Reflexion als sozialer Mechanismus zum strategischen Management autonomer Softwaresysteme (original) (raw)
2007, VS Verlag für Sozialwissenschaften eBooks
Konflikt-Situationen werden in soziologischen, wirtschaftswissenschaftlichen, psychologischen sowie selbst in naturwissenschaftlichen Kontexten in ihrer Doppelrolle als Blockaden, aber auch als Attraktoren der Emergenz komplexer Systeme untersucht. Nicht zuletzt deshalb sind Konflikte auch im Bereich der Forschungen zur Künstlichen Intelligenz (KI) Ausgangspunkte für diverse Forschungsansätze. Insbesondere die Auflösung von Konflikten und das Konfliktmanagement spielen eine wichtige Rolle in Teilgebieten der KI wie Expertensystemen, Konfigurationssystemen, Planungsverfahren, Design, Wissensakquisition undrepräsentation, Verarbeitung natürlicher Sprachen, Spieltheorie, Computerunterstützte kooperative Arbeit (CSCW), Concurrent Engineering, Human-Computer-Interface (HCI) und VKI (vgl. Müller 1996: 1). Vor allem die Theorie der Multiagentensysteme (MAS) befasst sich als ein wichtiges Teilgebiet der Verteilten Künstlichen Intelligenz (VKI) mit dem Thema Konflikt. Während bei reaktiven Systemen die Koordination durch den Entwickler explizit geplant wird, kann sich die Koordination in Systemen autonomer Agenten entweder durch Kooperation oder durch nicht kooperatives Verhalten rationaler, egoistischer, also ihren eigenen Zielen folgender Agenten ergeben. Die Methoden des Konfliktmanagements unterscheiden sich bei diesen Ansätzen sehr grundsätzlich voneinander. Bei reaktiven Systemen müssen die Konflikte durch den Entwickler berücksichtigt werden. Deswegen wird ihre Bearbeitung in der Regel vorab festgelegt. Das emergente Verhalten ergibt sich hier bereits aus der eigennützigen Verfolgung der jeweiligen Ziele, auch wenn sie konfligieren. Dieser Effekt ist ein wichtiger Grund für die Relevanz der Methode der agentenbasierten Modellierung (agent-based modeling) nicht nur zur Entwicklung komplexer, neuen Anforderungen gerecht werdender MAS, sondern auch als Methode der soziologischen Forschung im Kontext von Sozialsimulationen (vgl. Axelrod, 1997; Lüde et al., 2003; Hillebrandt et al. 2004). Denn wenn Konflikte zur Laufzeit eines MAS entstehen und bewältigt werden müssen, kommt es auf die sozialen Mechanismen an, die diese Bewältigung ermöglichen. Eine soziologisch inspirierte Modellbildung zur Entwicklung entspreche nder MAS kann dazu beitragen, soziale Mechanismen der Konfliktlösung mit Hilfe von Experimenten der Sozialsimulation verstehbar zu machen, um diesbezügliche soziale Prozesse zu erklären. Deshalb firmieren in dem technischen System, das wir im Folgenden beschreiben und untersuchen werden, Konflikte als expliziter Bestandteil der Systemanforderungen. Die einzelnen autonomen Agenten sind in der Lage Zielkonflikte aufzulösen, die sich durch widersprechende Ziele oder aus möglichen Widersprüchen mit Zielen der Agentenumgebung ergeben.