Konfessionsfundamentalismus in Europa um 1600: Zwischen discordia und compositio Zur Deutung des konfessionellen Konflikts im katholischen Lager (original) (raw)

Konfessionsfundamentalismus in Europa um 1600: Zwischen discordia und compositio Zur Deutung des konfessionellen Konflikts im katholischen Lager Wir schreiben das Jahr 1646, in Münster und Osnabrück laufen die Verhandlungen für den Abschluß des Westfälischen Friedens, die Grundlagen eines Kompromisses werden mühsam erarbeitet. Da erscheint Ende des Jahres eine Schrift, deren Verfasser als Ernestus de Eusebiis firmiert, mit dem Titel "Judicium theologicum super quaestionem pax qualem desiderant Protestantes sit secundum se illicita". Damit war, kurz vor der endgültigen Einigung der streitenden Parteien, noch einmal die grundsätzliche Frage aufgeworfen, ob aus theologischer Sicht-hier der Katholiken-überhaupt ein Kompromißfriede mit der gegnerischen Partei möglich sei. Der Verfasser dieses Gutachtens, der Jesuit Georg Wangnereck, damals Superior in Lindau, griff damit Gedanken auf, die er schon einige Jahre früher in einer ähnlichen Flugschrift vertreten hatte, deren Quintessenz aber die gleiche war. Er lehnte alle Arten von Konzessionen gegenüber den Protestanten ab und bestand auf der Durchsetzung der katholischen Prinzipien, wie sie etwa zur Zeit des Restitutionsediktes in Gültigkeit waren. Wangnereck unternahm in letzter Minute den Versuch, die katholischen Fürsten des Reiches auf eine Linie einzuschwören, die statt realer Politik letztlich das Durchstehen des Konflikts und das Vertrauen auf Gottes Fügung empfahl. Wangnerecks Schrift stand jedoch keineswegs alleine, wie man angesichts der Radikalität der Gedanken annehmen könnte. Er vertrat vielmehr eine keineswegs solitäre, dezidiert militante Gegenposition zu den politischen Verhandlungen, die in Kürze zu einem Frieden führen sollten 1. Er war sich freilich bewußt, daß er auch innerhalb der katholischen Partei eine Minderheitsposition vertrat. Diese Position war freilich auch nur eine Position in relativer Verschiedenheit zu der der Gegenseite, denn er plädierte nicht etwa für eine einseitige Verlängerung des Krieges durch seine Partei, sondern er sprach sich lediglich für einen formalen Protest gegen eine Friedensregelung aus, die dann