•Dominik Trutkowski, Der geteilte Ostblock. Die Grenzen der SBZ/DDR zu Polen und der Tschechoslowakei (original) (raw)

Tobiasz Janikowski: Die blutende Grenze. Literatur und Publizistik zur oberschlesischen Teilung 1922. Logos, Berlin 2014. 436 S

Germanica Wratislaviensia, 2017

Rezensionen und Berichte 489 ziele gerade auf "das Nicht-Verstehen bzw. Nicht-Begreifen des Gelesenen" (wie im Falle von Masłowska) ab, das im Umgang mit dem Fremden "im Medium von übersetzter Literatur" zugelassen werden müsse (S. 263). In diesem Teil findet der Leser auch ein Gespräch mit dem polnischen Schriftsteller Daniel Odija, das von Renata Cieślak durchgeführt und ins Deutsche übersetzt wurde. "Ich schreibe, was ich sehe". Im Gespräch mit Daniel Odija (S. 265-271) bringt uns den Autor aus Słupsk näher, der mit dem Roman Kronika Umarłych gerade eine "Abrechnung mit den Gespenstern" seiner Heimatstadt vorgenommen hat (S. 268). Seine Bücher Tartak und Ulica wurden bereits von Martin Pollack ins Deutsche übersetzt. 7 Die im Band erfolgte Zusammenstellung verschiedenartiger literarischer Texte und ihre methodologisch und thematisch ausdifferenzierte Analyse ermöglichen einen tiefen Einblick in die facettenreiche Thematik der aktuellen deutsch-polnischen Beziehungen. Entstanden ist ein anregender und wertvoller Band, der seinem Ziel, einen interkulturellen Dialog zu initiieren, durchaus gerecht wird. Zwar fehlen bei manchen jungen Autoren des Bandes eine genauere Verortung der untersuchten Werke im literaturwissenschaftlichen Kontext und eine präzisere Gattungsreflexion, aber insgesamt führen die Beiträge interessante literarische, historische und soziologische Phänomene vor Augen. Das sich daraus ergebende Bild vom anderen Land im Geiste der interkulturellen Hermeneutik zeugt von einem nuancenreichen Fremdverständnis. Den Band schließt ein Ortsregister und Personenregister ab, was die Sorgfältigkeit der Herausgeber bezeugt.

Einleitung, w: Das „Pruzzenland“ als geteilte Erinnerungsregion Konstruktion und Repräsentation eines europäischen Geschichtsraums in Deutschland, Polen, Litauen und Russland seit 1900, red. Stephanie Zloch, Izabela Lewandowska, Brauschweig 2014, s. 7-35.

