Gestalttheoretische Beiträge Zur Förderung Von Kreativität (original) (raw)

Kindheitsbegabung und Scheitern ..Doch er hatte stille Abend, Stunden, in denen niemand störte, wenn der Hindernislauf des Tages zurückgelegt war, wenn Üben, Schulaufgaben. Reiten und Mahlzeiten für eine Zeitlang weit hinter ihm lagen. Dann, erst dann fand er zu seinem eigenen Leben zurück. Dann kam er herunter vom dunklen Boden, wohin man ihn verwiesen hatte, und zugleich kamen die Töne. Immer. Er brauchte nur fünf Minuten am Schreibtisch zu sitzen, ohne Ahnung, was er sollte oder wollte. Er saß nur da und sah in die Luft, den Federhalter hinter die Vorderzähne geschoben. Draußen lagen der Garten und dahinter die Felder. Niemals war ein Mensch zu sehen, nur Bäume und Tiere. Und dann-unmöglich zu sagen, woher-kamen die ersten Fetzen, sie waren schwach hörbar für ihn, wie der Hauch eines Tones in seinen Ohren. Nur zwei, drei Töne. Noch schrieb er nichts. Er wartete, bis auch der Takt sich einfand, der Rhythmus, der Atem, der durch ihn und die Wirklichkeit hindurchgehen und ihn mit sich tragen mußte. Dann geschah es. Dann platzte es in seinem Inneren, und binnen eines Augenblicks war alles durchsichtig und durchhörbar geworden. Die Musik war in der Luft, die ihn umgab, und er mußte sie nur auf das Papier niederschreiben. Selbstverständlich war er es. der schrieb. Selbstverständlich war er es, der formte. Doch er formte aus, was zu ihm kam. Mit sicherer Hand und sicherem Instinkt suchte er unter den tausend Möglichkeiten die richtigen Formen aus. Und dann vergaß er alles. Wenn er. nachdem er lang so gesessen hatte, für einen Augenblick erwachte, war es ihm heiß, und er hatte einen schweren Kopf. Wenn er sich Wasser aus der Karaffe einschenkte, waren seine Bewegungen träge und wirr. Wenn er aber getrunken hatte, schrieb er weiter, und dann liefen die Hände schnell, mit scharfen, bestimmten Griffen. Und wieder vergaß er. daß er existierte'" (HANSEN 1999, 251). * Überarbeitete Fassung des Einführungsvortrags zur 12. wissenschaftlichen Arbeitstagung der GTA vom 8.-11. März 2001 in Darmstadt. 'Ich kann nichts schaffen. Ich besitze nicht das. was dazu nötig ist. Nicht das. was heute dazu nötig ist. Es ist, als rinne mir das Talent durch die Finger.' Der Meister sah ihn lange an. 'Ich nehme an, das meinst Du wirklich, Leo.' 'Ja. ich höre keine Musik mehr. Sie ist fort. Ich selbst habe sie abgeschafft. [...] Aber ich muß immer davon träumen! Ich will doch sonst nichts. Das ist doch das einzige, was ich mir jemals gewünscht habe. Komponieren. Etwas Großes, Wahres komponieren!' Der Meister sah ihn an. In seinen dunklen Augen zeigte sich ein tückisches Leuchten. Dann sagte er sanft: 'Viele sind berufen. Aber nur wenige sind auserwählt.' Er lächelte knapp. 'Und du-bist du einer der Auserwählten?' 'Leo. Kleiner Bruder. Du wärst ein ausgezeichneter Geiger geworden.' 'Aber keiner der Auserwählten, auch unter ihnen nicht?' 'Nein. Vielleicht nicht.' 'Aber ich konnte doch-' 'Ja, Leo. Du konntest alles. Du warst sehr tüchtig. Hast die Technik bis in die Fingerspitzen beherrscht. Buchstäblich. So wie Du Technik und Theorie der Komposition beherrschst.'