Transnationale Schweizer Nationalgeschichte: Widerspruch in sich oder Erweiterung der Perspektiven (original) (raw)
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Transnationale Geschichte der Schweiz = Histoire transnationale de la Suisse
2020
Die Geschichte der Schweiz stand lange Zeit im Zeichen des Besonderen – des Sonderfalls. Die helvetische Historiografie unterscheidet sich darin nicht wesentlich von der Geschichtsschreibung anderer Lander. Nationalgeschichten bleiben oft in einem methodologischen Nationalismus gefangen. Eine wachsende Zahl von Historikern und Historikerinnen hat sich in den letzten Jahren davon zu befreien versucht. Sie setzen den Akzent auf die «Zirkulation» von Menschen, Technologien und Wissen, erproben «transnationale» oder «globale» Zugange, schreiben «vergleichende», «geteilte» und «postkoloniale» Geschichte, bemuhen sich um eine «histoire connectee» oder «histoire croisee». Dieser Band versammelt Texte, die solche Ansatze auf verschiedene Perioden der Schweizer Geschichte anwenden. Er versteht sich als Beitrag zur Diskussion uber das Erbe, die Herausforderungen und die Perspektiven von transnationalen Ansatzen in der Wirtschafts-, Sozial-, Politik- und Kulturgeschichte. = L’histoire de la ...
Die Schweizergeschichte – ein Endlager gewesener Begebenheiten?
dass Geschichte entweder in unseren Vorstellungen oder tatsächlich ein Endlager sein könnte, ist naheliegend. Endlager im Sinne eines sicheren Depots von Erlebtem und Erfahrenen, wie gelbe Fässer, wie Archivschachteln gut beschriftet in den Stollen der hinter uns liegenden Zeit. Tot, weil vorbei, und doch lebendig, strahlend in die Gegenwart. Der lebendige Anteil mit seiner Strahlung würde freilich voraussetzen, dass Geschichte eine eigene feste Grösse wäre, die sich selber meldet und Gegenwart beeinflusst. Die nicht unberechtigte Gegenmeinung dazu ist, dass Geschichte tot ist, gar nicht strahlen kann und ihr ganzes dennoch bestehendes Leben einzig von unserer gegenwärtigen Wahrnehmung und Bereitschaft zu Beachtung und Rezeption abhängt. Geschichte ist keine feste Grösse, weil sie -wie individuelle und kollektive Erinnerung -zeitlich und inhaltlich variiert. Wir können diese Frage am Beispiel von »Kaiseraugst« durchgehen, Kaiseraugst nicht mit einer Postleitzahl, sondern mit Anführungszeichen. Gewiss ein Ortsname, aber auch ein Name für einen Ort im Land der Geschichte, ein Ort, wo sich Widerstand gegen ein Kernkraftwerk mehr oder weniger erfolgreich manifestiert hat und vor allem für die damaligen Aktivisten ein Erinnerungsort ist, für heutige Wesen der Anti-AKW-Szene ebenfalls ein Vertrauen vermittelnder Bezugsort, für Historiker, Politologen und ein paar wenige Medienschaffende (die sich noch ein Gedächtnis leisten können) ein Ort, von dem man weiss, dass es ihn einmal gegeben hat, wie Fessenheim und Wyhl, das man vielleicht schon nicht mehr kennt. Und dann gibt es ganz viele Menschen, die von dem allem überhaupt nichts wissen und trotzdem Vor genau 35 Jahren: der berühmte Anti-AKW-Autor Robert Jungk, Verfasser des Buches »Heller als tausend Sonnen«, an einer Protestkundgebung in Gösgen (Basler Zeitung vom 12. November 2013).