2014

Wenn es um die Zukunft Europas geht, ist immer wieder von einem »Europa der Regionen« die Rede. Dabei schwingt die Hoffnung mit, durch eine Stärkung von Regionen Werte wie Authentizität, Überschaubarkeit und Bürgernähe besser bewahren zu können, gerade in einer umfassend und rasant globalisierten Welt. Hinzugekommen ist in den letzten Jahren die Vorstellung, dass insbesondere die lange Zeit als »schwierig« geltenden, multiethnisch geprägten und mitunter sogar staatliche Grenzen überschreitenden Regionen Vorbilder für das alltägliche Zusammenleben in Europa abgeben könnten. Schwierig ist es, die Hinwendung zu den Regionen methodisch zu fassen: Wie weit geht die politisch-gesellschaftliche Vision und wo beginnen wissenschaftliche Diagnose und Erkenntnis? Dass sich die Geschichtsschreibung jüngst stärker dieser Herausforderung annimmt, ist möglicherweise mit einer Umbruchssituation zu erklären: Die Zeit der großen historischen Synthesen und nationalen Meistererzählungen scheint vorüber zu sein, dafür wird umso fleißiger mit neuen, teilweise nicht weniger normativ unterfütterten transnationalen und postkolonialen Ansätzen experimentiert. Legitim ist daher die Frage, ob auch regionale Ansätze Potenzial für eine neue Erzählung europäischer Geschichte bieten. Noch fehlt es an beispielhaften Darstellungen, die-im wahrsten Sinne des Wortes-Schule machen könnten. Die vorliegende Studie möchte nun erstmals für das Medium Schulbuch Narrativen, erinnerungskulturellen Fragmenten und Identitätskonstruktionen nachgehen, die sich nicht wie gewohnt auf einen Nationalstaat, sondern auf eine Region beziehen. Ausgewählt wurde eine Region im nordöstlichen Europa, die von vielfältigen kulturellen und multiethnischen Traditionen, aber auch von konkurrierenden nationalen Ansprüchen zwischen Deutschland, Polen, Litauen und Russland gekennzeichnet ist. Die Brüche und Komplikationen europäischer Geschichte zeigen sich hier in besonders drastischer Weise, am weitreichendsten wohl mit der Verschiebung der nationalstaatlichen Grenzen und dem nahezu vollständigen »Austausch« der Bevölkerung im Gefolge des Zweiten Weltkriegs. Angesichts dessen lässt sich sogar kritisch fragen, ob das Gebiet Klaipėda, das Gebiet Kaliningrad und die Wojewodschaft Ermland und Masuren überhaupt noch Teile einer gemeinsamen Region darstellen? 1 Die Schwierigkeiten zeigen sich symptomatisch bei der Benennung: Was Deutschen als »Ostpreußen« gilt, ist für Polen vorrangig »Ermland und Masuren« (Warmia i Mazury), für Litauer das »Memelland« (Klaipėdos kraštas) bzw. »Klein-Litauen« (Mažoji Lietuva) und für Russen das »Gebiet Kaliningrad« (Oblast' Kaliningrad). Gleichwohl ist festzustellen, dass in den nach 1945 neu besiedelten Gebieten in dem Maße, wie eine gesellschaftliche Konsolidierung voranschreitet, das Bedürfnis nach einer symbolisch-kulturellen Raumaneignung wächst. Der Umgang mit der Vergangenheit dient dabei als wichtige Ressource für die Suche nach regionaler Identität in Polen, Litauen und Russland. 2 So sprechen in jüngerer Zeit Polen und Russen häufiger von »Ostpreußen« (Prusy Wschodnie bzw. Vostočnaja Prussija) oder Deutsche von »Masuren«, verbinden damit aber durchaus unterschiedliche Deutungen und erinnerungskulturelle Einordnungen. Dieses Phänomen lässt sich sehr zutreffend in einer Formulierung fassen, die sich an die jüngst neu begonnene wissenschaftliche Diskussion zu Regionen und Regionalismen in Ostmitteleuropa anlehnt: 3 »geteilte Erinnerungsregion«. Das Partizip »geteilt« besitzt dabei eine semantische Zweideutigkeit, die sowohl auf Brüche, Grenzziehungen und Diskontinuitäten (vgl. englisch divided) als auch auf gemeinsame Erfahrungen und Wahrnehmungen (vgl. englisch shared) verweist. Vor diesem Hintergrund eine Benennung der Untersuchungsregion zu finden, die möglichst prägnant ist, aber keine der jeweiligen nationalen Sichtweisen einseitig bevorzugt, war kein leichtes Unterfangen. Mit dem »Pruzzenland« wählt die vorliegende Studie bewusst einen sprachlich unkonventionellen, verfremdenden Ansatz, der einen Bezug auf die mittelalterlichen baltischen Pruzzen anklingen lässt und dadurch eine möglichst große Distanz zu nationalen Konnotationen signalisieren soll. Der historischen Genauigkeit halber sei angefügt, dass dies freilich nicht bedeutet, dass nicht auch die Pruzzen unterschiedliche Spuren in den Erinnerungskulturen Polens, Litauens, Russlands und Deutschlands hinterlassen haben. Ein Kapitel der vorliegenden Studie wird den historiographischen und geschichtsdidaktischen Umgang mit den Pruzzen ausführlich problematisieren.

