Theorie und Praxis im Pragmatismus und in der Praxistheorie (aus: Praxis denken, Ed. Alkemeyer, Schürmann, Volbers 2015) (original) (raw)
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Kreativität und Improvisation, 2012
Die soziologische Analyse von Improvisation, Spontaneität und Kreativität stellt die Theoriebildung vor große Herausforderungen, indem sie die Anerkennung der dynamischen Aspekte sowohl der künstlerischen Praxis als auch des Alltagshandeins einfordert und allgemein nach der Möglichkeit einer soziologischen Beschreibung der Entstehung des Neuen fragt. Dabei lässt sich zwischen Kreativität als einer spezifisch ausgewiesenen, in besonderen sozialen Kontexten ausgeübten Praxis sowie Kreativität als einer grundlegenden Kompetenz jeglichen menschlichen Handeins differenzieren, wobei diese Ebenen als eng miteinander verbunden und ihr Übergang als fließend gedacht werden müssen. In der ersten Dimension stellt sich Kreativität als ein Vermögen der Neuschöpfung dar, das etwa die künstlerische Produktion in Musik, Literatur und Bildender Kunst, die angewandten Bereiche ästhetischer Gestaltung wie Architektur, Design und Werbung, die journalistische Arbeit oder die wissenschaftliche Forschung kennzeichnet. Bereits an dieser Stelle wird die Schwierigkeit deutlich, den kreativen Charakter menschlichen Schaffens auf einzelne, klar abgrenzbare Bereiche einzuschränken. Die zweite Dimension umfasst mit ihrem weiteren begrifflichen Rahmen sowohl das im ersten Sinne kreative Tun als auch das gesamte Spektrum menschlichen Handeins von der bewussten Reflexion über die Problemlösungsfähigkeiten bis hin zu Innovationen als Grundlage flir sozialen Wandel.
"Erfahrung" (Handbuch Pragmatismus, 2018, 74-80)
Handbuch Pragmatismus, 2018
Der Eintrag "Erfahrung" in der Sektion "Grundbegriffe" des Handbuch Pragmatismus (Ed. Festl, 2018). Gibt einen Überblick der Erfahrungskonzeptionen der pragmatistischen Klassiker.
Kritische Theorie (Handbuch Pragmatismus)
The relationship of Frankfurt school critical theory to classical American pragmatism has always been ambivalent. This ambivalence gives the story of debates between the critical theorists a continuity that transcends the generation gaps in the Frankfurt school. The attitude of critical theorists towards classical American pragmatism has been characterized by two prejudices: The first is that pragmatism is uncritical as it takes critique to be immanent to experience; according to the second, pragmatism is a variant of non- or post-metaphysical thinking, although all classical pragmatists were involved in metaphysical speculation and published metaphysical treatises. However, both points are controversial within the Frankfurt school itself.
Das Reale -Das Imaginäre – Das Symbolische – eine Pragmatische Praxistheorie
SGIT World Café vom 3. Februar 2018 – Markus Frauchiger, Psychotherapeut FSP-praxis-frauchiger@bluewin.ch " Reiche und Mächtige können ihre Neurosen derart in gesellschaft-lich akzeptierten Formen unterbringen, dass sie sie nicht als krank-hafte Störung bemerken, nicht an ihr leiden " (Cremerius 1990 S.221)" Wie kann es sein, dass viele Prominente, Vermögende, Etablierte, aus Funk und Fernsehen Bekannte, Sportli-che, attraktive Menschen u.a.m. quasi " symptomfreie Symptome " haben? Neuerdings einen grossen Lei-densdruck verspüren bis hin zur