Zu schön, um wahr zu sein. Feministische Außenpolitik zwischen Staatsfeminismus und globaler Emanzipation (original) (raw)

2023, express. Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit. 2/2023

Im Jahr 2002, kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem beginnenden »War against Terror« also, entbrannte in einem Münsteraner Politikwissenschafts-Seminar ein Streit zwischen linken Antimilitarist:innen und Soldat:innen bzw. Angehörigen von diesen. Der Streitpunkt war die Frage, ob militärische Mittel sinnvoll und adäquat wären, um in Afghanistan Menschen-und insbesondere Frauenrechte durchzusetzen. Den eskalierenden Streit beendete die Dozentin mit der Frage, ob denn tatsächlich eine:r der Anwesenden glaube, dass die USA-oder sonst ein Staat-aufgrund der Motivlage »Frauenrechte« militärisch intervenieren würde. Das glaubte nun keine der beiden Seiten. 20 Jahre später stellt sich diese Frage offensichtlich ganz anders: »Feministische Außenpolitik«-oder, geläufiger, »Feminist Foreign Policy« (im Folgenden: FFP) ist die erklärte Agenda des aktuellen Koalitionsvertrags der Ampel-Koalition-übrigens das einzige Mal, dass der Begriff »Feminismus« im Koalitionsvertrag vorkommt. Das von Annalena Baerbock geführte Auswärtige Amt hat für das erste Quartal 2023-also das aktuelle Quartal-eine entsprechende Ausformulierung eines Konzepts für eine FFP angekündigt. Diese Ankündigung ist wohl der Hintergrund, vor dem sich die Papiere aus ThinkTanks, Politberatungs-Büros und von NGOs zu dem Thema seit Mitte 2022 häufen. Ganz offensichtlich soll Einfluss genommen werden auf die Ausrichtung einer FFP. Sehr deutlich wird dies etwa im Policy Brief der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (Nr. 24, August 2022), in dem die Bundesregierung flugs einem »pragmatischen Lager« (ebd., S. 6) zugeordnet wird. Zugespitzt lässt sich das erklären als Einsicht eines konservativen Lagers, dass eine FFP nicht zu vermeiden ist, diese dann aber doch möglichst am klassischen Realismus der Außenpolitik orientiert sein soll. Das deutsche Konzept soll sich eher an den »reformistischen« und »nicht-radikalen« Konzeptionen Schwedens oder Kanadas orientieren und nicht an den »disruptiven Versprechen« der Konzeptionen Spaniens oder Mexikos (SWP aktuell 50, August 2022, S. 7). Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik formuliert deutlich, dass das von ihr diagnostizierte »normativ-aktivistische FFP-Lager« ein Hemmschuh für eine »realistische« Außenpolitik ist. Es geht darum, der FFP die radikale, d.h. z.B. auch antikapitalistische, Spitze zu nehmen, um sie letztlich mit dem »Realismus« auszusöhnen. Sehr deutlich wird dies in folgender, ziemlich entlarvender, Formulierung: »Die Verknüpfung von FFP und NSS [Nationaler Sicherheits-Strategie] könnte zu einer Polarisierung oder Fragmentierung führen, wenn ungewollt der eigentliche Kern der deutschen Sicherheit auf Kosten von Randthemen [sic! − TB] gestärkt wird und ein Rückfall in veraltete Denkmodi erfolgt.« (DGAP Policy Brief, Nr. 24, S. 8). In der Version der DGAP ist FFP definitiv nur noch eine Extremform des »embedded feminism« (Bewernitz/Nachtigall 2011). Diesbezüglich empfiehlt die DGAP dezidiert eine Nutzung der »Symbolwirkung« der FFP, damit »Deutschland ein kohärenter, glaubwürdiger und verlässlicher Partner werden« kann (DGAP Policy Brief Nr. 24, S. 9)-exakt das, express Nr.