‚Veritas fabulosa et fictio historica‘ bei Heinrich Steinhöwels Apollonius und Johannes Hartliebs Alexander: Zur politisch-ideologischen Funktionalisierung zweier ‚Romane‘ im Kontext der Kreuzzugsideologie des 15. Jahrhunderts (original) (raw)

Tacitus und die Macht der Nerobilder, in: Thomas Blank / Felix K. Maier (Hrsgg.): Die symphonischen Schwestern. Narrative Konstruktionen von ‚Wahrheit‘ in der nachklassischen Geschichtsschreibung (Stuttgart 2018), 327-344

2018

The picture we can form of the Roman emperors of the 1st century A.D. can only be traced with the utmost caution. We know that popular perception of this period sees a Caligula or a Nero as true beasts in human form; this is all the more true when this view is further clouded by modern distortions of film and historical fiction. But also the power of the images created by the despotic principes of that era, which historians like Tacitus left to posterity, should not be underestimated, despite centuries of critical investigation and partial revision. The suspicion that the authors consciously orientate themselves towards fictional literature, both drama and novel, is confirmed in a number of cases, e.g. in Tacitus' account of the reign of Nero (Ann. XIII-XVI), on which the paper will concentrate. For Tacitus (and with him apparently for the majority of ancient historians), this procedure seems to be typical: a representation that does not produce inner drama with the means of linguistic art alone, but often feeds directly from the sources of dramatic poetry and the novel. Thus Eduard Schwartz could describe Tacitus as "not the last great ancient historian, but the last great ancient poet". It remains a worthwhile task to continue to pursue this obviously close relationship to fictional literature. To critically examine the representational strategies of ancient historians means to sharpen the awareness of when admirable linguistic art distorts historical truth, when "history" becomes "stories", then and now.

Die Abwendung von der Authentizität Postkoloniale Sichtweisen in neueren Romanen

Über die neue Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, 2012

Druckfassung) Aus: Die Abwendung von der Authentizität. Postkoloniale Sichtweisen in neueren Romanen. In: Michael Rössner, Heidemarie Uhl (Hg.), Renaissance der Authentizität? Über die neue Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, Bielefeld (transcript) 2012. S. 41-60. Die Abwendung von der Authentizität. Postkoloniale Sichtweisen in neueren Romanen. Anil Bhatti Im postkolonialen Denken, das sich eher als ein Ensemble von Haltungen begreifen läßt denn als systematische Theorie, gibt es eine unruhige Spannung zwischen der Sehnsucht nach dem Ursprung und dem revolutionären Blick nach vorne. 1 Tendenziell werden jedoch Sichtweisen, die den Kolonialismus als Schnitt, als Zäsur, gar als Wunde und gewaltsame Abkehr von einem ursprünglichen, authentischen Weg begreifen, abgelöst von Haltungen, die den Kolonialismus als eine prozessuale Erhöhung der planetarischen Komplexität durch fortschreitende Verkettungen auffassen. Dadurch kommt es auch zu einer Verschiebung des Akzents bei der Kritik am historischen kolonialen Machtgefüge. Während es früher um Restitution, um Wiedergutmachung, um Korrektur ging, wird jetzt der Akzent auf unterschiedliche Solidarisierungsmöglichkeiten gelegt, die grenzüberschreitend sindder Nationalstaat ist nicht mehr der kategoriale Rahmen. Das führt zur allmählichen Verabschiedung des Authentizitätsdiskurses. 2 Verbunden mit der Kritik am Essentialismus führt dies generell dazu, dass die Hermeneutik von Eigenem und Fremdem als dominierende Sichtweise in der Kulturkritik abgelöst wird. Statt abgegrenzter Bereiche, die in dialogische Verhandlung miteinander treten, haben wir es mit verschiedenen überlappenden Lebenswelten zu tun. Es entstehen polylogische, multilaterale Kommunikationssphären mit stetig wechselnden ‚fuzzy' Trennlinien. 3 Diese Perspektive hängt auch mit einer bestimmten Haltung zusammen, die nicht von der Suche nach ‚Wurzeln' der Kulturen ausgeht, sondern Kulturen als mehrschichtige ‚Palimpseste' betrachtet, die sich prozessual stets neu konfigurieren, ohne die Gleichzeitigkeit ihrer Komponenten zu verleugnen. Geschichtsschichten sind somit in Kulturen gleichzeitig vorhanden und sie sind auch temporal gleichberechtigt. Dieses Bild vom Palimpsest ist keineswegs neu. Schon Victor Hugo sprach im 19. Jahrhundert davon, dass Europa als Palimpsest zu betrachten sei. 4 Indiens erster Premierminister Jawaharlal Nehru hat dieses Bild während der Freiheitsbewegung im frühen 20. Jahrhundert bemüht, um die vielschichtige Diversität Indiens zu charakterisieren und ihre Gesamtheit zu betonen. 5 Der indische Historiker und Polymath D. D. Kosambi hat einen ähnlichen Gedanken ausgedrückt, als er Indien als ein "country of long survivals" nannte 6 . Diese Gedanken stehen Ernst Blochs Auffassung von der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in Gesellschaftsformationen sehr nahe. Das Bild des Palimpsests wendet sich gegen die fundamentalistische Richtung, dass es nur eine authentische, reine, genuine Kultur in einem mehrsprachigen, plurikulturellen Land gebe. Wenn man vom Gedanken der Authentizität ausgeht, dann müsste man konsequenterweise sagen, dass die einzige eigentliche, authentische Kultur ein leeres Blatt wäre, eine Tabula rasa, denn alles, was man darauf schreiben würde, wäre unrein; nur das leere Blatt kann rein sein. Der Dichter Rabindranath Tagore hat dafür ein glückliches Bild geprägt: "I would rather insist on the inexhaustible variety of the human race, which does not grow straight up, like a palmyra tree, on a single stem, but like a banian tree spreads itself in ever-new trunks and branches." 7 1918 geschrieben, ist dieses Bild ein Pendant zu dem heute in der Kulturtheorie bekannten Bild des Rhizoms bei Deleuze und Guattari. 8 Rhizomatische Strukturen sind nicht wurzelorientierte Strukturen. Es kommt nicht auf eine authentizitätspeilende Richtung ins Vertikale an, sondern auf das Beziehungsgeflecht insgesamt.