Suizidalität, obwohl die Lebensumstände geradezu ideal erscheinen und kei-ne im herkömmlichen Sinne (d.h. gemäss ICD bzw. DSM-Diagnose-System) Psychopathologie vorliegt? Trotzdem oder gerade deswegen (?) tauchen sie zunehmend in unseren Praxen auf, nachdem früher eher Geist-liche und Geistheiler einerseits bzw. Mediziner und Psychiater andererseits von dieser Klientel aufgesucht wurden, so zumindest meine eigenen Erfahrungen. Wie kommt es, dass ein offensichtlich unfähiger, egozentrischer Showbiz-Typ Präsident der USA werden kann und dann erst noch innerhalb kürzester Zeit " erfolgreich " demokratische Grundfeste erschüttert und sogar abschafft – dies unter dem Jubel breiter Bevölkerungsschichten? Dieser neuen Irrationalität ist m.E. mit aufklärerisch-wissenschaftlichen Methoden nicht mehr beizukommen, sondern wir müssen auch bei uns selbst die zugrundeliegenden Mechanismen studieren welche es ermögli-chen, dass man selber in kurzer Zeit anfangen kann " alternative Fakten " zu akzeptieren und kritiklos über offensichtliche Unstimmigkeiten hinweg-zusehen bereit wird. " Warum werde ich nicht satt? " sangen die Punks " Die Toten Hosen " und prangerten damit den nicht-nährenden Fastfood und im übertragenen Sinne auch den Konsumkult und das " Immer mehr " des entfesselten Kapitalismus (heute würde man treffender von Neoliberalismus sprechen) an. Jacques Lacan und der u.a. auf Sprach-Bildern beruhende Strukturalis-mus können uns hierbei wertvolle Dienste leisten, auch und gerade in der sehr individuellen Arbeit mit be-troffenen Psychotherapie-KlientInnen, zu denen die Reichen, Mächtigen und Schönen meiner Erfahrung nach sehr oft gehören. In meiner eigenen langjährigen Praxis in Bern stelle ich mehr und mehr fest, dass es bei dieser Klientel oft nicht um Symptomreduktion geht, sondern um elementare, aber verlorene, verschüttete Be-dürfnisse und Wünsche wie Anerkennung, Bindung, Liebe und Freude am Leben – viele sind zunächst zu-sätzlich suizidal und leiden an tiefem Selbstwert und virtuellen Vergleichsängsten (s.u.). Auch wir PsychotherapeutInnen selber müssen m.E. die technik-und medienbedingt deutlicher zutage tre-tenden erkenntnistheoretischen Grundlagen unseres Tuns erkennen und abrücken von einer rein vernunft-basierten, scheinbar objektiven, positivistischen Arbeitsweise (sog. ‚evidence based medicine') und so aner-kennen, dass auch wir selber unbewusst denselben Mechanismen der Wirklichkeitsverkennung bzw.-konstruktion folgen wie die viel kritisierten Akteure und anderen " VIPs " aus Wirtschaft, Showbiz und Politik. Angefangen mit Platos Höhlengleichnis (Abb.rechts) möchte ich diesen für uns alle erstmal grundlegenden Um-gang mit dem Imaginären (Lacans berühmtes Spiegelsta-dium des Kleinkindes) als Projektion aufzeigen und so Ver-ständnis wecken für eine auf Ideen (Plato) und Vorstellun-gen beruhende archaisch-konstruktivistische Weltsicht. Diese indirekte Erkenntnisweise ist die uns allen u.a. durch den Aufbau des Auges vorerst einzig mögliche Wirklich-keit. Die etablierte Wahrnehmungspsychologie bestätigt die-se antike Philosophie auch empirisch (Abb.unten, vgl. auch Gestaltpsychologie). Erst mit dem Eintritt in die Welt der Sprache wird es dem Kind möglich, eine intersubjek-tive, relationale und resonante auf Sprache und Konsens basierende Welt-und Selbstsicht sich zu erarbei-ten – das Symbolische.
