Figuren der Defiguration: Vier Thesen zur Abstraktion (original) (raw)
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Drei Thesen zur emotionalen Anteilnahme an Figuren
2007
Jens Eder Drei Thesen zur emotionalen Anteilnahme an Figuren Die Gefühle, die Figuren von Spielfilmen und literarischen Erzählungen bei Zuschauern und Lesern hervorrufen, werden von mehreren Theorien auf höchst unterschiedliche Weise erklärt. Im Folgenden schlage ich eine Möglichkeit vor, verschiedene Erklärungsangebote zu integrieren und zu ergänzen, und versuche am Beispiel von Fassbinders Die Ehe der Maria Braun (1978) zu zeigen, warum eine solche integrative Konzeption der emotionalen Anteilnahme sinnvoll ist. 1 Meine drei Thesen fassen Ergebnisse früherer Arbeiten zusammen 2 und sind so allgemein, dass sie auf literarische Werke übertragen werden können: 1. Den Kern der emotionalen Anteilnahme an Figuren bildet die perspektivierte Einschätzung ihrer Eigenschaften und Situationen. 2. Emotionale Reaktionen auf einzelne Figuren werden durch deren zeitliche und situative Kontexte beeinflusst. 3. Figuren rufen nicht nur als fiktive Wesen Emotionen hervor, sondern auch als Symbole, Symptome und Artefakte.
Am Berg der Deutungen. Vier Annäherungen an den Gotthard
"Dieser Mont Blanc verdeckt doch die ganze Aussicht!": Der literarische Blick auf Alpen, Tatra und Kaukasus, 2016
2016 ist das Jahr der Gotthardbasistunneleröffnung. Durch 57 Kilometer Tunnelröhre werden ab 2017 die Züge fahrplanmäßig rasen. Während man in einer Viertelstunde über ungeschotterte, direkt auf Beton verschraubte Schienen sanft dahingleitet, ohne dass auch nur ein einziges Rütteln durch den Zug ginge und den Passagier stören würde, und während man das Zentralalpenmassiv von Süden nach Norden durchmisst, wird man sich wohl immer weniger dessen entsinnen, was einst darüber und dazwischen war: Zugfahrten durch Galerien und Kehr-tunnels die dreistufige Leventina hoch (der Dazio Grande als Engpass der Gotthardroute) bis nach Airolo, dann mit dem Gefühl, Richtung Nordwesten dem Bedrettotal entlang ins Oberwallis vorzudringen, hinein in den einst längsten Tunnel der Welt, der aber mit einer fast un-merklichen Kurve nach rechts ins Reußtal führt, darin das Spektakel von Wassen (Kirchlein rechts, halber Kehrtunnel, Kirchlein links, halber Kehr-tunnel und nochmals Kirchlein links), dann wieder ganze Kehrtunnels; noch früher Passfahrten (nicht über den Nufenen) die Haarnadelkurven der Tremola hoch, dann bequemer nach Hospental hinunter, dann (nicht rechts über die Furka) die sagenumwobene Schöllenen hinunter (vielleicht noch das Suvorov-Denkmal erblickend), am Teufelsstein verstohlen vorbei; und noch früher – doch erst ab dem späteren Mittelalter – mit Saumtieren im Trottschritt über den Pass.
Kritik des Sehens. Drei Thesen zu einer Soziologie ikonischer Formen
in: Ronald Hitzler, Jo Reichertz, Norbert Schröer (Hrsg.): Kritik der Hermeneutischen Wissenssoziologie. Problematisierungen, Entwicklungen und Weiterführungen, Weinheim&Basel/Beltz Juventa, S. 353- 366, 2019
Drei Thesen zu einer Soziologie ikonischer Formen 1 Michael R. Müller Das Bild ist für die visuelle Soziologie nicht nur ein wichtiger Forschungsgegenstand, sondern auch ein bemerkenswertes theoretisches Problem. Schon früh (1979) hatte Erving Goffman ein soziologisches Verständnis der gesellschaftlichen Bedeutung von Bildern und ihrer methodischen Kontrollierbarkeit entwickelt, gleichwohl beschäftigt das Bild die Debatten bis heute. Diskutiert werden nach wie vor das methodische Problem der Bildanalyse, die Bedeutung von Bildern für die Vergesellschaftung und nicht zuletzt die Frage, was das Bild mit anderen Ausprägungen der visuellen Sozialkommunikation gemeinsam hat: mit der ikonischen Geste, dem menschlichen Körperbild, der Architektur etc. Im Folgenden wähle ich die Form der These, um drei mögliche Antworten auf diese Frage-und Problemstellungen zu formulieren. Diese Thesen gehen einerseits auf Fragen zurück, die sich in der empirischen Arbeit früher oder später stellen, andererseits auf Antwortmöglichkeiten, die sich in der Literatur an verschiedenen Stellen finden. 2 Der Gedankengang, den ich ausbuchstabiere, findet seinen Ausgangspunkt in der Annahme, dass das, was ein Bild konstituiert, nicht etwa der Bilderrahmen oder die begrenzte Bildfläche ist. Stattdessen folge ich den Überlegungen Charles Sanders Peirces, Ludwig Wittgensteins und Gottfried Boehms dahingehend, dass sich der besondere Status und Anschauungswert ikonischer Formen 1 Vgl. auch die korrespondierenden Beiträge von Roswitha Breckner und Jürgen Raab in diesem Band. 2 Wie eng die vorliegenden Überlegungen -über die explizit zitierten Publikationen hinausmit den bildanalytischen, vergleichstheoretischen oder wissenssoziologischen Arbeiten von und anderen diskursiv verwoben sind, wird allenthalben deutlich. Da die Herausgeber des vorliegenden Bandes zu einem sparsamen Umgang mit den Druckseiten mahnen, verzichte ich -das Thesen-Format mag dies rechtfertigen -auf eine umfassende Bibliographie, nicht aber ohne zumindest in dieser Form auf die genannten Autorinnen und Autoren und deren Arbeiten hingewiesen zu haben. in: Ronald Hitzler, Jo Reichertz, Norbert Schröer (Hrsg.): Kritik der Hermeneutischen Wissenssoziologie. Problematisierungen, Entwicklungen und Weiterführungen, Weinheim&Basel/Beltz Juventa, S. 353-366.