Politik der Regionalgeschichte. Tschechoslowakische, ostdeutsche und polnische Historiker als Regionsmacher, 1945-1965

Maria Cieśla, Sabine Jagodzinski, Aleksandra Kmak-Pamirska, Zdeněk Nebřenský, Miloš Řezník (Hg.): Regionsmacher in Ostmitteleuropa, Osnabrück, Fibre , 2021

programmatisch in seinem Beitrag der Dozent der Karls-Universität František Kutnar (1903-1983) auseinander. Er sagte: "[D]er regionale Gesichtspunkt ist grundlegend und grundsätzlich wichtig. Nur durch diesen Gesichtspunkt ist möglich zur eigenen Substanz des gesellschaftlichen Geschehens, zum Mark des historischen Phänomens durchzudringen. Ohne Ansicht von unten, wo sich das eigene gesellschaftliche Geschehen objektiviert, realisiert, konnte kein Historiker die historische Wirklichkeit in ihrer grundlegenden Natur, Ganzheit und Bedeutung erkennen." 4 Kutnar behauptete, dass jede historische Arbeit regional sei und werden müsse. Seiner Meinung nach gebe es keine historische Untersuchung, ohne mehr oder weniger regional zu sein. Überspitzt gesagt, wies Kutnar auf den mikrohistorischen Zugang und die "Geschichte von unten" hin, obwohl er keinen Bezug auf die damalige westliche Historiografie nahm (z. B. auf E. P. Thompsons "Making", das 1963 erschien). 5 Die Überlegung Kutnars hing nicht mit der Entwicklung der Geschichtswissenschaft im Westen zusammen, wo die regionalen Zugänge zur Wirtschafts-und Sozialgeschichte langsam an Boden gewannen. 6 Vielmehr entsprach sie den poststalinistischen Geschichtspostulaten, u. a. dem "neuen Regionalismus", der die historische Allgemeinheit und Unbestimmtheit korrigieren wollte. 7 Im Kern handelte es sich um die Kritik der "abstrakten" und "autoritativen" Entwicklungsgesetze, die in den frühen 1950er Jahren vorgeherrscht hatten. 8 Die Gesetzmäßigkeiten der Geschichte, d. h. der Wandel der gesellschaftshistorischen Formationen von Sklaverei, über Feudalismus zu Kapitalismus wurden nicht der Diskussion von Historikern unterzogen, sondern in geschichtswissen

Die politischen Hindernisse im Kulturaustausch zwischen der Volksrepublik Polen, der Bundesrepublik Deutschland und der DDR am Beispiel der Arbeit der Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission in den Jahren 1972-1989, in: "bpb", 02.01.2013