Orosius und seine „Sieben Geschichtsbücher gegen die Heiden“: Geschichtstheologie oder Rhetorik?

Archiv für Kulturgeschichte, 2014

Orosius, der 416/417 im Auftrag Augustins und im Anschluss an dessen "De civitate Dei" aus christlicher Perspektive und in apologetischer Absicht mit seinen Historiae adversum paganos 2 eine römische Weltgeschichte verfasst hat, um damit die heidnischen Vorwürfe gegen das Christentum nach dem Einfall Alarichs in Rom im Jahre 410 zu entkräften und dem einen historischen Beweis der glücklicheren christlichen Zeiten entgegenzusetzen, hat in der Forschung mit Recht viel Beachtung gefunden. 3 Für die Mediävistik ist Orosius schon wegen seiner enormen Verbreitung und Nachwirkung von hoher Bedeutung. 4 Seine Historien sind zwar nicht die erste geschlossene, christliche Weltgeschichte 5-dieses Verdienst käme Weltchronisten wie Iulius 1 Zugleich Rezension von Peter Van nuFFelen, Orosius and the Rhetoric of History (= Oxford Early Christian Studies), Oxford 2012. 2 Orosius, Historiarum adversum paganos libri VII, hrsg. von Carl Zangemeister (= Corpus

Dionysos und die griechische Tragödie. Politische und ‘metatheatralische’ Aspekte im Text, Tübingen: Gunter Narr 1991 (Classica Monacensia 1)

The book will appear in a new and revised English version at CHS with Harvard Press

Aus der Analyse der Frösche des Aristophanes (Kapitel 2) ist hervorgegangen, daß zumindest am Ende des fünften Jahrhunderts Dionysos als personifiziertes Symbol der Tragödie und der gesamten dramatischen Kunst gelten konnte. Für das damalige Publikum dürfte dies keine überwältigende Neuigkeit gewesen sein, sonst hätte der Dichter seine Handlung bestimmt nicht darauf aufgebaut. Denn die Agone wurden bekanntlich bereits seit Peisistratos im kultischen Rahmen des Dionysos Eleuthereus ausgerichtet. Aber auch in der Zeit davor waren Vorstufen des Theaters, vor allem Tanzrituale, die auf der auch als Orchestra dienenden Agora abgehalten wurden, in Athen an den älteren Dionysos Lenaios gebunden 1 .

»Der Roman zeigt, dass …« Implizite literarische Assertionen, Weltanschauungen und ideologiekritische Interpretationen

2023

Implicit literary assertions are theses about the real world that fictional works of literature suggest without these theses being propositionally present in the works. This paper first compares different theoretical descriptions of implicit literary assertions and introduces the concept of »implicit thematic assertion« for implicit assertions used in literary appreciation to make aspects of the work understandable as a treatment of a theme. The attribution of such assertions in interpretations and reviews as well as their content is then examined based on a diachronic sample corpus. It is shown that implicit thematic assertions have characteristic content properties (genericity, the occurrence of abstracta and collectives as well as non-conventionalised metaphors) which qualify them as propositional components of a worldview. In a final step, the article shows, through the analysis of an exemplary model interpretation, which prominent role implicit (thematic) assertions play in ideology-critical interpretations.