Transkulturelle Literaturen in einer globalisierten Welt (original) (raw)
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Transkulturalität als Literatur-und Wissenschaftsform
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II.3 Mehrsprachige Literatur und Transnationalität
Literatur und Transnationalität, 2019
Die Vorstellung, dass die Angehörigen einer Nation durch eine Sprache geeint sind, die sie gleichzeitig von den Angehörigen anderer Nationen unterscheiden, ist dem westlichen Nationalgedanken zutiefst eingelassen (vgl. II.1 Grabbe). Die Idee einer einheitlichen Muttersprache, die zugleich die eine Sprache der nationalen Institutionen und des nationalen Schriftgutes sein sollte, darf als eine der wirkmächtigsten Erfindungen der europäischen Moderne gelten (Bonfiglio 2010). Mehrsprachigkeit und Übersetzung erfuhren demgegenüber eine Auslagerung an die Peripherien der nationalen Ordnung. Von dieser liminalen und marginalisierten Stellung sind sie gegenwärtig gerade in der Literatur zum zentralen Modus transnationaler Überschreitungsbewegungen und Hinterfragungen der Zuschreibung eindeutiger nationaler und sprachlicher Zugehörigkeiten avanciert (Trigonakis 2007; vgl. auch II.2 Bachmann-Medick). Mehrsprachigkeit, so fasst es der deutsch-bulgarische Autor Ilja Trojanow, meint Weltläufigkeit im Literarischen und ist der Pfad, der aus der Beengung der nationalen Literatur hinauszuführen verspricht (Hübner 2010, 18). Ein zwingender Zusammenhang zwischen Ein-und Mehrsprachigkeit auf der einen Seite und nationalen Einheiten bzw. deren transnationaler Überschreitung auf der anderen besteht und bestand allerdings nie. Staatspolitisch-kulturelle Einheiten können institutionell mehrsprachig sein, multilinguale Individuen Angehörige einer einzelnen, monolinguale verschiedener Nationen. Tatsächlich stellt historisch und geografisch gesehen der Monolingualismus eher einen Ausnahmefall dar von der Regel mehrsprachiger Individuen und sozio-kultureller Systeme (Zsiga 2014; Balogh 2012; Baldzuhn 2011; Liu 1995). Mehr als eine historische oder regionale Gegebenheit ist Einsprachigkeit mithin ein kulturelles Konstrukt, Ergebnis starker historischer Normierungen von Sprache wie kultureller Vorstellungen einer einmaligen, emotional aufgeladenen Bindung an eine bestimmte Sprache. Eben hier setzt das kulturwissenschaftliche Interesse an Einund Mehrsprachigkeit an. Wie werden sie historisch-kulturell erzeugt und gewertet? Inwiefern beeinflusst Einsprachigkeit als Norm sowohl Produktion als auch Rezeption von Literatur und wie wirken Ordnungskategorien wie Nationalsprache und-literatur bis heute fort? Im nationalphilologischen Blick musste es lange ein blinder Fleck sein, dass trotz der einsprachigen Norm zu allen Zeiten selbst in Westeuropa mehrsprachige Texte entstanden und Schriftsteller in mehreren Sprachen schrieben (Schmeling und Schmitz-Emans 2002; Kremnitz 2004; Forster
