Schrift und Layout in päpstlichen Inschriften des frühen Mittelalters. Die inschriftlichen Erlasse Gregors I. und Gregors II (original) (raw)

Materialität, Inschriftlichkeit und schrifttragende Artefakte im mittelalterlichen Rom

Obgleich diese Verse deines Grabes nicht würdig sind, Vater, und der verherrlichte Glaube keiner Titel bedarf, empfange trotzdem das Lob, das der Gast, der von Liebe zu Petrus ergriffen aus entfernten Gegenden der Welt kommt, lesen soll. Du hast den vom Schisma zerfleischten Körper des Vaterlandes geheilt und die abgerissenen Glieder an ihrem Platze wieder angefügt. Deinem frommen Befehl ordnete sich das zur besseren Einsicht gebrachte Griechenland unter und freut sich, dass er den verlorenen Frieden wiederhergestellt hat. Es freut sich das während vieler Jahre (im Irrtum) gefangene Afrika, dass du dir durch deine Bitten Verdienste um die Bischöfe erworben hast. Dies habe ich, Silverius, geschrieben, obgleich es mir schwer fiel, damit diese Worte lange an deinem Grab prangen können.1 Mit diesen Worten erinnerte Silverius, Sohn des Papstes Hormisdas und später selbst Papst (536-537) an den Pontifikat und die Leistungen seines Vaters. Der Text macht zwei wichtige Aussagen über die Funktion der Inschrift: Der Gast, der von Liebe zu Petrus ergriffen aus entfernten Gegenden der Welt kommt, soll sie lesen und die Worte der Inschrift sollen lange an dem Grab prangen. Die Information der Inschrift sollte also lange Zeit überdauern können, damit sie immer und immer wieder gelesen werden konnte, wodurch Erinnerung geschaffen werden sollte. Über die Materialität des Inschriftenträgers hingegen verliert die Inschrift kein Wort. Warum auch? Schließlich konnte jeder, der die Inschrift las, sehen, worauf sie geschrieben war. So bleiben Bezugnahmen auf den Inschriftenträger in den Inschriftentexten sehr selten. Eine Ausnahme ist das 795 von Bischof Theodulf von Orléans entworfene Grabgedicht für Papst Hadrian I.: Die goldene Schrift enthält das Grabgedicht, und es ertönt die goldene Farbe von tränenreichen Worten. Dies zu bekennen treibt mich, Karl, die Zuneigung zu dir und der Schmerz, geliebtester Bischof Hadrian, […] Als der schreckliche Tag, auf den kein Tag mehr folgen wird, diesen den Lebenden entriss und ich davon erfuhr, erkannte ich gleich die Spuren der alten Trauer, und der Tod meiner Eltern ist mir wieder vor Augen gerufen worden. (15) Ich spürte den Kummer, der durch den Tod Pippins entstand, und der Schmerz, ach der Schmerz bringt Bertrada zurück. 1 Le Liber pontificalis I, ed. Duchesne 274, Anm. 25: Quamvis digna tuis non sit pater ista sepulcris / Nec titulis egeat clarificata fides / Sume tamen laudes quas Petri captus amore / Extremo veniens hospes ab orbe legat / Sanasti patriae laceratum scismate corpus / Restituens propriis membra revulsa locis / Imperio devicta pio tibi Graecia cessit / Amissamque gaudens se reparasse fidem / Africa laetatur multos captiva per annos / Pontifices precibus promeruisse tuis / Haec ego Silverius quamvis mihi dura notavi / Ut possent tumulus fixa manere diu.