Adam im religiösen Wissen der Karolingerzeit (original) (raw)

2019, Religiöses Wissen im vormodernen Europa

Ausgehend von Genesis 1-3, behandelt der Beitrag das religiöse Wissen über Adam im Frankenreich des 9. Jahrhunderts. Die Eliten sahen damals die Gnade Gottes als Voraussetzung dafür, dass die Franken politisch und militärisch erfolgreich sein konnten. Um die Gnade des Allmächtigen zu verdienen, war es notwendig, dass die Menschen gottgefällig handelten; dazu wiederum war ein richtiges Wissen über Gottes Willen unabdingbar. In den Schöpfungsberichten und der Erzählung über die Vertreibung aus dem Paradies wurden aus Sicht der gelehrten Exegeten gerade hierfür zentrale Fragen angesprochen: Die Genesis bot Aufschluss über die Beschaffenheit des Menschen und das Paradies, über die Anfänge von Sünde und Buße und über den freien Willen des Menschen und Gottes Allmacht. Der Beitrag zeichnet vor diesem Hintergrund zum einen nach, was verschiedene soziale Gruppen (gelehrte hofnahe Eliten, Bischöfe, Pfarrer) jeweils über Adam wussten (oder wissen konnten). Zum anderen arbeitet er eine Reihe von Faktoren heraus, die dieses Wissen im Zuge von Transfers in Raum und Zeit veränderten: die Zusammenstellung mit anderen Texten in Form von Handbüchern, Verfahren des Auslegens, Exzerpierens und Kompilierens, aber auch der Sprachwandel vom Lateinischen zu einer frühen Sprachstufe des Romanischen-und nicht zuletzt Unklarheiten und Fehler im Zuge des handschriftlichen Kopierens. 1 Einleitung Die Handschrift 288 der Bibliothèque Municipale von Laon ist ein Büchlein aus dem früheren 9. Jahrhundert. Das Format ist handlich; die 91 Blätter sind nur etwa 21 × 14 cm groß. Sie bieten jene Basistexte, die ein Priester auf dem Land für den Alltag in seiner Gemeinde brauchte: Erklärungen zum Vater Unser, zum Symbolum Apostolorum, zum Symbolum Athanasii und zur Messe, ein knappes Priesterexamen, weitere Erklärungen zum "Canon Romanus", zu Gebeten des Taufritus, ein kleiner Lehrdialog mit Fragen und Antworten zur Taufe. Am Ende stehen zehn Predigten zu grundlegenden Fragen christlicher Moral: Warum müssen wir gute Werke tun? Was ist der Unterschied zwischen den Guten und den Bösen? Wie kann Gottesfurcht die Sünde vertreiben?1 1 Genaueres zum Inhalt: Steffen Patzold, "Correctio an der Basis: Landpfarrer und ihr Wissen im 9. Jahrhundert", in: Karolingische Klöster. Wissenstransfer und kulturelle Innovation, hg. v.