Kollektivität als wesentliche Merkmale einer 'kleinen Literatur" ausmachten und im Blick auf das Schreiben Franz Kafkas verorteten (dt. 1976), nahmen sie auf das, was wenig später als 'postkoloniale Literaturen' mit ganz ähnlichen Kategorien belegt werden sollte, keinen Bezug. Die Analogien liegen aber auf der Hand. Deleuze/Guattaris Überlegungen zu einer neuen Literatur, die sich Sprache und Sprachen aneignet, bricht, politisierend umfunktioniert und für Zwecke der revolutionären Neuverortung appropriiert, wurden nicht von ungefähr immer wieder auf die postkoloniale literarische Expressivität übertragen und kritisch vor diesem Hintergrund reflektiert (Kaplan ). Die Herausstellung der zukunftsweisenden Funktion der kleinen Literatur bei Deleuze/Guattari verweist daneben aber auch auf Jean-François Lyotards fast zeitgleiche Ankündigung einer postmodernen Ära der 'kleinen Erzählungen', die die Metaerzählungen, die 'grand récits', der Moderne ablöse. In dieser Allianz wird das Kleine zum Charakteristikum einer neuen, zeitgemäßen Poetik und Epistemologie. Kleine Literaturen und kleine Erzählungen zeichnen sich durch Vorläufigkeit, Tentativität, Variabilität und Fragmenthaftigkeit aus und ziehen eben aus diesen Verfahren der Unbestimmtheit ihre kulturelle Wirkmacht. Lyotard (dt. 1994) selbst wies darauf hin, dass die Figurationen des Kleinen in vieler Hinsicht und paradoxerweise als Metaerzählung der Postmoderne begriffen werden können. Und tatsächlich lässt sich die Entwicklung einer globalen Kultur um die Wende zum 21. Jahrhundert als Erfolgsgeschichte des Kleinen schreiben. Das gilt zumindest für die Bereiche einer globalen Wirklichkeit, in denen transnationale Märkte und Zielpublika erschlossen oder adressiert werden. Auf der Ebene der Wissensvermittlung, der kulturellen Kommunikation und der Bedeutungsstiftung manifestiert sich der Hang zum Kleinen in einer Modularisierung und Feingliederung von Informationen, und gestaltet sich daher oft als Verkürzung: die 1 Teile dieses Textes folgen der Argumentation, die in Mayer 2014 in einem anderen Kontext entworfen wurde.
Nationundgeistige Weltkultur - über Fichte
Nation und geistige Weltkultur -über Fichte, 1994
Fichte, Nation und geistige Weltkultur Rede vor den Fakultäten der Universität Charkov am 9.9.1994 Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde,
„Weltliteratur“ in deutscher Übersetzung
Rocznik Komparatystyczny, 2016
Der vor knapp 200 Jahren von Johann Wolfgang von Goethe ins Spiel gebrachte Begriff der Weltliteratur hat eine lange Karriere hinter sich. 1 Zwar bilden die wenigen zerstreuten Äußerungen Goethes zu diesem Gegenstand, die vor allem im Zusammenhang mit seiner Arbeit an der Herausgabe der Zeitschrift "Kunst und Altertum" entstanden und durch einige Bemerkungen in den Gesprächen mit Eckermann ergänzt wurden, keine zusammenhängende Konzeption. Dennoch läßt sich sein Verständnis des Begriffs skizzieren: Goethe verstand unter Weltliteratur vor allem ein Netz des Austausches und der Diskurse unter Autoren und Texten, das sich erst zu seiner Zeit, aufgrund der Ausbreitung und Beschleunigung öffentlicher Kommunikation über die neu entstehenden Literatur-und Kunstzeitschriften, zu formieren begann (Birus, 1995; Koch, 2002; Lamping, 2010). Die Wortbildung "Weltliteratur" erwies sich jedoch als offen für verschiedenartige Deutungen. Der Begriff wurde, sowohl in qualitativer wie in quantitativer Hinsicht als auch in Abhängigkeit vom Zeitkontext und der jeweiligen Sprache und Kultur in sehr verschiedener Weise konzipiert: als Summe aller Literaturen der Erde, als Summe der Meisterwerke aller Literaturen, als Literatur transnationaler Prägung und Geltung und z.T. auch-wie ursprünglich bei Goethe-als aktuelles kommunikatives Netz zwischen lebenden Autoren der Welt. Der Begriff veränderte nicht nur seinen Inhalt, sondern auch seine zeitliche Reichweite, indem er bei Goethe die aktuelle, 1