Zweierlei Verletzlichkeiten. Defiguration in Politik und Kunst
Ulaş Aktaş (Hg.), Vulnerabilität. Pädagogisch-ästhetische Beiträge zu Korporalität, Sozialität und Politik, 2020
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Figuren des Diskontinuierlichen : Sprung und Übersetzung
2018
Nachdem Schöpfungspläne und 'invisible hands' an Überzeugungskraft verloren haben, hat die Differenzerfahrung erheblich zugenommen. Je unklarer und unübersichtlicher das große Ganze geworden ist, desto mehr hat das "nicht-festgestellte Thier" (Nietzsche) - das sich selbst nicht zu finden weiß, vielmehr immerzu gewinnen und verlieren muss - sich mit den vorliegenden Brüchen und Lücken im Weltenbau, den Widersprüchen und Konflikten in der Lebenswelt und den trostlosen Aussichten auf Krankheit und Tod auseinanderzusetzen. Wenn der Schöpfer nicht antwortet und es kein einendes Band mehr gibt, das alles zusammenhält, bedarf es neuer Strategien der Orientierung sowie einer Aufmerksamkeit für die kleinen und großen Differenzen, Unvollkommenheiten und Unversöhnlichkeiten
Die Abstraktionen der entfremdeten Arbeit
Was in der kapitalistischen Produktion mit den Menschen vorgeht, hat Marx „Entfremdung“ genannt. „Entfremdung“ kennnzeichnet ein Verhältnis des Subjekts zur Gesamtheit seiner Lebensbedingungen und Lebensäußerungen. Sie schließt die ökonomische Ausbeutung ein, umfaßt begrifflich aber mehr. Entfremdung meint nicht den Verlust einer historisch gewesenen Harmonie, nicht einen Verstoß gegen ideale Bestimmungen des Menschen; sie bezeichnet auch zunächst nicht eine Verfaßtheit des Bewußtseins, nichts subjektiv Empfundenes. Sie bezeichnet weiterhin keine Voraussetzung, keine Vor-Verfaßtheit, aus der dann etwas Schlimmes folgt, sondern das Resultat einer falschen, nämlich selbstwidersprüchlichen Praxis der Menschen, also ein objektives materielles Verhältnis, das sich dann allerdings zur Voraussetzung erhebt und – als Kapital – alle Lebensprozesse ergreift. Entfremdung ist die „Verkehrung“ der menschlichen in sachliche Verhältnisse. Aber weil sie ein Resultat und nur eine gewordene, produzierte Voraussetzung ist, ist sie auch aufhebbar.
Kunstfiguren: Stellvertreteridentität − Selbstermächtigung – Disidentifikation
De Gruyter eBooks, 2023
Warum erschaffen sich Künstler*innen eine Kunstfi gur? Diese Frage lässt sich an dieser Stelle gewiss nicht abschließend beantworten. Eine Motivation ist aber sicherlich, Dinge mittels einer Kunstfi gur erfahren, sagen und tun zu können, die sie als Privatperson und auch als Künstlerpersönlichkeit nicht in der gleichen Weise erfahren, sagen oder tun könnten. Die Kunstfi gur übernimmt also eine stellvertretende Funktion. Die These des vorliegenden Artikels ist, dass Kunstfi guren als Stellvertreteridentitäten betrachtet werden können, die Künstler*innen ein Empowerment ermöglichen. Wie das möglich ist und welche Selbstermächtigungsstrategien Künstler*innen mit der Erschaffung einer Stellvertreteridentität entwickeln, soll im Folgenden am Beispiel der Kunstfi guren Jilet Ayşe von Idil Baydar und Marcus Fisher von Oreet Ashery aufgezeigt werden. Bei beiden Kunstschaffenden hat die Motivation, eine Kunstfi gur zu kreieren, sowie die Art und Weise, wie diese gestaltet ist, mit der eigenen Biografi e zu tun. Dennoch unterscheiden sich ihre Kunstfi guren von ihnen als Privatperson und Künstler*in: Sie haben eine eigene Geschichte, einen anderen Namen und differieren im Aussehen und Verhalten. Im Sinne der in der Einleitung dieses Bandes besprochenen Kriterien, die eine Kunstfi gur ausmachen, sind Jilet Ayşe und Marcus Fisher fi ktive und auch eigenständige Persönlichkeiten, bei denen dennoch ein ständiges Oszillieren zwischen der Kunstfi gur und der realen Person sichtbar und sogar konstituierend ist. Zudem sind sie als Kunstfi guren in ihrem Handlungsspielraum nicht an einen bestimmten Inhalt oder Kontext gebunden und können in unterschiedlichen Medien und Zusammenhängen agieren. 1 Die beiden Beispiele wurden ausgewählt, da sie ausgehend von ihrer eigenen Lebensgeschichte und Identität sowie aus der Erfahrung von Ausgrenzung und Diskriminierung heraus eine Stellvertreteridentität in Form einer Kunstfi gur kreiert haben. Beide Künstler*innen tun dies aber mit sehr unterschiedlichen ästhetischen Strategien und performativen Praktiken, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen.