Autorschaft und Adel bei Alexander von Sternberg (1806-1868) (original) (raw)

2023, in: Adel im Vormärz Begegnungen mit einer umstrittenen Sozialformation, hg. v. Urte Stobbe und Claude D. Conter. Bielefeld: Aisthesis, S. 199-227

Unbestreitbar schrieb sich Alexander von Sternberg (geb. Alexander Peter Freiherr von Ungern-Sternberg) auf eine markante Weise in den Prozess des Elitenwandels ein und lieferte, wenn man so will, ein Beispiel für die Kombination von ‚aristokratischer écriture’ und Adeligkeit, insofern nämlich seine literarischen Produktionen sich häufig als Schreiben über verschiedene Merkmale und Erscheinungsformen des Adels zu erkennen gaben. In seinem Fall aber handelte es sich nicht, oder jedenfalls nur sehr bedingt, um das Resultat kollektiver adeliger Standes- und Familienstrategien, da eine regional gegründete Adeligkeit sich ihm nicht in Form einer festen Gruppenzugehörigkeit anbot und die Option einer historisch gewachsenen Gruppenkultur als Erfolgskonzept im Elitenwandel der modernen Gesellschaft sich ihm nicht stellte. Alexander von Sternberg gehörte zu der seltenen Species von Schriftstellern seiner Zeit, die Belletristik als Lebensberuf gewählt hatten und sich damit die materielle Basis für einen relativ aufwendigen Lebensstil erwirtschaften konnten. Er trat in erster Linie als Romanautor und Novellist in Erscheinung, wobei er sich überdurchschnittlich häufig, oft auch mit kulturkritischem Blick, auf Personen und Lebenswelten des Adels kaprizierte. Der literarischen Gattung des Dramas widmete er sich sporadisch, während Lyrik in seinem Portfolio nur selten zu finden ist. Daneben betätigte er sich als Karikaturist und Kunstkritiker sowie als Verfasser biographischer Skizzen und autobiographischer Reminiszenzen. Seine vermutlich nicht unbeträchtliche Rolle als Rezensent, Korrespondent und politischer Berichterstatter ist noch weitgehend unerforscht. Sternberg bediente als adliger Schriftsteller das Lektürebedürfnis einer im Laufe seiner Schaffenszeit rasant zunehmenden Leserschicht. Er war in den anderthalb Jahrzehnten vor der Revolution von 1848/49 der gefragteste Beiträger in Cottas vielgelesenem Morgenblatt, und als er gegen Ende seines Lebens die Familienzeitschrift Die Gartenlaube mit belletristischen Beiträgen bestückte, erreichte er, wenn man die Auflagenhöhe des Blattes als Maßstab anlegt, ein Publikum von 85 000 Lesern.