Grundlagentheorien und praktische Beobachtungen zum Coachingprozess (original) (raw)

Wie und warum wirkt Coaching? Über Coaching ist viel geschrieben worden. Im englischsprachigen Bereich gibt es ca. 80.000 und im deutschsprachigen über 1.000 Bücher mit Coaching im Titel. In den letzten Jahren wurden Fachzeitschriften oder Magazine gegründet, die sich speziell mit Coaching beschäftigen (Beispiele: International Coaching Psychology Review, The Coaching Psychologist oder das deutschsprachige Coaching Magazin). Jedes Jahr steigt die Zahl der Publikationen weiter stark an. Aber wenn wir nach gesichertem Fachwissen und wissenschaftlichen Erklärungen darüber suchen, wie und warum beim Coaching konkrete praktische Ergebnisse erzielt werden, suchen wir in den meisten Veröffentlichungen vergeblich. Die meisten Darstellungen über Coaching beschäftigen sich mit der Coachingpraxis und werben für die von den Autor/innen favorisierten Konzepte. Grundlage sind eigene praktische Erfahrungen und Überlegungen. Manchmal sind sie durchaus theoretisch reflektiert und tiefgründig, oft bleiben sie aber eher oberflächlich und formelhaft, wie der Satz, dass Coaching eine "Hilfe zur Selbsthilfe" ist. Dieser häufig verwendete Satz ist für viele Klienten eine durchaus eingängige Vermittlungshilfe für ein wichtiges Grundprinzip beim Coaching. Wenn man ihn aber ohne genaue Beschreibung und Erklärung der Wirkung des angedeuteten Prinzips in den Raum stellt (etwa durch den Wirkfaktor der Ressourcenaktivierung, siehe unten), ist dies auch nach praktisch-professionellen Standards keine ausreichende Erklärung. Mündige Patienten fragen ihre Ärzte, wie und warum die empfohlenen Medikamente wirken und welche Nebenwirkungen sie unter welchen Bedingungen haben können. Wenn unsere Auftraggeber und Klienten genau wissen wollen, was genau beim Coaching passiert, wie und warum oder unter welchen Bedingungen Coaching wirkt, was können wir antworten? Zur Beantwortung der Frage lassen sich wissenschaftliche Theorien verschiedener Richtungen heranziehen und auf Coaching übertragen. Die folgende Darstellung beginnt mit einer kurzen Übersicht zu diesen Theorien. Um die Frage genau zu beantworten, wie und warum Coaching wirkt, ist es erforderlich, konkret zu beobachten und zu beschreiben, was Coachs und Klienten in Coachingsitzungen tun und warum daraus die erhofften Wirkungen entstehen. Was könnte noch praxisnäher sein, als die Coachingpraxis und ihre Wirkungen zu beobachten? Erst in allerjüngster Zeit gibt es solche Beobachtungsstudien zum Verhalten von Coachs in Coachingsitzungen und wissenschaftliche Theorien zur Beschreibung und Erklärung der Wirkungen durch konkret beobachtbare Wirkfaktoren. Diese Theorien und Prozessbeobachtungen stehen im Mittelpunkt dieses Kapitels. Verwiesen sei hier auch auf das Kapitel von Geißler in diesem Buch, der die Prozesse im Coaching mit hermeneutischen Inhaltsanalysen untersucht und systematisch einordnend beschreibt. Wie in diesem Beitrag dargelegt werden soll, sind Theorien und Ana-B. Birgmeier (Hrsg.