichzeitig, dass sie das auch de facto durchsetzen können (Sauer 2009). Im Folgenden widmen wir uns einem Ausschnitt des politischen Entscheidungsprozesses, nämlich der substantiellen Repräsentation von Frauen in Legislative und Exekutive als materiell und symbolisch relevanten Arenen demokratischer Politik. Sie sind deswegen so wichtig, weil in ihnen Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden, die materiell spürbare Auswirkungen haben. Nichtsdestotrotz finden sich in diesen Bereichen, insbesondere in Bezug auf die Exekutive, teils deutliche Forschungslücken zur substantiellen Repräsentation von Frauen.