Die Stimmung der Tatkraft und ihr Denken Pragmatismus als eine Philosophie des Fühlens
I. "Erkenne Dich selbst"-das Streben nach Selbsterkenntnis, zu der sie auffordert und durch die sie sich auszeichnet, verschafft der Philosophie zweifellos den Ruf der Grübelei, den Psycho logen gegenwärtig häufig der Depression zuordnen. 1 Auch wenn Philosophen des Öfteren grüblerisch gestimmt sind, so scheinen ihre Philosophien einer Vielfalt von Stimmungen Ausdruck zu geben, wobei es sich nicht in allen Fällen um depressive Stimmungen handelt. Sokrates bleibt das herausragende Beispiel unverwüstlicher philosophischer Frohmut, die ihn befähigte, selbst der eigenen Hinrichtung mit gelassener Heiterkeit entgegenzusehen. Wenn sich nun aber Philosophen und die Philosophie durch viele verschiedene Stimmungen aus zeichnen, würde es dann jemals Sinn machen, eine philosophische Bewegung im Ganzen mit Bezug auf eine bestimmte Stimmung zu charakterisieren? Diese Möglichkeit wird im Folgenden am Beispiel des Pragmatismus erwogen, wobei zuerst William James betrachtet wird, der den Ruf dieser Bewegung begründete, darauffolgend aber auch andere, für den klassischen und den zeitgenössischen Pragmatismus zentrale Denker. James, der seine grundlegenden methodologischen Einsichten seinem Freund Charles Sanders Peirce verdankt, machte den Pragmatismus durch den gut lesbaren, gleichwohl anspruchsvollen Schreibstil und den lebhaften, leidenschaftlich bewegten persönlichen Aus druck-beides typisch für seine Schriften-so umstritten wie attraktiv. Eine seiner mar kanten Charakterisierungen des Pragmatismus war die der "tatkräftigen Stimmung" ["stren uous mood"], also des energischen Strebens und der Bereitwilligkeit, Schwierigkeiten und Risiken in der melioristischen Bemühung auf sich zu nehmen, die Erfahrung zu optimieren. So schreibt er in The Absolute and the Strenuous Life, der "von mir vertretene Pragmatismus oder Pluralismus muss auf eine bestimmte Art äußerster Zähigkeit bauen, eine bestimmte Art von Bereitschaft, ohne Sicherheiten und Garantien zu leben". Im Unterschied zu einem 1
Die Idee der Partizipation und der Begriff der Praxis
Spohn, Anna: „Die Idee der Partizipation und der Begriff der Praxis“. In: Kauppert, Michael; Eberl, Heidrun (Hg.): Ästhetische Praxis. Wiesbaden: Springer VS, 2016, S. 37–54
Der Titel des vorliegenden Bandes, der den Begriff ästhetische Praxis durch die Frage nach einer ‚Selbstentgrenzung der Künste' oder der ‚Entkunstung von Kunst' ergänzt, deutet zweierlei an. Einerseits ist mit dem Begriff der ästhetischen Praxis das Tun 1 und ein Augenmerk auf ein Handlungsfeld im Bereich des Ästhetischen 2 (im weitesten Sinn) fokussiert. Er markiert ein bestimmtes Forschungsprogramm, das die Dimension des Ästhetischen im kulturwissenschaftlichen und soziologischen Denken verankern will. Andererseits steht die Vermutung im Raum, dass sich durch eine Übernahme von einst Kunstfremdem oder in Folge eines Defi nitionsverlusts vormals klare Grenzen zwischen einer autonomen Kunst und ihrem Außen verfl üchtigt hätten.
In der Debatte des practice turn in social theory hat sich in den letzten Jahren eine Gabelung entwickelt, die den ausgetretenen Pfaden der konventionellen wissenschaftlichen Arbeitsteilung folgt: Auf der einen Seite werden praxeolo-gische Ansätze verstärkt in theorievergleichenden Arbeiten wahrgenommen. Sie werden – vor allem in der deutschsprachigen Diskussion (Reckwitz 2003) – als sozialtheoretische Neuerungen aufgefasst und im Hinblick auf ihre Über-schneidungen mit und Differenzen zu anderen theoretischen Schulen charak-terisiert, eingeordnet und weiterentwickelt. 1 Auf der anderen Seite werden – im Kontext empirischer Problemstellungen – insbesondere in der englischspra-chigen Diskussion in jüngster Zeit verstärkt die Gebrauchsgewährleistungen (affordances) und die Policy-Relevanz von Praxistheorien für die Organisations -(Nicolini 2012) und Politikberatung (Shove et al. 2012) betont und einge-fordert. In dieser (Auseinander-)Entwicklung von theoretischen Bestrebungen einerseits und empirisch-anwendungsorientierten Zielsetzungen andererseits droht die Debatte das zentrale methodologische und epistemologische Bezugs-problem der Praxissoziologie aus dem Blick zu verlieren. Dieses Bezugsproblem ist die Differenz zwischen praktischer und theo-retischer Logik, mit der sich etwa Bourdieu in seinen erkenntniskritischen Reflexionen (1976: 137-317) ausführlich beschäftigt hat. Die Praxeologie Bour-dieus entdeckt die Missrepräsentationen (kompetenter, findiger, kreativer etc.) praktischer empirischer Vollzüge und Prozesse in den theoretischen Model-len, die zu ihrer Darstellung und Erklärung entworfen werden. Solche Miss-repräsentationen, systematischen Verzerrungen und Vereinseitigungen sollen 1 | Die wichtigsten und produktivsten Impulse verdankt dieser Zweig der Debatte den Auseinandersetzungen mit dem Pragmatismus (Boltanski 2010) und mit dem Post-strukturalismus (Schäfer 2013).