Swiss Political Science Review, 2014
Im OECD-L€ ander-Vergleich erreicht die Schweiz bei zentralen Indikatoren des politischen Leistungsprofils Spitzenwerte, beispielsweise bei der Arbeitslosenquote, der Inflationsrate und dem Schuldendienst f€ ur die Staatsschulden. Wie diese Erfolgsgeschichte zu erkl€ aren ist, wird in diesem Essay anhand der Jahre von 1990 bis 2012 er€ ortert, und zwar unter Heranziehung von Hypothesen und Daten zu schweizspezifischen Erkl€ arungen und von Erkl€ arungsans€ atzen, die die Schweiz mit anderen wohlhabenden Demokratien vergleichen. Als Schl€ usselgr€ oßen erweisen sichneben institutionellen, prozessualen und akteursbezogenen Eigenheiten der Schweizinsbesondere die Variablen politikfeldspezifischer Erkl€ arungen (wie Zentralbankautonomie, Verteilungskonflikt und fiskalpolitische Fragmentierung) sowie sozialpartnerschaftliche Arbeitsbeziehungen und Parteieneffekte.
Ich muss mit einer Vormerkung beginnen: Geschichte wird zum Teil wissenschaftlich erarbeitet und bearbeitet, sie hat aber auch eine hohe gesellschaftspolitische Funktion. Als professionell tätiger Historiker ist man primär Wissenschaftler, man ist aber auch gesellschaftspolitisch engagiert und nimmt in dieser Hinsicht und beim Thema »Wozu Schweizer Geschichte« nicht Objektivität für sich in Anspruch. Wozu Schweizer Geschichte? Das ist keine einfache Frage und erlaubt keine schnelle Antwort. Aber wir haben ja fast eine Stunde Zeit. Wir können die Frage nicht beantworten, ohne auf die allgemeinere Frage: Wozu überhaupt Geschichte einzugehen. Wenn wir dazu eine brauchbare Antwort haben, dann ist zu hoffen, dass diese zu einem grossen Teil auch für die Schweizer Geschichte zutrifft. 1 Die Frage nach dem »Wozu« zielt vor allem auf die Frage, wozu denn etwas gut sei. Man kann sich aber auch Fragen, wozu etwas gebraucht wird. Schauen wir uns im Schweizer Lande zunächst mit der Frage um, wann und wie Schweizer Geschichte verwendet wird, Geschichte nicht nur in den Schulen als Unterrichtstoff und nicht 1
Mit „Wischen“ und „Scrollen“ durch die Schweizer Geschichte
Public History Weekly, 2013
Tablets und Apps bieten neue Möglichkeiten für die Vermittlung und Aneignung von Geschichte in Schule und Öffentlichkeit. Sie ermöglichen, dass die Rezeption von Vergangenheitsdeutungen und die Produktion von Erinnerungsalben zusammenrücken. An Vergangenheit Interessierte und Lernende im Unterricht werden zu „Produsern“ von Geschichte und Erinnerung.
Transnationale Geschichte als transnationales Projekt: zur Einführung in die Diskussion
Historical Social Research, 2006
The article introduces the following papers, all of which focus on transnational history as a project, as a new category, and as a new label for historical writing and research. The author situates transnational history at the intersection of two different historiographical approaches: cultural transfer studies on the one hand and global or new world history on the other. He discusses the consequences that arise with a transnational research agenda (as part of the cultural reaction to globalization) when discussion methods, narratives and institutional settings as well as the relationship of transnational history to the historical selfunderstanding of “actual” societies. 1. Das Fachforum geschichte.transnational geschichte.transnational ist ein elektronisches Fachforum im Rahmen von H-Soz-u-Kult und Clio-online. Es wird von Wissenschaftlern des Zentrums für Höhere Studien der Universität Leipzig und der Forschungsgruppe ‚Transferts culturels’ am Centre National de la Recherche Scien...