Die deutsch-polnischen Schulbuchgespräche entwickelten sich im Rahmen der 1972 gegründeten Gemeinsamen Deutsch-Polnischen UNESCO-Kommission. Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg trafen sich Historiker aus Polen und der Bundesrepublik, um gemeinsam über die Darstellung der bilateralen Beziehungen in den Schulbüchern zu diskutieren und inhaltliche Veränderungen vorzuschlagen. Die Gründung (und spätere Tätigkeit) dieser Kommission wäre ohne die radikale Veränderung der Politik der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Polen zur Wende der 1960er und 1970er Jahre, deren Höhepunkt die Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages vom Dezember 1970 war, nicht möglich gewesen. Dieser Vertrag beendete die langjährige diplomatische Beziehungslosigkeit zwischen der Bundesrepublik und Polen, regulierte Grenzfragen und öffnete den Weg zur Normalisierung der Kontakte zwischen beiden Staaten. Die Unterzeichnung des Vertrags vom Dezember 1970 löste selbstverständlich nicht alle Probleme in den gemeinsamen Beziehungen. Allerdings konnte der damals begonnene Prozess der Annäherung zwischen der Bundesrepublik und Polen nicht mehr aufgehalten werden. Wir können dies u. a. in der Kommissionsarbeit beobachten, die im Laufe der Jahre zu einem wichtigen Instrument dieses Prozesses wurde. Die vor Jahren erzielten Ergebnisse besitzen darüber hinaus bis heute Modellcharakter für die Arbeit anderer nationaler Schulbuchkommissionen. Wie kam es zur Gründung dieser Kommission und warum kam es erst so spät dazu? Gab es frühere Initiativen für deutsch-polnische Schulbuchgespräche? Wie sah die Arbeit der Kommission aus und welche Ergebnisse brachte sie hervor? Hat die offizielle Regierungspolitik die Arbeit der Kommission beeinflusst? Diese Fragen sollen im Folgenden beantwortet werden, um den Charakter dieses Gremiums näher zu bestimmen und seinen Stellenwert im Vergleich zu anderen internationalen Schulbuchkommissionen richtig einzuordnen. Für diesen Artikel wurden sowohl Archivmaterialien ausgewertet als auch die vorhandene Sekundärliteratur herangezogen. Besonders hilfreich waren dabei die Ergebnisse einer schriftlichen Umfrage, die der Verfasser Anfang der 1990er Jahre unter den ständigen Mitgliedern dieses Gremiums in Polen und der Bundesrepublik durchführte. Die verhältnismäßig späte Aufnahme der Schulbuchgespräche zwischen der Bundesrepublik und Polen war zweifellos durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges bedingt, die überhaupt das ganze Beziehungsgeflecht zwischen den beiden Staaten belasteten. Die großen Verluste, die Polen infolge der Kriegshandlungen und der deutschen Okkupationspolitik während des Zweiten Weltkrieges zu verzeichnen hatte, die Verfolgung, die Aussiedlung und der Tod von Millionen polnischer Staatsbürger sowie enorme Einbußen im nationalen Vermögen bildeten keine gute Grundlage für die Wiederaufnahme der Beziehungen zum besiegten Deutschland. Aber schon zuvor war das deutsch-polnische Verhältnis alles andere als gut. Einen frühen Schatten auf die gegenseitigen Beziehungen warf die negative Polenpolitik Preußens (später Deutschlands) in den Jahren 1795-1918 (die Zeit der Teilungen, d. h. der Nicht-Existenz des polnischen Staates), deren Ziel die Entnationalisierung der Polen war. Die Wiederherrichtung des polnischen Staates nach 1918 stieß auf beim deutschen Nachbarn weithin auf Ablehnung. Polen wurde nicht nur das Recht zu der im Versailler Vertrag und infolge der schlesischen Aufstände errungenen neuen Westgrenze, sondern auch das Recht zur Existenz als selbständiger Staat abgesprochen. Der Nichtangriffspakt von 1934, den Polen mit dem nationalsozialistischen Deutschland schloss, versprach nur auf den ersten Blick eine positive Wende in den gemeinsamen Beziehungen. Sehr bald schon sollte sich dieser Pakt als wertlos erweisen. Nach der anfänglichen Verbesserung in den gemeinsamen Beziehungen begannen die Nationalsozialisten nach und nach eine Reihe von Forderungen an Polen formulieren, die für Polen inakzeptabel waren (u.a. den sog. Korridor betreffend). Nota bene in diese Zeit fielen die ersten Versuche zur Aufnahme des deutsch-polnischen Dialogs in Schulbuchfragen. Es kam zu zwei Treffen im Jahre 1937, die allerdings mit einem Fiasko endeten. Aufgrund des immer mehr in Erscheinung tretenden Strebens Deutschland nach Unterordnung Polens wurde die Fortsetzung der weiteren Gespräche über die Revision der deutsch-polnischen Schulbuchinhalte gegenstandslos. Belastend für die Nachkriegsbeziehungen zu Deutschland waren nicht nur die schlimmen Kriegserfahrungen und die daraus resultierende Angst und Feindschaft, die im Geschichtsbild der seit 1944/45 in Polen regierenden kommunistischen Machthabern zur jahrhundertelangen Erbfeindschaft verdichtet wurde, sondern auch die sich in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre vollziehende Teilung der Welt in zwei sich gegeneinander bekämpfende politische Blöcke, auf der einer Seite dominiert von den USA, auf der anderen von der UdSSR. Polen und der östliche Teil Deutschlands (die Sowjetische Besatzungszone und nach 1949 die Deutsche Demokratische Republik) befanden sich im Einflussbereich der UdSSR, und die Politik Moskaus übte seither großen Einfluss auf die Beziehungen Polen zum Ausland, darunter auf die deutsch-polnischen Beziehungen aus. In der Bundesrepublik standen der Aufnahme normaler Beziehungen zu Polen auf außenpolitischer Ebene lange Zeit die Frage der Zugehörigkeit zum anderen politischen Block und die konsequente Nicht-Anerkennung des zweiten deutschen Staates, der Deutschen Demokratischen Republik (die sog. Hallstein-Doktrin) entgegen. Innenpolitische Hemmschuhe waren die Nicht-Anerkennung der deutsch-polnischen Nachkriegsgrenze an Oder und Neiße und der große politische Einfluss der deutschen