Einleitung in die Rhetorik (original) (raw)

J.B. Metzler eBooks, 2005

Abstract

1. Die Frage nach Eigenart und Sinngehalt der Rhetorik begleitet die Redekunst seit ihren Anfangen; es ist immer (anders als etwa bei der ahnlich gewichtigen Frage nach dem Wesen der Philosophie) ein zweifelnder Unterton darin, der nicht nur den Gegenstandsbereich, das Erfahrungswissen, Abgrenzungsprobleme oder die Methode betrifft, sondern auch die Berechtigung der Rhetorik als einer eigenen, selbstandigen und gesellschaftlich nutzlichen Disziplin. Schon die antiken Rhetoriker verbanden die Erorterung dieser Frage mit ethischen Reflexionen, und Quintilian, der bedeutendste Lehrer der Beredsamkeit im kaiserlichen Rom, hat sein erstes, leider verlorenes Buch uber den Verfall der Beredsamkeit geschrieben (»De causis corruptae eloquentiae«); gleich zu Beginn seiner zwolf Bucher uber »Die Ausbildung des Redners« (»Institutionis oratoriae«), dem wichtigsten rhetorischen Lehrwerk der europaischen Geschichte, erortert er den Zusammenhang von Ethik und Rhetorik: »Denn ich mochte nicht zugeben, die Redenschaft uber rechtes, ehrbares Leben sei, wie einige gemeint haben, der Zustandigkeit der Philosophen zuzuweisen […]. Deshalb mochte ich […] entschieden dafur eintreten, das diese Dinge von Rechts wegen wirklich unsere Sache sind und ihrem eigentlichen Wesen nach zur Redekunst gehoren.« (Vorrede, 10f.) Quintilian schliest sich ausdrucklich Platons Meinung an, wenn er die Kenntnis der Gerechtigkeit als Voraussetzung rhetorischer Vollkommenheit dekretiert. Sicher ist jedenfalls, das die Redekunst nach ihrer rein technisch-wissenschaftlichen Seite hin keine Gewahr gegen ihren Misbrauch bietet — sie teilt damit freilich das Schicksal aller anderen Disziplinen, keine Natur- und keine Geisteswissenschaft, die davon ausgenommen ist.

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