Global und intersektional. Prolegomena zu einer noch neueren Geschichte der Schweiz (2016)
This article critically examines some of the recent works in Swiss national history. It argues that many of these works suffer, albeit in different ways, from a too narrowly construed, Eurocentric perspective. Consequently, they fail to offer an understanding of how Switzerland both shaped and was shaped by processes of imperial globalisation since the 1500s. The article goes on to argue for a ‘post-patriotic’ conception of Swiss national history that seeks to uncover how Swiss global entanglements fed into various hierarchies between gender groups, social classes, races and religious communities. The article ends with a historical example from 16th century Basel and Geneva, where book printers published books on the Spanish conquests of the Americas. The example illustrates how the historical beginnings of a Swiss nation and the beginnings of imperial globalisation in the 1500s were closely intertwined processes – and how the trajectories of Swiss history and the history of the world have remained intertwined ever since.
Die "Schweizerscheibe" und die Konstruktion einer helvetischen Nationalkultur
2014
Sah man bis vor wenigen Jahren noch Tuch und Pergament in den Fenstern, so halten nun durch das verruchte Kriegsvolk fremde Sitten aus fremden Landen Einzug und protzen mit Geld, Künsten und Kostbarkeiten in Kleidung, Tischkultur und Gebäuden. Jeder will sich in gemalten Fenstern, besonders in Kirchen, Rats-, Wirts-, Trink-, Bad-und Scherstuben sehen lassen.1
Die verdrängte Nationalgeschichte
Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken, 2021
Die verdrängte Nationalgeschichte Dieser prominent besetzte Sammelbd. analysiert Krise und Beharrung historiografischer Paradigmen der Nationalgeschichte. Dass in den letzten drei Jahrzehnten Historikerinnen und Historiker auch in Italien immer weniger national(-staatlich) fokussiert arbeiten und verstärkt die transnationale und globale Dimension in den Blick nehmen, ist kaum zu übersehen. Ebenso unübersehbar ist es jedoch, so argumentieren die Hg. Francesco Benigno und Igor Mineo, dass nationalgeschichtliche Deutungsmuster immer wieder reaktiviert werden, und dass im 21. Jh. die nationalstaatliche Ebene politisch und zum Teil auch kulturell und wissenschaftlich eine Renaissance erlebt. Zudem wurde, so Benigno und Mineo, die nationalgeschichtliche Vergangenheit bisher kaum systematisch aufgearbeitet, wobei diese Feststellung eher für Italien gilt. Denn auf europäischer Ebene existiert zum Beispiel das bahnbrechende Publikationsprojekt von Stefan Berger über "National Histories", das von den Hg. dieses Bd. nur knapp erwähnt wird. Im Fall Italiens besteht das zweideutige Erbe der Nationalgeschichte aus drei scheinbar widersprüchlichen Topoi: primato, decadenza, eccezione. Benigno und Mineo betonen, dass die längst überfällige Diskussion über die Paradigmen der Nationalgeschichte angesichts des europaweiten Erfolgstrends von Rechtspopulismen, neuen Nationalismen und identitären Bewegungen heute eine noch größere Bedeutung gewonnen hat. Die Einleitung dieses Sammelbd. ist auch ein Plädoyer für Europa, genauer gesagt, für die europäische Geschichte als geeignete Bezugsgröße, um die Verzerrungen und Stereotypen, die durch die nationalgeschichtliche Brille entstanden sind, zu überwinden. Europa programmatisch zu lancieren, klingt angesichts der anhaltenden EU-Krise, aber auch der im wissenschaftlichen Diskurs etablierten Idee der Provinzialisierung Europas fast anachronistisch. Benigno und Mineo betonen jedoch ausdrücklich, dass eine kritische Auseinandersetzung mit den Paradigmen der Nationalgeschichte nicht nur aufgrund globalgeschichtlicher Studien erfolgen kann, sondern vielmehr "nel quadro di una storia d'Europa di nuovo tipo" (S. 79). Wie genau diese "neue" europäische Geschichte aussehen soll, wird nicht en détail ausgeführt. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Einleitung ist die Dekonstruktion von primato, decadenza und eccezione als Deutungsmuster der italienischen Nationalgeschichte. Die Hg. zeigen, wie weit im wissenschaftlichen und vor allem im öffentlichen Diskurs die Idee einer anomalia italiana heute noch weitverbreitet ist. In der Einleitung sowie in